Schießereieiei

Schießereieiei

Endlich steht Ostern vor der Tür. Schon seit Wochen sieht man in den Supermärkten riesige Stapel bunt bemalter Eier. Doch nicht in allen Gegenden greifen die Leute zu den Eiern aus dem Supermarkt. Im nordrhein-westfälischen Sauerland, der Heimat von Autorin Chantal, versammeln sich Groß und Klein am Ostersamstag beim Kleinkaliber Sportverein (KKSV) zum Ostereierschießen.

Es ist Ostern und anders als sonst üblich werden in meiner Familie am Ostersonntag und -montag neben einem schönen Essen keine großen Feierlichkeiten aufgetischt.  So hat sich der Ostersamstag insgeheim zum Höhepunkt der Feiertage herauskristallisiert. Denn bei uns werden die Ostereier nicht einfach im nächsten Supermarkt gekauft, sondern geschossen. So brutal wie sich das Ereignis im ersten Moment anhört, ist es natürlich nicht. Die gefärbten Schätze bleiben am Ende heile. Doch das mit dem Schießen ist durchaus wörtlich gemeint. Und im Prinzip ist auch ein Ei das Ziel, nur eben eins aus Pappe.

Zwischen Gewehren, Pistolen und Ostereiern

Schon früh am Samstagmorgen fahren wir zum Vereinsheim des Schießvereins, wo wir allerhand Bekannte treffen. Denn bis dato sucht man in den meisten Haushalten vergeblich nach Ostereiern. Es wird sich darauf verlassen, dass man gut schießt und beim Ostereierschießen allerhand Eier abstauben kann. Die gehören schließlich zu Ostern dazu. Also werden schnell beim Eingang die ersten Zielscheiben gekauft und es geht zum Schießstand. Mit einem Luftgewehr wird auf die Scheibe mit dem Ei gezielt, auf jede darf man drei Schuss abgeben. Dabei kann sich jede*r so viel Zeit lassen, wie man möchte, damit auch niemand unter Druck gesetzt wird und womöglich noch eine zittrige Hand das Osterfest vermiest. Jeder Treffer in das Papp-Ei lassen die Augen leuchten, denn das beschert einem ein Osterei.  Mit den gut durchlöcherten Zielscheiben geht es nach der Schießerei zum Eierstand, wo man sich die bunten Ostereier abholen kann. 

Wer neben Ostereiern noch ein kleines Präsent gebrauchen kann, hat beim Preisschießen die Möglichkeit, mit einem Kleinkaliber verschiedene Gewinne abzustauben, die von den heimischen Betrieben zur Verfügung gestellt werden; das reicht von einer Flasche Sekt über einen Schlüsselanhänger bis zu einem Werkzeugkasten. Dabei sucht man sich einen Preis aus, für den man schießen möchte. Jeder Preis hat seinem Wert entsprechend unterschiedlich viele Schießkarten, von welchen sich jede*r beliebig viele kaufen kann. Die Sektflasche hat beispielsweise 3 Schießkarten und der Werkzeugkasten 15. Am Ende des Tages werden alle Schießkarten ausgewertet und der/die beste Schütz*in des jeweiligen Preises gewinnt. So verbringt so manche Familie den lieben langen Ostersamstag im Vereinsheim des KKSV, wandert von Ostereier- zu Preisschießen und wieder an die Tische. Um sich für das Schießen zu stärken, ist auch für das leibliche Wohl gesorgt: Neben Getränken wird eine Auswahl von Kuchen und Salaten präsentiert.

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Wer vielleicht noch etwas Dampf abzulassen hat, kann beim Pistolenschießen sein/ihr Können beweisen, bei welchem mit einer Sportpistole auf eine 25 Meter entfernte Zielscheibe geschossen wird. Die Ergebnisse werden den Tag lang gesammelt und die besten Schützen werden mit einem Pokal ausgezeichnet. So ist von jedem Schwierigkeitsgrad etwas dabei. Und auch ein/e nicht so begabte*r Schütz*in wird sicher nicht mit leeren Händen nach Hause gehen, da es allerhand Möglichkeiten gibt, die Schießqualitäten auszutesten. Wenn es nach der zehnten Eier-Zielscheibe noch immer zu keinem Treffer gekommen ist, wird auch mal ein wenig nachgeholfen, denn ein Osterfest ohne Ostereier wäre schließlich kein richtiges Osterfest.

Bunte Eier, wohin das Auge reicht

Traditionen können ja oft langweilig sein, doch diese ist definitiv eine der besten, die es in meiner Heimat gibt. Auch wenn sich meist eher die jüngere Generation um den Schießstand scharrt, während sich die Älteren bei zwei, drei Bierchen anschauen, wie sich die Eierkartons vor ihnen auf dem Tisch immer höher stapeln. Gegen Abend geht man dann heimwärts, meist mit viel zu vielen Ostereiern. Die folgenden Tage gibt es dann bei uns morgens, mittags, abends und natürlich zwischendurch Eier, Eier, Eier. Und Eiersalat. Ganz viel Eiersalat. Das Schießen macht einfach zu viel Spaß, als dass man nach 20 erworbenen Eiern schon damit aufhören könnte. Bei der abendlichen Gewinn-Begutachtung verabschiedet man sich innerlich dann schon einmal für die nächsten Tage von einem Ei-freien Essen. Der erste zubereitete Eiersalat lässt nicht lang auf sich warten und steht im Kühlschrank bereit. Da die Eier so hübsch anzusehen sind, wird man auch schnell kreativ, dekoriert die Wohnung und stellt in jeden Raum ein Körbchen mit Eier; so als Snack zwischendurch kann man ihnen dann doch nicht widerstehen.

FOTOS: Chantal Freyer

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