Marburg im Bann der Dämonen

Marburg im Bann der Dämonen

Marburg ist langweilig, denkst du? Dann hast du noch nicht “Marburg bei Nacht” gelesen. Den Vampirroman im Lokalkolorit, im Marburg der 90er Jahre.

Ein Strohballen fliegt leichtfüßig tänzelnd und völlig unaufgeregt durch die Wüste L.A.s und Cineast*innen wittern zu Recht die Eröffnungssequenz des coehn’schen Klassikers The Big Lebowski. Doch diese Szene ist weit mehr als das. Es ist DIE audiovisuelle Metapher für das, was in Marburg während der Semesterferien passiert: Nämlich gar nichts, begleitet von der ebenso leichtfüßigen Süffisanz, daran auch nichts zu ändern. Der mittelhessischen Stadt jedoch qua deswegen auch jeglichen Funken Entertainment und Erlebnis abzusprechen, wäre trotz der Ausgestorbenheit, die an ehemalige Sowjetstädte erinnern lässt, unangebracht. Denn welch Schönheit umgibt diese Stadt im meteorologischen Kreativkessel, trotz aller Semesterferientristesse! Was immer bleibt ist das Schloss in der Höhe, zu dessen Schoße sich die deutsche Version der Winkelgasse und Klein-Hogwarts befinden. Denn es ist eben auch mit Marburg das alte Spiel: Auch wo es zunächst trist sein mag, die nächste spannende Geschichte lauert nur um die Ecke. Philosophisch dargelegt hat das spätestens Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Und waren es nicht auch die Brüder Grimm, die in Marburg ihr Unwesen getrieben haben?

Twilight killed the literature?

Nun interessieren die philosophischen und literarischen Klassiker in der heutigen Zeit nun leider die Wenigsten. Außer die Studierenden der schönen Künste und das Feuilleton der F.A.Z vielleicht. Es wird einfach lieber Fifty Shades of Grey gelesen. Aber es ist eben so, dass der Genuss von Literatur ein rein subjektiver ist. Und trashige Literatur macht eben manchmal mehr Spaß. Stellt euch zum Beispiel vor, da schreibt jemand ein Buch über einen Marburger Soziologiestudenten, der zum Vampir wird und gemeinsam mit seinen Freunden gegen die dunklen Machenschaften einer ebenfalls vampirischen Burschenschaft kämpft. So was kann sich keiner ausdenken? Doch, das geht. „Marburg bei Nacht: Anekdoten eines studentischen Vampirs“ von G.F. Bileck ist der lebende Beweis dafür. Auf 382 Seiten erzählt es dir nämlich nicht nur von rivalisierenden Blutsaugern, von denen die einen im Landgrafenschloss leben und die Welt in die Zeit des düsteren Mittelalters zurückversetzen wollen und die anderen im Studentendorf erst mal miteinander rummachen, bevor sie sich den ersteren entgegen stellen, sondern es gibt dir auch Einblicke in das studentische Leben der 90er Jahre, als man statt irgendwo hinter Cölbe und Wehrda noch draußen vor dem Hörsaalgebäude Raves abgehalten hat. Hyper Hyper.

Wir wittern Kultcharakter

Marburg bei Nacht sei die „deutsche Antwort auf amerikanische Serien wie Buffy oder Twilight“, steht im virtuellen Klappentext auf Amazon. Das ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Eher ist es eine, sagen wir, „Marburger“ Antwort. Denn, ähnlich wie der Strohballen der Coen-Brüder ist auch die Lektüre dieses Buches ein prädestiniertes Abbild dieser Stadt. Es weht so an einem vorbei, zwischendrin fragt man sich, was man da eigentlich macht, gut unterhalten wird man aber trotzdem irgendwie. Spätestens, wenn es zum splatterigen Höhepunkt zwischen den Guten um Marco Baumann und seiner Vampiercrew und den Bösen um die Burschenschaft der Teutonischen Front kommt.

Der Autor, G.F. Bileck, studierte übrigens selbst in Marburg. Heute lebt er in den USA, gar nicht so weit weg von seinem Idol Stephen King. Und wie das so war, in den 90ern als Nichtvampir in Marburg zu leben und warum er auf die Idee gekommen ist, eine Vampirgeschichte zu schreiben, erzählt er dir im Interview, das wir mit ihm geführt haben.

artikel_marburgbeinachtbuchG.F. Bileck
Marburg bei Nacht: Anekdoten eines studentischen Vampirs
CreateSpace Independent Publishing, 2013
382 Seiten
15,79 € (Buch) /  9,88 € (Kindle)

FOTO: a_kep auf flickr.com, CC-Lizenz

PHILIPP-Gründerin und Chefredakteurin von 2014 - 2017.

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