Kultur

Serien-Review: Irgendwas mit Medien

By Joannis Kiritsis

April 05, 2023

Bildrechte: MDR/UFA/Sascha Hoecker

Eine Szene so verbreitet wie der Schimmel in alten Universitäten: Der Besuch bei den Eltern, das Klirren des Bestecks und die Welt schrumpft plötzlich auf die immer gleichen Fragen zusammen – „Was genau studierst du nochmal und wie verdient man damit dann Geld?“ Im Falle von Lennart (Mirko Muhshoff) lassen sich diese Fragen anscheinend nie zufriedenstellend mit dem Namen seines Studiengangs Medienkunst beantworten. Vielleicht als Antwort dann doch lieber der Name der Serie: Irgendwas mit Medien.

Studium mediale

So erzählt die Serie die Geschichte des eben erwähnten und sich – unangenehmerweise – als übertalentierten Menschen verstehenden Lennart, der zum Studium nach Weimar zieht. Dort trifft er auf den älteren, distanzierten Kommilitonen Simon (Jano Kaltenbach) und bestreitet mit ihm, ob Simon will oder nicht, die Herausforderungen des ersten Semesters. Muhshoff und Kaltenbach sind dabei nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera die Hauptakteure, da sie bei der acht Episoden umfassenden Serie zusätzlich Regie führten und gemeinsam die Drehbücher schrieben. Selbst wenn wir es hier mit ihrer Debütserie zu tun haben, heißt das nicht, dass Muhshoff und Kaltenbach das erste Mal Positionen hinter der Kamera einnehmen. Im Laufe ihres eigenen Studiums der Medienkunst in Weimar, haben beide bereits zahlreiche Kurz- und sogar Spielfilme gedreht.

Das grundlegend humoristische Potential eines jeden Studiums aufgreifend, präsentiert sich die Serie als ‚Mockumentary‘ im Stile der beiden The Office-Versionen, die also die Inszenierungskonventionen einer Dokumentation innerhalb einer fiktionalen Welt parodieren. Die ebenfalls von den Figuren wahrgenommene Präsenz eines Kamerateams, bietet also nicht nur ein Fundament für Witze, sondern beeinflusst auch die Inszenierung. Demnach begleiten wir Lennart und Simon stets mit einer wackligen, sich auf Augenhöhe befindenden Kamera, die der Serie eine angenehme Illusion von Unmittelbarkeit verleiht. Witzige Momente werden häufig durch präzise Zooms oder pointiert gesetzte, verstohlene Blicke der Figuren in die Kamera verstärkt und erinnern so auch an deutsche Genre-Vertreter wie Stromberg oder Die Discounter. Obwohl sie in ihrer Umsetzung nicht überraschen, werden die Konventionen einer Mockumentary effektiv eingesetzt. Kombiniert mit dem gelungenen Schnitt und dem ausgewogenen Drehbuch, entsteht beim Schauen ein Sog, der eine:n fast davon überzeugen könnte, selbst mit einem Studium anzufangen.

Im Zuge der Serie wird aber ein immer stärker werdender Widerspruch spürbar. In einer Szene der sechsten Folge wird die Geringschätzung von geisteswissenschaftlichen oder kreativen Studiengängen im Vergleich zu den angesprochen, die mit einem konkreteren gesellschaftlichen Nutzen verbunden sind. Was zunächst als möglicher Anfang einer tiefergehenden Auseinandersetzung anmutet, wird aber so nicht weiter aufgegriffen. Stattdessen bietet einer von Lennarts Kursen, der den verlockend-eingängigen Titel Ästhetik der Existenz trägt, im weiteren Verlauf der Folge nur Gelegenheiten für mehr Witze. Möchte die Serie also gesellschaftlich häufig etwas belächelte Studiengänge nur noch weiter delegitimieren, indem sie als bloßes Material für Witze verwendet werden? Oder möchte sie diese Thematik doch kritischer behandeln, ohne dabei völlig den humoristischen Ansatz zu verlieren? Leider wird diese Problematik weder gelöst noch produktiv genutzt.

Studieren mit Michael Scott

Bereits in der ersten Folge wird deutlich, dass Muhshoff und Kaltenbach nicht nur die Techniken ihres Genres einzusetzen wissen, sondern auch das Studierendenleben in all seinen Facetten authentisch inszenieren können. Von unangenehmen Kennenlernspielen in halbherzig durchgeführten Tutorien bis hin zur obligatorischen Kneipentour, werden die wichtigsten Stationen jedes ersten Semesters in all ihrer Komik ausgelotet. Besonders sticht dabei jedoch ein Moment am Ende der ersten Folge hervor, gerade weil er einen Kontrast zu allem Bisherigen bietet: Nachdem er sich aus seinem Zimmer ausgeschlossen hat, sitzt Lennart allein auf den Stufen vor dem Studierendenwohnheim. Muhshoffs Schauspiel schafft es in dieser Szene, die Gedanken und Sorgen Lennarts wortlos nach außen zu tragen. Es wird deutlich, dass in diesem Moment das Potential eines Studiums, die Möglichkeiten dieses neuen Ortes, kurz in sich zusammenfallen. Lennart erfährt eine doppelte Desillusionierung. Er befindet sich nicht nur in einer völlig ungewohnten Umgebung ohne Freunde, sondern hat durch seinen Umzug auch seine bereits bestehenden Beziehungen riskiert. Dieser Moment ist weder in seinem generellen Verhältnis zu solchen Geschichten noch in seiner Spezifik innerhalb des Genres neu, aber das muss er auch nicht sein, um zu überzeugen, um über sein reines Identifikationspotential hinaus effektiv zu sein.

Trotz solch sympathischer Einsichten in sein emotionales Innenleben, kann Lennart äußerst nervig sein. Eine weitere Office-Parallele aufzeigend, durchzieht ihn, wie auch Michael Scott oder Stromberg, ein übermenschliches Selbstbewusstsein, das sich nur mit seiner Ignoranz messen kann. Viele Witze der Serie ergeben sich entweder aus der souveränen Sicherheit, mit der Lennart offensichtlich Unangebrachtes sagt oder aber aus für die Zuschauenden befriedigenden Momenten, in denen er ausnahmsweise darauf hingewiesen wird, wie falsch er häufig liegt. Für den hier angestrebten Balanceakt zwischen Komik und Unwohlsein gilt also dasselbe wie für Bierpong: Man kann nicht immer treffen, aber wenn, dann wird die Halsmuskulatur beansprucht.

Irgendwas mit Medien ist ab dem 14.04.2023 in der ARD-Mediathek abrufbar.  

(Lektoriert von let und hab.)