Frankreich steckt in der Krise und wählt bald

Frankreich steckt in der Krise und wählt bald

Bald stehen in Frankreich die Präsidentschaftswahlen an. Dass Marine Le Pen am 7. Mai in die Stichwahl geht, gilt als gesetzt. Was ist los in Frankreich? Ein Gastbeitrag.

Kurz vor den Präsidentschaftswahlen in diesem April zeigt sich Frankreich so in Aufruhr wie selten zuvor. Mehrere Millionen Menschen beteiligten sich im Sommer und Herbst 2016 an den Streiks und Blockaden von linken Gewerkschaften gegen die von der sozialdemokratischen Regierung durchgesetzten Arbeitsmarktreform »El Khomri«. Benannt ist sie nach der Arbeitsministerin Myriam El Khomri. Begleitet wurden die Streiks von einer landesweiten Welle an Platzbesetzungen. In über 60 Städten wurden von der »Nuit Debout«-Bewegung (frei übersetzt: Nacht der Aufrechten) zentrale Plätze besetzt.

Die europäische Staatsschuldenkrise setzte Frankreich in den letzten Jahren wirtschaftlich stark unter Druck. Das Gesetzespaket »El Khomri« geht auf die Forderungen der Europäischen Kommission zurück, eine grundlegenden Reform des Arbeitsrechtes durchzuführen. Man wolle »flexibler« werden zu können. Befristungen von Arbeitsverträgen, Schwächung des Kündigungsschutzes, Aushöhlung des Mindestlohns und Streichung der 35-Stundenwoche sind nur ein paar der Beispiele, die den Angriff auf die Arbeiter:innen zeigen. Das Gesetzespaket folgt dem Prinzip der deutschen Agenda 2010. Die Folgen hierzulande: Arm trotz Arbeit, sinkende Löhne und leere Rentenkassen auf Seiten der arbeitenden Bevölkerung, explodierende Profite auf Seiten des Kapitals. Umfragen im letzten Jahr ermittelten, dass ca 70 % der Bevölkerung dem Gesetz ablehnend gegenüberstehen. Die Ansage der Regierung, das Gesetz auch ohne die Zustimmung durch das Parlament durchzusetzen, mit Hilfe eines Notparagrafen, führte zu einem gesellschaftlichen Aufschrei. Neben den industriell geprägten Gewerkschaften wie der CGT, waren es vor allem die Platzbesetzungen, die diese breite gesellschaftliche Bewegung kennzeichneten. Diese setzten sich dabei vor allem aus jungen Student:innen und Akademiker:innen, die oftmals prekär beschäftigt sind, zusammen. Die Platzbesetzer:innen grenzen sich dabei allerdings vom politischen System ab, womit ihr Protest nicht zuletzt auch Ausdruck dessen Krise und ihrer Parteien sei. Den beiden großen Volksparteien wurde eine Vertrauensverlust attestiert und ihnen die Fähigkeit zur Repräsentation der Bevölkerung aberkannt. Die Proteste waren und sind daher auch eine politische Artikulation von Alternativen zum derzeit bestehenden politischen System.

Marine Le Pen kommt wohl in die Stichwahl

Das Politik reagierte mit harter Repression auf die landesweiten Streiks und Proteste. Die Polizei ging mit zunehmender Gewalt gegen die Streikenden und Demonstrant:innen vor. Dieses harte Eingreifen sowie die zwangsweise Verabschiedung der Arbeitsreform im Spätsommer führte zu einem Abflauen der Protestbewegung. Die Gewerkschaften konnten trotz der aussichtslosen Lage im September noch mal mehrere Hunderttausend Menschen gegen die neuen Gesetze auf die Straße bringen.

Frankreich befindet sich zur Zeit weiterhin in einer Wirtschafts- sowie Repräsentationskrise. Dies wird auch in der Zustimmung zur rechtsradikalen »Front National« deutlich. Dass Marine Le Pen am 7. Mai in die Stichwahl gelangt, gilt als gesetzt. Entgegen der Annahme, dass die »Front National« durch die Proteste geschwächt werde, scheint sie von diesen wenig beeinflusst worden zu sein. Im Gegenteil. Durch die undemokratische Umsetzung der Arbeitsrechtsreform sieht sie sich in ihrer Annahme bestätigt, dass diese von der EU-Bürokratie aufgezwungen wurde, und schlägt aus den Protesten selbst politisches Kapital.

Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen stellt sich daher die Frage, wie sehr die »Front National« von dem unsicheren gesellschaftlichen Klima profitieren wird. Dabei wird entscheidend sei, ob die linken Parteien und Gewerkschaften eine Gegenkraft zu den Austeritätsmaßnahmen der politischen Mitte, und dem Erstarken der radikalen Rechten etablieren können. Der Ausgang bleibt offen.

MEHR WISSEN: Die Arbeitsgemeinschaft für gewerkschaftliche Fragen Marburg (AgF) hat zur aktuellen Lage in Frankreich, am 1. Februar eine Diskussionsveranstaltung mit CGT-Gewerkschafter Raymond Ruck und dem Politikwissenschaftler Sebastian Chwala auf die Beine gestellt. Hier geht’s zur Veranstaltung.

FOTO: CC Gongashan auf flickr.com, unverändert

PHILIPP-Gründerin und Chefredakteurin von 2014 - 2017.

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