Kultur

Sneak-Review #240: Renfield

By Rieke Johannes

June 03, 2023

Illustration: Malu Wolter

In der Horrorkomödie von Regisseur Chris McKay versucht Draculas Handlanger Renfield ein normales Leben ohne Blutvergießen zu beginnen

„Ich halt‘ das nicht aus, ich muss aus einer toxischen Beziehung raus!“, platzt es aus Renfield (Nicholas Hoult) raus. Der sitzt im Stuhlkreis einer Selbsthilfegruppe in einer alten, mit Neonröhren beleuchteten Lagerhalle. Um ihn herum eine Handvoll Männer und Frauen, die sich von ihren narzisstischen Partner:innen lossagen wollen. Der einzige Unterschied zu ihnen? Renfield möchte sich nicht von seiner Freundin trennen, sondern von jemand viel Mächtigerem, von niemand geringerem als Dracula (Nicholas Cage) persönlich.

Die letzten Jahrhunderte hat er damit verbracht, für Draculas leibliches Wohl zu sorgen, der nur noch eine Hülle seiner selbst ist. Ihm schmachtet es nach „einer handvoll Nonnen, einer Busladung Cheerleader“, die Renfield besorgen soll. Mit Renfields übernatürlicher Stärke, die er durch das Verspeisen von Insekten bekommt – ganz im Vampire Diaries– bzw. Twilight-Stil verfärben sich seine Augen in ein leuchtendes orange –, ist es ihm ein Leichtes, brutale Massenmorde zu begehen und die Leichen in die dunklen Höhlen seines Meisters zu schleppen. Unterstützung bei der Trennung von seinem Meister bekommt er von der örtlichen Polizistin Rebecca (Awkwafina), die die dunklen Geheimnisse ihrer Stadt aufzudecken versucht. Der Narzisst Dracula ist kein Fan von der Emanzipation seines Handlangers und so beginnt die actionreiche Horror-Komödie.

Von Actionszene zu Actionszene mit Erdbeerlimes

Was sich hier entspinnt ist ein grotesk absurdes Dracula-Spin-Off mit Potenzial für 93 Minuten schauerliche Unterhaltung. Dass sich das Bewusstwerden der eigenen Existenz im Kinosessel und des Juckens hinterm linken Ohr aber bereits nach etwa 5 Minuten einstellt, ist kein gutes Zeichen. Denn ähnlich wie die Treppenstufen im Kinosaal ist der Film vor allem eins: flach. So flach, dass sich jeder Witz vorher ankündigt (die Busladung an Cheerleader und die handvoll Nonnen trifft Renfield tatsächlich) und sich die 93 Minuten Film anfühlen, wie ein Hangeln von Actionszene zu Actionszene. Die Handlung, die sich hinter diesen Szenen mit viel Kunstblut, dass wie Erdbeerlimes aussieht, versteckt, lässt sich in dem knapp dreiminütigen Trailer zusammenfassen, was dieser auch tatsächlich tut – schaut den Trailer nicht an, wenn ihr noch einen Hauch von Überraschung im Kino erleben wollt.

Die Konversationen sind so künstlich-ironisch geschrieben, dass beim Schauen ein Gefühl des Fremdschämens aufkommt. Im englischen würde man diesen Stil ‚campy‘ nennen, was bedeutet, dass der Film sich seiner eigenen Geschmacklosigkeit bewusst ist und damit spielt. Alles ist übertrieben: die dunklen Szenen, mit neonroter oder blauer Hintergrundbeleuchtung lassen sich als Metapher für die Einfachheit des Filmes deuten. Dass es am Ende sogar noch die Andeutung einer Liebesstory gibt, ist an dieser Stelle nicht mehr überraschend.

Kurze Zeiten, schwierige Zeiten?

Alles andere als einfach war die Zeit bis zu dem Tag, an dem Renfield in die Kinos kam. Die Idee zum Film kommt von Robert Kirkman (Schöpfer von The Walking Dead), der gleichzeitig auch einer der Produzenten ist. Nach dem Misserfolg von Die Mumie (2017) wurde diese aber nochmal neu formuliert. Ursprünglich war es angedacht, dass Die Mumie als erster Film eines ganzen Monster-Universums namens The Dark Universe (ähnlich zum Marvel-Universum) in die Kinos kommt, Renfield sollte ebenfalls Teil davon werden. Dazu kam es nicht, weil Die Mumie floppte und unzählige negative Kritiken bekam (Rotten Tomatoes Bewertung von 15%). Kirkman entwickelte deshalb eine neue Idee, die sich mehr auf die komödiantischen Aspekte fokussierte. Nach einem zusätzlichen Regisseurwechsel wurden die Produktionsarbeiten wieder aufgenommen. 

Der Film passt in die Zeit von Gen-Z, TikTok & Co. Dass Renfield zu einer Selbsthilfegruppe geht und ihm die dort Anwesenden mitteilen, dass er sich in einer Co-Abhängigkeit mit seinem toxischen Chef befindet hätten wir so vor zehn Jahren noch nicht in den Kinos gesehen. Der Pitch zum Film sah vielleicht so aus: „Hey, Dracula ist eine super Geschichte, aber mittlerweile auch voll veraltet. Gen-Z steht auf awareness für mentale Gesundheit, kann sich nicht länger als 7 Sekunden konzentrieren und liebt alles, was laut, schnell und flach ist. Hier kommt Renfield ins Spiel.“ Und das ist nicht vollends an der Wahrheit vorbei. Im Kinosaal gab es Lacher an den Stellen, wo gelacht werden sollte. Am Ende des Films bleibt dennoch das Gefühl, dass da so viel mehr möglich gewesen wäre. Etwas mehr Handlung und etwas weniger Erdbeerlimes-Kunstblut zum Beispiel.

Das Publikum bewertete den Film zu 71% positiv.

(Lektoriert von jok und hab.)