Foto: Volt, Collage: L. Barth, L. Selbach & A. Sent
PHILIPP hat mit den Direktkandidaten des Kreises Marburg-Biedenkopf für die Bundestagswahl gesprochen. Heute stellen wir Kai Malyska von Volt vor. Es geht um Europa, Bildung, Waffenlieferungen und Sumo-Ringer.
Was hat dich dazu bewegt in die Politik zu gehen und warum Volt?
Kai Malyska: Offiziell dabei bin ich seit die Bundestagswahl vorgezogen worden ist. In Volt politisch aktiv bin ich schon seit über vier Jahren. In NRW war ich erst Local Lead, der Vorstand, wenn man so will und habe in meiner Ecke ein Team aufgebaut. Früher war ich auch mehr so drauf: Scheiß auf Politik, das machen irgendwelche alten Leute im Bundestag oder in Brüssel, das muss ich nicht selbst machen, ich gehe einfach wählen und gut ist. Ich habe dann durch einen Kumpel Volt entdeckt und mir gesagt: Jetzt habe ich etwas, was ich wählen kann, was ich gut finde. Dann kam bei uns in NRW die Kommunalwahl und ich fand komisch, dass Volt nicht auf dem Zettel stand. Das hat mich genug genervt, dass ich einen Tag später einen Mitgliedsantrag geschrieben habe und ein paar Wochen später mehr oder weniger schon der Lead war. Dann war ich eine Zeit lang für NRW Delegierter. Bei der Europawahl war ich als Repräsentant auf verschiedenen Podiumsdiskussionen und konnte auf ein paar Demos sprechen.
In Marburg sind die Direktkandidaten ausschließlich Männer. War das bei Volt ein Thema?
Wir haben bei uns im Team mehrfach unsere Ladies versucht zu motivieren, aber da wir selbst auch noch einen etwas geringeren Mädels-Durchschnitt haben und die dann mit Studium oder Ähnlichem voll ausgelastet sind, ist es dabei geblieben, dass ich kandidiere. Ich habe mit die meiste Erfahrung bei uns, weil ich schon so lange dabei bin und weil ich auch kein Problem damit habe, öffentlich so viel zu quatschen.
Welche Punkte von Volt liegen dir besonders am Herzen?
Einer der Hauptpunkte, die unsere jetzt fünf Abgeordneten im Europaparlament einführen wollen, ist, dass wir ein einheitliches Wahlrecht und europäisches Parteiengesetz haben. Wir wollen, dass Europa mehr zusammenwächst und auch demokratischer zusammenwächst. Außerdem fordern wir eine Abschaffung der Einstimmigkeitsklausel und des Veto-Rechts. 50 oder mehr Prozent der Gesetze, die durch den Bundestag gehen, kommen aus Brüssel, deswegen ist der Europafokus übergeordnet. Eines unserer Lieblingswörter ist außerdem „Best practice”: Wenn irgendwo gute Lösungen existieren, warum nutzen wir sie nicht überall oder generell in Deutschland?
Wo wir auf jeden Fall Handlungsbedarf sehen, ist, dass der Höchststeuersatz angepasst wird, sodass auch wieder eine Erfassung der Multimillionäre und Multimilliardäre passiert und dann irgendwann eine sinnvolle Vermögens- und vor allem Erbschaftsteuer eingeführt wird. Wir wollen auch eine gescheite Steuer auf Kapitalerträge auf dem Finanzmarkt, worüber hoffentlich das Geld so entsprechend reinkommt, dass man Dinge auch gescheit umsetzen kann.
Wenn ich im Bundestag die Chance bekäme, würde ich auch ganz klar den ÖPNV nach vorne stellen. Er muss erhalten bleiben, wenn nicht sogar verbessert, vielleicht günstiger, vielleicht noch mehr Möglichkeiten eingebaut werden. Das 9-Euro-Ticket und später das Deutschland-Ticket ist eine sehr gute Aktion gewesen. Es ist klimaschonend und hat so vielen Leuten für einen einigermaßen günstigen Preis Mobilität ermöglicht. Wenn jetzt die Anbindung noch besser funktionieren würde. Es gibt aber verschiedene Möglichkeiten diese zu stärken, eine der Lösungen sind Rufbusse. Ich finde es allgemein wichtig, dass man die Personen an sich sieht und ihnen die Möglichkeit gibt, sich im Zweifel einzubringen oder sich auch einfach zu verwirklichen. Man muss alles im großen Ganzen betrachten, aber am Ende kommt es immer auf die Einzelpersonen an.
Welche Rolle spielen Studierende für Volt? Welche Pläne hat Volt, um Bildung und Wohnen für junge Menschen zu verbessern?
