Braune Lahnstadt: Nationalsozialismus in Marburg

Braune Lahnstadt: Nationalsozialismus in Marburg

Die NS-Vergangenheit ist einer der wichtigsten Punkte in der deutschen Geschichte. Darauf wird im Geschichtsunterricht häufig ein besonderes Augenmerk gelegt, denn hier gilt es mehr denn je, aus der Vergangenheit zu lernen. Mit den meisten Daten und Fakten sind wir vertraut, doch wie sieht es mit der lokalen Vergangenheit aus? Was passierte damals in Marburg?

Die NSDAP spielte in Marburg, wie auch in den meisten anderen Orten vor 1933 keine große Rolle. Am 12. März 1933 gewann die NSDAP allerdings mit einer klaren Mehrheit die Kommunalwahlen. Knapp zwei Monate später, am 1. Mai 1933, traten schließlich viele Marburger Bürger in die Partei ein. In Marburg ließ sich dieser Trend also genauso feststellen wie im restlichen damaligen Deutschen Reich. Gegen Ende des Jahres 1932 zählte die Partei in Marburg beispielsweise nur 691 Mitglieder. Im Kontrast dazu stehen die 641 Neuaufnahmen im Folgejahr.

Marburger Leben während des Nationalsozialismus

Das ganze Jahr über gab es Veranstaltungen wie Aufmärsche und Fackelzüge, dazu wurde geflaggt: entweder in den Städtefarben Blau-Weiß-Rot oder mit Hakenkreuzfahnen. Die Fahnen der Verbindungen waren nicht mehr erlaubt, wie auch die Verbindungen selbst. Deren Häuser wandelte man in „Gemeinschaftshäuser“ für Studenten um. Währenddessen wurde der Oberbürgermeister abgesetzt, da man in ihm einen Parteikritiker sah. Die Stelle blieb zunächst ein Jahr frei, zu dieser Zeit hatte Bürgermeister Walter Voß die höchste Stelle in der Marburger Verwaltung inne. Erst im April 1934 wurde der neue Oberbürgermeister Dr. Ernst Scheller eingesetzt. Viele Straßen und Plätze wurden umbenannt, so wurde der Friedrichsplatz z. B. zum Adolf-Hitler-Platz und die Kasernenstraße zur Hermann-Göring-Straße.

Von Beginn an wurde besonders die jüdische Bevölkerung, aber auch Menschen mit Behinderungen und beispielsweise Sinti und Roma terrorisiert. Dies geschah zuerst durch die Verdrängung ebendieser Personen aus dem öffentlichen Leben. Daran war die Stadtverwaltung durch entsprechende rückwirkende Regelungen beteiligt. In einer zweiten Phase wurden jüdische Bürger enteignet und ihre Läden wurden boykottiert. Die Reichspogromnacht hatte die Zerstörung der Marburger Synagoge zufolge, nur die Thorarollen konnten gerettet werden. Die Synagoge wurde abgebrannt und die Mauern gesprengt, die Trümmer wurden weggeschafft. Die entstandenen Kosten hatte die jüdische Gemeinschaft zu tragen.

Fotomontage des Modells der Synagoge in der Universitätsstraße. Foto: CC Heinrich Stürzl, unverändert.

Morde an Juden, Sinti und Roma und Menschen mit Behinderung

Kurz nach der Reichspogromnacht begann die Deportation vieler jüdischer Männer nach Buchenwald. Die verbliebenen Juden wurden in Ghettohäusern untergebracht. Abgesehen von etwa 200 jüdischen Mitmenschen, die aus Deutschland fliehen konnten, wurden sie bis 1942 in drei Wellen in KZs und Lager deportiert, in denen die meisten ums Leben kamen. Diese Deportationen markierten das Ende der bis dahin bestehenden jüdischen Gemeinde in Marburg. Doch auch andere Menschen verloren ihr Leben oder litten unter den unmenschlichen Taten der Nationalsozialisten: Etwa 80 Sinti und Roma wurden aus Marburg-Biedenkopf verschleppt und in Auschwitz ermordet. In der Uni-Klinik wurden Zwangssterilisationen an Menschen mit psychischen Erkrankungen durchgeführt und es wurden psychische Gutachten für die Deportation von Menschen mit Behinderung erstellt. Ersteres traf auch auf manche Schüler:innen und Mitarbeiter:innen der Blista zu.

1945 wurde die Stadt schließlich kampflos übergeben.

Foto: SA-Aufmarsch am Reichsparteitag 1933 in Nürnberg. Bundesarchiv, Bild 183-1987-0410-501 / CC-BY-SA 3.0, unverändert.

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