Rostiger Nagel #2: ’90s-Nostalgie

Rostiger Nagel #2: ’90s-Nostalgie

Dass sich Menschen gerne nostalgisch an die Zeit erinnern, in der sie jung waren, ist nichts Neues. Immer häufiger liegen die Jahre, an die viele Leute so verklärt zurückdenken, aber gar nicht mehr weit von der Gegenwart entfernt: Zehntausende besuchen Eurodance-Revival-Festivals, beginnen wieder damit, 25-Jahre alte Kinderserien zu gucken, und sehen zu, wie uns Luke Mockridge eine Aufzählung von ’90er-Produkten und -Phänomenen als StandUp-Comedy verkauft. Die Nineties-Nostalgie grasiert schon seit längerem unter den Anfang 20 bis Mitte 30-Jährigen, und geht mir mit ihrer Selbstherrlichkeit zunehmend auf den mittlerweile selbst fast 25 Jahre alten Sack.

Von unserer (Groß-)Elterngeneration sind wir die hemmungslose Beweihräucherung ihrer eigenen Generation und das selbstmitleidige Nachtrauern vergangener Tage ja bereits gewöhnt. Im Radio hören sie ausschließlich Oldie-Sender, in der die aufgedrehten Moderatoren „Die besten Songs der ’80er – der geilsten Dekade aller Zeiten“ versprechen. Und im TV schauen sie Nostalgie-Sendungen, in denen abgehalfterte „Prominente“, deren letzte öffentliche Auftritte bei der Eröffnung eines Baumarkts und der Zwangsversteigerung ihres eigenen Hauses stattfanden, vor dem Greenscreen den Alltag des Jahres 1984 kommentieren.

Ja, Birgit, total crazy, dass auch du damals Schulterpolster und Dauerwelle getragen hast. Dieser höchst individuelle Stil schlägt sich auch heute noch in deiner frechen, mit Strass-Steinen besetzten Bluse aus dem Adler-Versand nieder. Und klar, Armin, dass du diese Zeit stets als die Beste überhaupt bezeichnest, hat natürlich nichts damit zu tun, dass du damals Jugendlicher warst. Genau so wie die Region aus der du kommst ganz zufällig die Schönste des Landes, und der beste Fußballverein der Welt komischerweise der aus deiner Heimatstadt ist.

Wenn diese Leute sagen, dass „früher alles besser war“, meinen sie damit eigentlich nicht „alles“, sondern sich selbst. Ihr Sozialleben, ihre Figur, und ihre Lebensqualität waren früher besser. Und in der Erinnerung werden die Sachen, die auch in der eigenen Jugend und der damaligen Gesellschaft komisch, unschön und scheiße waren, immer stärker ausgeblendet. Bis man davon überzeugt ist, dass früher in Deutschland Milch und Honig flossen, die Menschen sich von herumfliegenden Brathähnchen ernährten, während sie die höchstentwickelte Kunst und Kultur der Menschheitsgeschichte konsumierten. Dagegen stinkt die heutige Welt dann natürlich ab. Nicht nur, dass man statt Nektar und Ambrosia nun Öttinger Export trinkt und statt Kaviar Curry-King isst, auch der fitte, junge Körper, mit dem man in seiner Jugend anderen den Kopf verdrehte, ist zu einem unförmigen Klops verkommen, und Fotos davon sind nicht mehr auf dem Pausenhof oder Campus, sondern nur noch bei Abnehmmittelherstellern zur Verbildlichung schockierender Negativbeispiele begehrt. Angesichts dieser Umstände erscheint es zumindest noch nachvollziehbar, dass man sich in die „gute alte Zeit“ zurücksehnt.

Doch wer dachte, dass ausschließlich bierbäuchige, Camp David-tragende Lebemänner in der Midlife-Crisis diesem Nostalgie-Wahn zugetan sind, irrt. Damit wird immer früher begonnen, und die Musik, Mode und Medien, die vor wenigen Jahren aktuell waren, sind heute bereits „Kult“.

