Wissenschaft

Was haben Heuschrecken mit Krieg zu tun?

By Leonie Ruhland

May 27, 2014

Deutschlandweit kursiert die Diskussion um sogenannte „Zivilklauseln“. Aber was ist das und worum geht’s da überhaupt? Ein kleiner Einblick.

Eine Untersuchung über Wüstenheuschrecken und ihre nächtlichen Flugnavigation. Das hört sich zunächst ziemlich harmlos an. An unserer Philipps-Universität wurden von 2008 bis 2011 zu diesem Thema Studien geführt, die zu einer größeren Kenntnis über die Flugkontrolle – vor allem im eingeschränkten Licht – führen sollten. Klingt immer noch nicht so besorgniserregend. Ende 2013 kam dann aber heraus, dass dieses Projekt vom amerikanischen Pentagon finanziert wurde. Das US-Verteidigungsministerium sah in den Forschungen einen möglichen Nutzen in der Weiterentwicklung von Drohnen. Ein Erfolg dieser Forschung hätte für die künstliche Navigation der Besatzungslosen Flugkörper sowie für andere Munition einen wichtigen Fortschritt bedeuten können. Mit anderen Worten: an der Universität Marburg wurden Forschungen angestellt, die militärisch verwertbar sind. Spätestens jetzt schaltet sich das innere Alarmsystem ein.

Ob dieser Umstand nun im Sinne des*der Projektführer*in war oder nicht, sei einmal dahingestellt. Tatsache ist trotzdem, dass diese Heuschreckenforschung nicht der einzige Fall in Deutschland geblieben ist, der mit militärischen Forschungen in Verbindung gesetzt werden kann. Insgesamt finanzierte das Pentagon Projekte an 22 deutschen Hochschulen im Wert von mehr als zehn Millionen Dollar. 143600 Euro davon flossen nach Marburg. Die Reaktion? Eine deutschlandweite Bewegung startete, bei der eine Uni nach der anderen mitzog. Bereits 2011 organisierte sich eine bundesweite Initiative für „Hochschule(n) für den Frieden“ – ein Zusammenschluss aus Gewerkschaften, Studierenden, Wissenschafts- und Friedensorganisationen, der sich für eine Hochschulpolitik frei von militärischer Forschung einsetzt. Die Parole: Wissenschaft soll lediglich für friedliche und zivile Zwecke genutzt werden und Zivilklauseln an den Universitäten wurden gefordert.*

Zivilklausel – was ist das denn?

Zivilklauseln sind Vorgaben innerhalb der Regelwerke von wissenschaftlichen Einrichtungen, wie zum Beispiel Universitäten, die diesen eine rein friedliche Forschung vorschreibt und damit a priori Kooperationen mit Bundeswehr oder der Rüstungsindustrie ablehnt. Wissenschaftler müssen dementsprechend Themen, aber vor allem unterstützende Mittel verweigern, die militärisch anwendbare Forschungen betreffen. Die Universität Bremen war dabei 1986 die erste Hochschule, die eine Zivilklausel einführte. Einige folgten. Heute zählt die Liste über 15 Hochschulen, die Tendenz ist weiter steigend.

Der Kampf um eine friedliche Wissenschaft ist dabei jedoch längst nicht vorbei. An manchen Unis fängt er sogar gerade erst an. So auch in Marburg, wo sich im letzten Herbst der Arbeitskreis (AK) Zivilklausel der Fachschaft Friedens- und Konfliktforschung (FuK) des Themas annahm. Bereits zuvor gab es einen Versuch, eine Zivilklausel in Marburg zu etablieren, doch studentische Stimmen fielen hier eher gering aus. „Die dortige Diskussion wurde sehr von oben herab dominiert und uns hat ein konkreter Vorschlag einer Klausel gefehlt.“, erklärt David vom AK. Nach einem etwas erschwerten Einstieg in die Debatte steht der AK nun in den Startlöchern für den öffentlichen Diskurs. „Uns geht es um die Verankerung einer Zivilklausel an der Uni-Marburg, am besten in der Grundordnung und mit allen möglichen Instrumenten“, formuliert David das Ziel. Welche Instrumente das seien, darüber könne man diskutieren. Andere Unis verankerten beispielsweise eine Ethikkommission. Es seien aber auch Antragsformulare möglich, die zur Zustimmung oder Ablehnung eines Projektes führen sollen. Mehr Transparenz könnten dabei vermutlich alle befürworten, konstatiert David. Aktuell sei die Vernetzung mit anderen politischen Gruppen soweit geschafft, als dass Mobilisierungsvorbereitungen liefen und weitere Kampagnen geplant seien. Seit Februar besteht der AK Zivilklausel übrigens auch nicht mehr nur aus FuK’lern und das Team freut sich über jede Person, die sich an der Bewegung beteiligen möchte.

FOTO: florianric auf flickr.com, CC-Lizenz