Sneak-Review #159: Roads

Sneak-Review #159: Roads

Zwei Fremde auf der Reise durch Europa. In der Sneak des Cineplex Marburg lief in dieser Woche der neue Film des Regisseurs Sebastian Schipper: „Roads“. Sehenwert oder nicht? Das erfahrt ihr hier!

Worum geht’s?

Gyllen (Fionn Whitehead) – gerade 18 geworden – hat das Wohnmobil seines Stiefvaters geklaut und möchte damit nach Nordfrankreich fahren, zu seinem richtigen Vater Paul (Ben Chaplin). Das Problem: Schon nach der ersten Pause springt das Auto nicht mehr an. Und er ist in Marokko. Da trifft er den Kongolesen William (Stéphane Bak). Auch er möchte nach Nordfrankreich, seinen verschollenen Bruder finden. Und er kennt sich gut mit Autos aus. Es beginnt eine abenteuerliche Reise, die die beiden Fremden Freunde werden lässt und tiefe Einblicke in die Situation von Geflüchteten in Europa gibt.

Ganz nah bei den Figuren

Der Regisseur Sebastian Schipper hat 2015 mit seinem One-Take-Film „Victoria“ – also einer einzigen 140-minütigen Filmszene ganz ohne Schnitt – gezeigt, wie großartiges, innovatives Kino aussehen kann und auch gezeigt, wie groß Deutsches Kino sein kann. Kann sein neuester Film „Roads“ da mithalten?

Wenn auch mit Schnitt, so hat sich Sebastian Schipper sein Faible für lange Einstellungen und die Fähigkeit, eine ganz intime Atmosphäre zu kreieren, erhalten. Das Road-Movie startet (wie auch schon „Victoria“) direkt im Hier und Jetzt. Wir erfahren vorerst nichts über Gyllens Vorgeschichte und auch nichts über die von William. Die Erzählweise liefert kein großes Panorama, sondern bleibt ganz dicht bei den Figuren. Mit ihren Augen sehen wir Europa, nicht von Touristenhochburgen, sondern von der Straße aus.

Genauso wie die beiden Jungs sich langsam kennenlernen, erfährt der:die Zuschauer:in allmählich mehr über die jeweilige Vergangenheit der beiden. Sich fremd fühlen, sich nicht willkommen fühlen. Das kennen beide, obwohl ihre Geschichten so unterschiedlich und eigentlich nicht miteinander vergleichbar sind.

Lustiges Road-Movie oder deutscher Problem-Film?

Was ist „Roads“ denn nun? Ein lustiges Road-Movie, eine Buddy-Komödie? Oder typisch deutscher Problem-Film, eine Sozialstudie? Sebastian Schipper, der auch das Drehbuch geschrieben hat, schafft den Balanceakt, das alles in einem Film unterzubringen, ohne sich dabei zu sehr zu verzetteln. So trifft in „Roads“ jugendlicher Leichtsinn auf ehrlich-brutale Realität. Witz und bitterer Ernst liegen ganz nach beieinander.

Eine Szene des Films (die auch zu Beginn des Trailers zu sehen ist, siehe unten!) ist da besonders bemerkenswert. Gyllen und William spielen ein Spiel: Sie sitzen sich gegenüber, schauen sich an. Gyllen muss seine Augen schließen und sie erst wieder öffnen, nachdem William etwas gesagt hat. Gemeinsam mit Gyllen schließen auch die Zuschauer:innen ihre Augen, denn das Filmbild wird schwarz. Was siehst du in mir? – Einen Fußballspieler? – Einen Mann, der dir Sonnenbrillen verkaufen will? – Ein Kindersoldat? Der Film zwingt die Zuschauer:innen mitzuspielen, bezieht sie aktiv mit ein in die Situation. Das sind die Momente, die innovatives Kino ausmachen!

Auf jeden Fall erwähnt werden sollte Moritz Bleibtreu. Den hat man zwar schon oft gesehen hat, spielt in „Roads“ aber eine absolut grandiose Nebenrolle, die man so schnell nicht vergisst!

Die einzige Schwachstelle des Films ist, dass er in seinem letzten Drittel den Fokus auf die Reise verliert und einen quasi-dokumentarischen Stil entwickelt, der tatsächlich an typisch deutsche Problemfilme erinnert. Dadurch wirkt der Film nicht ganz rund, doch etwas zu belehrend und lässt die eine oder andere erzählerische Längee aufkommen.

 „Roads“ startet am 30. Mai in den deutschen Kinos.

FOTO: Studiocanal

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