AStA kritisiert geplante BAföG-Reform

AStA kritisiert geplante BAföG-Reform

Das Referat für Studienfinanzierung des AStA Marburg veröffentlichte am 10. Juli ein Statement zur von der Bundesregierung geplanten Reform des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG). Diese bleibe hinter den Erwartungen zurück und liefere keine weitreichenden strukturellen Verbesserungen.

Zunächst begrüßt das Referat in seinem Statment die Anhebung der Bedarfssätze um 5 Prozent. Der Höchstsatz wird künftig 992 Euro betragen. Die Änderungen sollen zum Wintersemester 2024/25 in Kraft treten. Weil aber nicht alle die volle Förderung erhalten, liegt der Förderbetrag für Studierende im Durchschnitt bei 611 Euro. Ursprünglich hatte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) keine Erhöhung der Bedarfssätze vorgesehen. Die Beträge richten sich nach dem, was Studierende der Gesetzgebung zufolge typischerweise für ihren Lebensunterhalt benötigen. Nach großer Kritik werden die Sätze nun doch angehoben und eine höhere Verschuldungsgrenze aus dem Entwurf gestrichen. Von den im Haushaltsausschuss des Bundestages bewilligten 150 Millionen Euro will das BMBF nur einen Teil ausschöpfen. Eine umfangreichere Reform wäre also durchaus im Rahmen des Möglichen gewesen.

Die Wohnpauschale als Teil der Förderung wird unabhängig von der jeweiligen Miete auf 380 Euro erhöht. Laut den Daten der „Studierendenbefragung in Deutschland“ liegt das an vielen Hochschul-Standorten unter dem, was Studierende durchschnittlich an Miete zahlen. Bereits im Jahr 2021 waren es in Marburg 400 Euro. Für den AStA ein untragbarer Zustand: „Erst recht, wenn man den Betrag mit Großstädten wie Frankfurt, Berlin oder München vergleicht, erscheinen die 380 Euro wie eine Farce. Die Wohnpauschale muss endlich an die ortsübliche Vergleichsmiete angepasst werden.“

Weniger Geld für Grundbedürfnisse als beim Bürgergeld

Darüber hinaus kritisiert der AStA an der Reform, dass Studierenden weniger Geld für Grundbedürfnisse wie Nahrung und Kleidung zur Verfügung steht als Empfänger*innen von Bürgergeld. Dies sollte laut dem Verwaltungsgericht Berlin nicht der Fall sein. Zuvor wurde vom Bundesverwaltungsgericht bereits einer Klage wegen potentiell verfassungswidrig niedriger Bedarfssätze stattgegeben und die Frage an das Bundesverfassungsgericht weitergegeben. Das Marburger AStA-Referat fordert außerdem eine automatische Anpassung der Sätze und Freibeträge, um auf die Inflation und die steigenden Lebenshaltungskosten zu reagieren.

Laut Statistischem Bundesamt gelten 38 Prozent der Studierenden als armutsgefährdet, doch nur 13 Prozent erhalten BAföG. Das war nicht immer so, denn bei dessen Einführung bekamen es noch 45 Prozent und das sogar als reinen Zuschuss. Nach Vorstellungen des AStA soll der BAföG-Anspruch grundsätzlich nicht vom Einkommen der Eltern abhängig sein. Studierende möchten ihr Leben selbstständig bestreiten. Bei einem schlechten Verhältnis zu den Eltern sollten Studierende nicht aus finanziellen Gründen zum Kontakt gezwungen werden. Auch das Einkommen der Geschwister dürfe keine Rolle spielen. Bildung müsse als Menschenrecht allen frei zugänglich gemacht und vollständig vom Staat finanziert werden. Zudem solle es nicht zurückgezahlt werden müssen, da viele aus Angst sich zu verschulden vor der Inanspruchnahme zurückschreckten. Des Weiteren beklagt das Referat für Studienfinanzierung lange Wartezeiten bei der Bearbeitung der Anträge sowie der Auszahlung aufgrund des Personalmangels der Ämter.

Flexibilitätssemester und Druck durch Leistungsnachweise

Weniger als ein Drittel der Studierenden schließt das Studium innerhalb der Regelstudienzeit ab. Deshalb ist in der Reform ein einmaliges Flexibilitätssemester vorgesehen. Dadurch kann eine Verlängerung der Förderung ohne Angabe von Gründen beantragt werden. Der AStA sieht auch hier weiteren Handlungsbedarf und wünscht sich eine generelle Ausweitung der Förderdauer auf zwei Semester über die Regelstudienzeit hinaus, ohne eine zusätzliche Antragstellung. Ein Flexibilitätssemester solle anders als es die Novelle vorsieht für Bachelor und Master möglich sein.

12 Prozent der Studierenden, die durch BAföG gefördert wurden, erhalten es nicht mehr, weil sie die nötigen Leistungspunkte nicht nachweisen konnten. Für den AStA ist das nicht nachvollziehbar: „Die Überführung in ein Bachelor-Master-System mit Modulen sowie insbesondere die Messung des Lernaufwands in Leistungspunkten (LP) sind als problematisch anzusehen. Immer wieder erscheint die Höhe der LP willkürlich.“ Den tatsächlichen Lernaufwand spiegelten sie oftmals kaum wider, zumal er sehr individuell und von vielen Faktoren abhängig sei: „Ein solch fragwürdiges System als Entscheidungsgrundlage für die weitere Förderung und damit die Lebensgrundlage vieler Menschen zu nutzen, ist äußerst bedenklich. Zudem stehen Studierende bereits unter genügend Stress. Leistungsnachweise sind dabei sicherlich nicht zuträglich.“

Auch der Schutz medizinischer Daten ist den Augen des AStA unzureichend. Wenn nicht klar ist, welche Informationen die Ämter wirklich benötigen, legen Studierende detaillierte Arztbriefe und Atteste vor, um die Förderung nicht zu gefährden. „Dass Sachbearbeitende Zugang zu diesen hochsensiblen medizinischen Daten erhalten, diese einordnen und auf Grundlage dessen über die Förderung von Studierenden entscheiden, ist ein untragbarer Zustand.“ Dies sollte allein unabhängigen, medizinisch oder therapeutisch geschulten Fachleuten vorbehalten sein, die ihre Einschätzung dann an die Ämter weitergeben. Das Preisgeben all dieser Informationen sei erniedrigend.


Quellen und weitere Infos:

AStA Marburg:
AStA-Statement zur BAföG-Reform

Bundesministerium für Bildung und Forschung:
BAföG-Reform 2024: Die wichtigsten Änderungen
Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung. Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021

Deutscher Bundestag:
Entwurf zum 29. Gesetz zur Änderung des BAföG

Statistisches Bundesamt:
Absolventinnen und Absolventen in der Regelstudienzeit
BAföG 2022: Durchschnittlicher Förderbetrag um gut 5 % gestiegen
37,9 % der Studierenden in Deutschland waren 2021 armutsgefährdet

Deutsches Studierendenwerk:
Stellungnahme zum BMBF-Referentenentwurf einer 29. BAföG-Novelle
Geschichte und Statistik zum BAföG

Verwaltungsgericht Berlin:
BAföG für Studierende darf nicht geringer sein als Bürgergeld

Bundesverwaltungsgericht:
Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zur Verfassungsmäßigkeit des BAföG-Bedarfssatzes für Studierende

(Lektoriert von let und hab.)

Macht es wie Felix Lobrecht: studiert Politikwissenschaften in Marburg.
22 Jahre alt, seit Anfang 2024 bei PHILIPP und seit November Teil der Chefredaktion

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