Kultur

Sneak-Review #250: Catch the Killer

By Laura Schiller

October 17, 2023

Der Thriller und Krimi Catch the Killer ist Regisseur Damián Szifrons erster Englisch-sprachiger Film, womit er sich wohlmöglich nicht zu weit aus dem Fenster (oder über den Rand einer explodierten Hauswand im 17. Stock) lehnen wollte. 

Es beginnt mit einer ruhigen Kamerafahrt über die Hochhäuser von Baltimore hinweg, überall explodieren Feuerwerkskörper am Himmel und auf den Straßen und Dächern feiern die Menschen Silvester. Ein Radiokommentator beginnt schon während dem Vorspann zu sprechen, es fühlt sich fast so an, als würden die Barden Bellas gleich zu den Nationals anrücken. Doch dann fallen Schüsse.

Damián Szifrons Thriller Catch the Killer hält exakt, was er verspricht. Es gibt einen Killer. Er wird gecatched. Der Killer ist in diesem Fall ein Amokläufer, der aus einem Gebäude heraus mit erschreckender Präzision 29 komplett zufällige Personen erschießt. Kaum, dass die Einsatzkräfte den Ursprungsort der Schüsse ermittelt haben, explodiert die Wohnung. Das Gebäude wird evakuiert und die Polizistin Eleanor Falco (Shailene Woodley) ist die Einzige, die daran denkt, alle herausströmenden Menschen zu filmen, falls der Schütze unter ihnen sein sollte. Kurz darauf rennt sie in das brennende Gebäude hinein – ohne Sauerstoffmaske, 17 Stockwerke nach oben. Oben angekommen lehnt sie sich keuchend über die Kante und „fällt“ aus dem Hochhaus, bis sie auf dem Boden der Wohnung wieder aufwacht. Adressiert wird das nicht nochmal. 

Der Fall wird vom FBI übernommen und von Agent Lammark (Ben Mendelssohn) betreut. Er sieht sofort das Potenzial in der geistesgegenwärtigen (und leichtsinnigen) Eleanor und bittet sie, dem Ermittler*innenteam beizutreten. Nur ihr und seinem FBI-Kollegen Agent Mackenzie (Jovan Adepo) mag er vertrauen, warum, wird nicht wirklich aufgeklärt. Als er den Fall vorstellt, wird allerdings schnell deutlich, was für ein Typ Figur Lammark ist: clever, schlagfertig, entschlossen, leicht narzisstisch und fest davon überzeugt, den Mörder fassen zu können: „Der Kerl will nicht gefunden werden. Wir werden ihn enttäuschen.“ Allen Ernstes.

Alles klar, Herr Kommissar?

Ein erfrischendes Pendant zu ihm bildet Eleanor. Auch wenn sie all die klassischen Qualitäten einer aufstrebenden Ermittlerin hat (schlau, anpassungsfähig, überqualifiziert für ihren Job, wird von ihrer Vergangenheit geplagt) ist sie nicht so leichtsinnig, wie es anfangs scheint, sondern ist eine – für dieses Genre – unnatürlich stille und in-sich-gekehrte Figur. Auch wenn sie – wie es kommen muss – übers Ziel hinausschießt, tut sie das auf eine sehr bedachte Art, anstatt sich krampfhaft beweisen zu wollen. Zwar wird sie trotzdem von Lammark gemaßregelt, aber er entschuldigt sich danach sogar bei ihr. Das Verhältnis zwischen den beiden wird nicht gestört durch unnötige Liebesverstrickungen, sondern bleibt Vater-Tochter-ähnlich. Durch ihre Reflektiertheit und Glaubwürdigkeit sind Eleanor und Lammark die einzigen beiden gut geschriebenen Charaktere, die restlichen sind leider absolute Stereotypen mit singulären Funktionen: Der korrupte Politiker und die strenge Vorgesetzte wollen den Fall, koste es, was es wolle, gelöst haben, um ihr Image zu wahren, der dritte Ermittler Mackenzie fungiert als comic relief, derS.W.A.T. Leiter hört nicht auf die Anweisungen von Lammark und riskiert damit zahlreiche Tode in seinem Team. Die beste Figur im gesamten Film ist Lammarks Ehemann, dem leider viel zu wenig Zeit gewidmet wird. 

Seine klischeehafteren Züge versucht der Film in der zweiten Hälfte durch turbulente Wendungen zu verdecken, die jedoch wiederum auch nichts Revolutionäres sind. Natürlich werden Lammark und Eleanor vom Fall abgesetzt, natürlich ermitteln sie trotzdem weiter. Die richtige Fährte finden sie durch einen kompletten Zufall und erst, als sie auf den Mörder stoßen, erfüllt der Film etwas von seinem Potential. 

Zwischen David Fincher und Pepsi-Werbung

Denn eins muss man dem Film lassen: Er ist – trotz Vorhersehbarkeit – sehr spannend. Außerhalb von den Amokläufen und Polizeieinsätzen ist die Handlung sehr ruhig, aber das Erzähltempo lässt einen trotzdem nicht die Augen von der Leinwand lösen. Einige Wendungen erscheinen wohlmöglich auch vorhersehbar, da den Zuschauenden die Möglichkeit gegeben wird, die Hinweise einige Sekunden vor dem ermittelnden Team zu entdecken. Außerdem wird durch die Bildgestaltung von Javier Juliá (u.a. Argentina, 1985) eine düstere Stimmung erzeugt und die Kameraführung erzeugt eine immersive Perspektive, indem zum Beispiel aus der direkten Sicht von Eleanor gefilmt wird. Es wird allerdings – gerade durch Farbgebung und Stimmung aber auch durch den Ablauf der Handlung – durchaus deutlich, dass Catch the Killer gerne ein David-Fincher-Film wäre: Er ähnelt vor allem se7en, aber es gibt ebenfalls Ähnlichkeiten zu Zodiac oder The Girl with the Dragon Tattoo. Wenn euer Fall allerdings David Fincher (oder auch Damián Szifron), düstere Krimis oder einfach nur Shailene Woodley sein sollte, und ihr in diesen Film gehen möchtet: Zählt doch bitte mal für mich, wie oft es Pepsi-Produktplatzierungen zu sehen gibt (Spoiler: es ist sehr oft).

Quasi nur für unsere zweihundertfünfzigste Sneak-Review fand die Sneak im Open Air Kino im Schlosspark statt. Mein gelegentlicher Zynismus mag mitunter an der Kälte liegen, denn Catch the Killer wurde zu 84% positiv und zu 16% negativ bewertet. 

(Lektoriert von jok und hab.)