Heute regen sich dieselben Leute, die vor 10 Jahren von ihren Eltern Videospielverbot bekommen haben, darüber auf, dass 12-Jährige Smartphones besitzen, und betonen bei jeder Gelegenheit, wie froh sie doch sind, noch eine „richtige“ Kindheit und Jugend, ganz ohne Handy und Internet, gehabt zu haben. Die Fernsehsendungen, Musik und Mode der Neunziger werden rigoros abgekultet, und Facebook-Seiten wie „Wir Kinder der 90er“ posten Auszüge aus „Yu-Gi-Oh“ oder Fotos von angebissenen Center Shocks mit Beschriftungen wie „Nur 90er-Kinder werden das verstehen <3“.

Ja, Anna, cool dass du dich selbst stolz als „90’s Kid“ bezeichnest und jetzt wieder angefangen hast, deinen Mitte der ’00er eigentlich in die hinterste Ecke des Kleiderschranks gewanderten Choker zu tragen. Und ja Thomas, nice, dass auch du damals Tamagotchi gespielt, im Fernsehen Pokemon geguckt hast und heute bei der Kirmes zur Titelmusik der Gummibärenbande auf den wackligen Biertischen tanzt.

Die grenzenlose Selbstbeweihräucherung der eigenen Jugend hielt ich stets für ein Phänomen, welches erst einsetzt, wenn letztere von der Gegenwart bereits mehrere Jahrzehnte entfernt ist. Wenn mir aber Anfang 20-Jährige erzählen, die ’90er seien die geilste Zeit überhaupt gewesen, sie „stolz“ darauf sind in ebenjener Dekade geboren worden zu sein, oder unironisch sagen, dass sie es „traurig“ finden, wie „die heutige Jugend“ (also Leute, die 5 Jahre jünger sind als sie selbst) rumläuft, handelt und aufwächst, frage ich mich, ob der demografische Wandel in Deutschland bereits so weit fortgeschritten ist, dass sich junge Menschen anhören wie ihre eigenen Großeltern.

Tim's Kolumne 'Rostiger Nagel'
Tim Kuppler schreibt, macht Poetry Slam und studiert nebenbei Kulturwissenschaft in Marburg. Die Kolumne „Rostiger Nagel“ thematisiert alles zwischen Lokalkolorit und der großen Weltpolitik. Sie erscheint ab sofort in unregelmäßigen Abständen hier auf philippmag.de

FOTO: Pexels

2 Gedanken zu “Rostiger Nagel #2: ’90s-Nostalgie

  1. Wow, du bist ganz schön mit dem falschen Fuß aufgestanden, oder? Bisschen mehr Reflexion ist zu wünschen, wenn es darum geht, was Mode heißt und dass eine Mode (egal ob im Sinne von Klamotten oder Musik oder was auch immer) eben immer wieder aufgegriffen wird. Solche Artikel wie deinen gibt es schon zu Tausenden, irgendwelche Menschen glauben, so ihrem Frust gerecht zu werden. Aber so schwarz-weiß ist es eben nicht, wie du es darstellst. Das war wirklich der schlechteste Artikel den ich seit langem hier gelesen habe *sad*

  2. Lieber Autor,

    da scheint ja jemand den vermeintlichen Nagel auf den Kopf getroffen zu haben. Dein Artikel strotzt ja förmlich nur so von Metaphern, zynischen Vergleichen und der Reproduktion einer abscheulich großen Anzahl an Stereotypen. Mal davon abgesehen, dass ich bei der absurden Anzahl dieser Stilmittel fast gekotzt hätte, liest dich der Artikel so, als würdest du dich selbst aufs Korn nehmen wollen.

    Da bezeichnest du die Vorgänger Geberation noch als Jammerlappen und hast selbst nichts besseres zu tun, als einen Artikel ohne Anspruch und Ziel zu verfassen, einzig um deinen Frust – woher auch immer dieser kommen mag – Luft zu machen.

    Lustig auch, dass du mit der Frage endest, ob der demographische Wandel dahingehend fortgeschritten ist, dass sich „deine“ Generation anhört, wie die deiner Großeltern. Schließlich kam ich nicht umhin mir vorzustellen, wie gut dieser Artikel in das rhetorische Spektrum von Philipp Amthor passt.

    Nächstes mal vielleicht etwas mehr Reflexion über den Begriff ‚Kultur‘ zu Gemüte führen, statt hier einen 14 jährigen Jammerlappen zu mimen.

    In diesem Sinne,
    xoxo

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