Kultur

Sneak-Review #260: Jules‘ nachhause Telefonieren

By Erik Zimmer

February 23, 2024

Bild: Niklas George

In A Great Place to Call Home (Originaltitel Jules) erzählt Marc Turtletaub die Entwicklung einer unwahrscheinlichen Freundschaft zwischen drei Rentner*innen und einem Alien. Die SciFi-Komödie bietet gutes Schauspiel und Humor, allerdings überzeugt die Inszenierung nicht und dem Film fehlt eine mitreißende Handlung.

Eine Bürgerversammlung in der fiktiven Kleinstadt Boonton, Pennsylvania. Der pensionierte Milton Robinson (Ben Kingsley) bringt sein Anliegen vor: die Umbenennung des Slogans der Stadt. ‚Dein Ort, um nachhause zu kommen‘ suggeriere, dass Menschen von Boonton aus gut nachhause gelangen könnten, anstatt gerne dort zuhause zu sein. Ernst genommen wird Milton nicht, die Lokalpolitiker*innen schauen genervt zur Seite, keiner geht auf seine Vorschläge ein. Bei der darauffolgenden Versammlung erfahren wir, warum. Milton beginnt dement zu werden, wöchentlich bringt er dieselben Vorschläge vor, ohne Konsequenz, ohne Entwicklung. Von den beiden Seniorinnen Sandy (Harriet Harris) und Joyce (Jane Curtin) erntet er dafür Mitleid, alle drei nutzen die Bürgerversammlungen gewissermaßen als Beschäftigungstherapie.

Miltons Reputation verbessert sich daher auch nicht, als er eines Tages behauptet, ein Ufo sei in seinem Garten abgestürzt und er beherberge nun ein Alien in seinem Haus. Doch spätestens als Sandy bei Milton zu Besuch kommt, wird klar, dass Milton die Wahrheit sagt und sich das Alien (Jade Quon) nicht einbildet. Bald wird auch ein US-Geheimdienst auf den Außerirdischen aufmerksam und bemüht sich – nach klassischer Verschwörungsmanier – den Vorfall zu vertuschen. Milton, Sandy und Joyce freunden sich unterdessen mit dem Alien an und helfen bei der Reparatur seines Raumschiffs. Als sich Geheimagenten auf die Suche nach dem Alien begeben, spitzt sich die Situation zu.

E.T. und die Senioren

Der Erstkontakt der Menschheit mit einer extraterrestrischen, intelligenten Lebensform – in unzähligen Filmen hängt das Überleben der menschlichen Zivilisation von den an dieser Begegnung beteiligten Personen ab, meist eine Gruppe der weltbesten Wissenschaftler*innen und Militärs. Die Absichten der Außerirdischen sind dabei vorwiegend feindselig, in jedem Fall geht es ihnen aber um hohe Ziele, wie die Vorherrschaft auf dem Planeten. Nicht so in diesem Film, dem Alien liegt anscheinend einzig und allein daran, sein Raumschiff zu reparieren und nachhause zurückzukehren. Dabei mangelt es ihm keineswegs an mächtigen übernatürlichen Fähigkeiten. Es setzt diese aber nur zur Erreichung individueller Ziele ein, nämlich seinen drei neuen Freund*innen und sich selbst in schwierigen Situationen zu helfen.

Die Handlung erinnert unwillkürlich an Steven Spielberg’s E.T. – Der Außerirdische. Selbst der Titel („call home“ – „nachhause telefonieren“) ist eine eindeutige Anspielung auf den Klassiker, und das Motiv der Suche nach dem Weg nachhause zieht sich durch beide Filme. Den Unterschied machen die Hauptrollen, Senior*innen anstelle von Kindern. Trotz des Altersunterschieds ähneln sich die Figuren aber interessanterweise in vielen Punkten. Die Drei werden von der jüngeren Generation, repräsentiert durch Miltons besorgte Tochter Denise (Zoe Winters), bevormundet und nicht ernst genommen. Außerdem begegnen sie dem Alien mit kindlicher Naivität und malen sich dessen Persönlichkeit mit großer Fantasie aus. Denn Jules, oder Garry – wie er nun heißt hängt davon ab, wen man fragt – bleibt stoisch und kann nicht mit den Menschen kommunizieren.

Schade ist, wie wenig Kreativität und Mühe in das Design des Aliens geflossen sind. Der blaue Bodysuit und die schwarzen Kontaktlinsen täuschen nicht darüber hinweg, dass hinter Jules eine verkleidete Schauspielerin steckt. Das ‚fliegende Untertassen‘-Design des Raumschiffs könnte aus einer der zahlreichen Beschreibungen von Ufo-Sichtungen Mitte des 20. Jahrhunderts stammen und der Bunker des US-Geheimdienstes wirkt wie aus einem Low-Budget-Fan-Film. Mögen diese Klischees Absicht sein und dem Mindset der Figuren entsprechen, sie enttäuschen dennoch und gerade im Vergleich mit dem filmischen Vorbild E.T.

Wo bleibt der fliegende Rollator vor dem Mond?

Fast genauso wenig aufsehenerregend wie das Kostüm des Aliens ist leider auch die Handlungsentwicklung. Im Kern geht es dem Film um die Auseinandersetzung der drei Protagonist*innen mit dem eigenen Alternsprozess. Jules scheint zwar kein Wort zu verstehen, ist aber ein sehr genügsamer und aufmerksamer Zuhörer. Das führt dazu, dass Milton, Sandy und Joyce ihm ihre Seelen ausschütten, was ihnen wiederum die eigenen Ängste vor Demenz, Einsamkeit und Verlust der Jugend vor Augen führt. Diese Entwicklung ist nicht originell und absolut vorhersehbar, auch über die Figuren erfahren wir im Laufe des Films nichts wirklich Neues.

In der zweiten Hälfte des Films stellt sich irgendwann die Frage, welche Aussage eigentlich getroffen werden soll. Schlussendlich geht es wohl einfach um die Suche nach dem eigenen ‚großartigen Platz, den man sein zuhause nennen kann‘. Leider wird auch der Aufbau von Spannung verpasst, da der lange aufgebaute Konflikt gegen die Geheimdienstagenten viel zu spät und dann auch nur in einer kurzen Szene eskaliert. Trotz der knappen Laufzeit unter 90 Minuten fühlt sich der Film daher stellenweise zäh an. Auch fehlt am Ende die Emotionalität. Wo keine Fallhöhe vorhanden ist, da fällt es auch schwer, mit den Figuren mitzufühlen. Zwischendurch gibt es aber auch Lichtblicke, nämlich immer dann, wenn durchaus schockierende und gleichzeitig witzige Details über die Fähigkeiten des Aliens präsentiert werden.

Die Mehrheit hat sich in der Sneak am 30. Januar im Saal anscheinend zuhause gefühlt: A Great Place to Call Home wurde von 86 % positiv und von 14 % negativ bewertet.

(Lektoriert von nir und jok.)