Da sehen wir verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel, dass das BAföG regionsbezogen gemacht wird. Außerdem sollte von der Stadt oder vom Bund sichergestellt werden, dass Wohnraum speziell für Studierende zu einem gewissen erschwinglichen Preis gestellt wird. Dort Förderung hinzuschieben, sodass die Leute auch wirklich studieren können, unabhängig davon, ob sie über ihre Eltern supportet werden oder über BAföG – das ist wichtig. Gerade wenn die üblichen Leute dann von Leistungsträgern sprechen. Genau die wollen wir ausbilden und dafür sollte man Geld in die Hand nehmen. An der Stelle muss die Schuldenbremse angesprochen werden. Besonders in solchen Bereichen wie BAföG und allgemein Bildung sollte sie insofern reformiert werden, dass neue Investitionen möglich sind. Um Habeck mal zu zitieren, der das eigentlich ganz schön gesagt hat: Okay, wir haben keine Schulden auf dem Konto. Das ist schön glatt, das hat gepasst, da haben wir keine großen neuen Schulden gemacht. Aber die Schulden sind dann in den Schulgebäuden, sind dann in den Verkehrsnetzen.
Trump hat diese Woche gefordert, für weitere Waffenlieferungen Rohstoffe von der Ukraine zu erhalten. Wie sollte sich Deutschland in Bezug auf Waffenlieferungen verhalten, insbesondere in die Ukraine?
Vorweg erstmal: Was Trump so von sich gibt, da höre ich schon fast nicht mehr zu. Das sind riesige Nebelkerzen, um das zu verdecken, was er im Hintergrund mit Project 25 macht. Und was speziell die Ukraine angeht, da hat Volt von Anfang an gesagt, dass wir unterstützen müssen, wo wir können. Die Ukraine hat das Recht auf Selbstverteidigung und wir als Demokratie haben eine gewisse Verantwortung dabei zu helfen. Und mit Putin kannst du – das hat er immer wieder bewiesen – nicht in einer Form verhandeln, wie jetzt zum Beispiel die AfD oder das BSW behaupten. Das ist ein Egomane auf einem Machttrip, das funktioniert nicht. Das ist ein Autokrat, der über einen Angriffskrieg Territorium gewinnen will. Wenn Europa schon so weit gewesen wäre, mit einer europäischen Stimme, mit einem Außenministerium, mit einem Verteidigungsministerium zu reagieren, dann wäre die Antwort viel stärker und direkter gewesen. Aber zumindest der Ukraine die Mittel zu geben, sich zu verteidigen, das ist ein absolutes Muss.
In Wahlumfragen liegt Volt deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde. Wieso sollte man seine Stimme Volt geben statt einer Partei, die bessere Chancen hat in den Bundestag einzuziehen?
Mein Argument gegen taktisches Wählen ist immer gewesen: Wenn du taktisch etwas wählst, das du vielleicht nicht ganz supportest, dann hast du sie nur gewählt, weil sie reinkommen und das kleinere Übel sind. Damit garantierst du, dass Volt oder wen auch immer du wählen willst, deine Stimme nicht hat und damit eine kleinere Chance bekommt. Wenn du aber sagst: Ich stehe voll dahinter, sei es aus Liebe zu Europa oder vielleicht unseren Klimaschutz-Sachen, dann steh doch voll dahinter und gib Volt wenigstens eine Chance.
Mal ganz abgesehen davon, dass jede Stimme uns persönlich als Partei hilft. Ab 0,5 Prozent gibt es die staatliche Parteienfinanzierung und dann wird es anhand der prozentualen Stimmenabgabe berechnet. Grundsätzlich ist die Fünf-Prozent-Hürde in meinen Augen schwierig. Wir schlagen ein Präferenzwahlsystem wie in Australien vor, Best Practice: Du wählst auf Platz 1 Volt, auf Platz 2 Grüne, Linke, was auch immer. Wenn die Partei der Erststimme nicht auf 5 Prozent kommt, würde deine Stimme nicht verloren gehen, sondern auf die nächste Partei übergehen und diese dementsprechend stärken. Damit du einfach mit dem Vertrauen wählen kannst, dass deine Stimme gezählt wird. Es gibt validierte, sichere, unmanipulierbare digitale Wahlsysteme, wir haben die Digitalisierung nur hart verschlafen.
Zum Abschluss noch etwas persönliches. Gibt es einen Funfact über dich, den du noch nie irgendwo erzählt hast?
Ich habe eigentlich immer bunte Socken an, mit irgendwelchen wilden Sachen drauf. Zum Beispiel habe ich rote Socken mit kleinen Sumo-Ringern drauf. Ich bin ein Fan des Sumo-Sports, den verfolge ich jedes Mal, wenn ein Turnier ist. Alle drei Monate, sitze ich immer vor YouTube und ziehe mir das rein. Zu meinem Tattoo: Ich bin ein richtiger Nerd und der Arm reflektiert das vielleicht irgendwann mal. Das soll noch ein ganzes Sleeve werden, das komplett nerdifiziert ist: Ein Geschwister-Tattoo von Harry Potter, dann Herr der Ringe: Die Gefährten einmal um den Arm. Und das Organspende-Symbol des Vereins Junge Helden, ausgeschmückt mit Sachen des Science-Fiction-Spiels Warhammer 40K, mit dem Spruch „das höhere Wohl in Tau’va”, in dieser Tausprache.
(Lektoriert von jub.)