Sneak

Sneak-Review #189: Respect

By Sebastian Ridder

November 27, 2021

Passend zum internationalen Tag der Toleranz lief am 16.11. “Respect” von Liesl Tommy im Cineplex Marburg. Ein Biopic über Aretha Franklin, bei der Musik, Glamour und Bürden der Musikerin im Fokus standen. Wie viel Respekt dem Film entgegenzubringen ist, lest ihr im Folgenden.

Ihre Stimme, ihre Gemeinschaft und ihre Dämonen

Die kleine Ree(Jennifer Hudson) ist gesegnet mit einer herausragenden Stimme. Das liegt zum einen an ihrem frühen Musikunterricht und der Leidenschaft für Musik von ihr und ihrem Umfeld. Ihr Vater Clarence LaVaughn Franklin (Forest Whitaker) zeigt ihr Können gerne als Pastor in seiner Kirche und auf seinen Samstagsabendsparties. Ihre Mutter(Audra McDonald) teilt ebenfalls ihre Leidenschaft und gibt ihr mit, dass sie niemals einen anderen Menschen über ihre Musik bestimmen lassen sollte. Ree wächst trotz der Scheidung ihrer Eltern sehr behütet mit ihren zwei Geschwistern bei ihrem strengen Vater und ihrer Oma sowie bei ihrer Mutter auf. Nach dem Tod ihrer Mutter und nachdem sie während einer der Samstagsabendparties misshandelt wird, zeigen sich jedoch Dämonen in ihr. Ihr Vater und später auch sie sprechen zumindest davon, wenn sich Ree aus einer mutgemaßten Laune heraus nichts mehr von jemanden sagen lässt. Von der Misshandlung weiß Niemand, bis es wegen einer Schwangerschaft nicht mehr zu übersehen ist. Obwohl sie ihren Glauben, ihre Familie und ihre Kirchengemeinde hat, erhalten sich ihre “Dämonen”.

Während Aretha zu einer jungen Frau heranwächst, folgt sie weiterhin ihrer Leidenschaft für Musik und interessiert sich und engagiert sich für die Bürgerrechtsbewegung in den USA. Martin Luther King ist ein Freund der Familie und spricht oft mit ihr und ihrer Gemeinde. Abseits ihres politischen Engagements und dem Aufziehen ihrer zwei Kinder macht sie Fortschritte als Sängerin über die Kirche hinaus. Mehrere Studios zeigen Interesse und melden sich bei ihrem Vater. Der überrascht sie eines Tages mit Flugickets nach New York, um mit den Studios zu verhandeln. Trotz vieler Platten nach ihrem ersten Plattenvertrag 1960 bleibt der große Erfolg aus. Erst nachdem sie sich musikalisch selbst findet und ihren zwielichtigen späteren ersten Ehemann Ted White (Marlon Wayans) zu ihrem neuen Manager macht, gelingt es ihr große Hits zu schreiben. Doch die neu gewonnene Freiheit ist nicht von langer Dauer, da sich ihr weitere Hürden in den Weg stellen.

Das/Mein Problem mit Biopics

Wie die Zwischenüberschrift erahnen lässt, bin ich kein Fan von Biopics. Sie bieten einem:einer Autor:in oder Regisseur:in oft die Gelegenheit, eine eigene Erzählung durch das Abspielen von Lebenssituationen zu verdrängen. Dazu kommen Szenen, die Wesenszüge zeigen, die für die Hauptrolle typisch sind und fertig sind die Mindestanforderungen. Für Fans mag das genügen, aber viele Zuschauer lässt ein solcher Film unzufrieden zurück. Ich bin kein Fan von Gospel- und Soulmusik und habe auch generell wenig Anknüpfungspunkte zu Aretha Franklin, aber gänzlich unzufrieden hat der Film mich nicht zurückgelassen.

Der Film hat etwas von einem Coming of Age-Film, der über das Erwachsenwerden hinaus geht. Dabei wird von den intersektionalen Strukturen erzählt, die großen Einfluss auf Aretha Franklin ausüben. Die patriachalen Strukturen der Familie, der Sexismus in ihren Beziehungen sowie der Rassismus in den USA. Das Spannende ist dabei, dass kein Held auftreten muss um sie zu retten. Die sogenannten Dämonen, die ihr eingeredet werden, sind die Schnittpunkte einer unterdrückten Frau mit ihren Unterdrückern. Sie vertritt zunächst selber noch eine Appeacementpolitik gegenüber den sie diskriminierenden Personen, doch behauptet sich nach und nach dagegen.

Gleichzeitig stark, überfordert und verletzlich wird es, wenn Aretha sich von diesen Strukturen löst. Denn der Film schafft keine Illusion von einer Heldin, die den Tag rettet. Die Trennung von ihrem Vater und ersten Ehemann führt sie auch zum Alkoholmissbrauch und Einsamkeit. Eine Trennung ist in diesen Fällen nicht immer eine einzige Befreiung. Auch wenn ihr Glaube ihr letztendlich über emotionale Laster hinweg hilft, ist es eher ihr Glaube an eine bessere Welt, als dass sie sich einem alten weißen bärtigen Mann unterwirft, der ihr zu erneuter musikalischer und persönlicher Selbstfindung verhilft.

Problem überwunden ?

Auch wenn das für Aretha Franklin gegen Ende zu gelten scheint, schafft es der Film nicht ganz. Fragwürdig ist die Darstellung in der Musikbranche. Die gezeigten Songs werden zwar persönlich, allerdings selten gesellschaftskritisch. Ebenso wie Arethas Umgang und Ansicht zur Musikbranche und andersherum. Die kapitalistischen Zusammenhänge dahinter bleiben Außen vor. Hier scheint der blinde Fleck von Aretha Franklin zu sein und ihrer Darstellung, da es nie Einblicke dazu gibt. Aber da das Biopic schon so viele Strukturen anspricht, ist der Ausgang des Films sehr verschwommen.

Eine Pointe oder eine Konklusion lässt sich neben der starken und menschlichen Hauptrolle schwer erkennen. Auch wenn dieses Biopic seine Kinderkrankheit nicht ablegen kann, kann ihm nicht das Feingefühl abgesprochen werden, dass es bei der reflektierten Darstellung einer starken Frau beweist.

Respect erschien am 25.11 in den deutschen Kinos.

Foto: @Quantrell D. Colbert/Metro-Goldwyn-Mayer