StuPa Live-Ticker #9

Herzlich willkommen zu unserem Live-Ticker der ersten außerordentlichen Sitzung des 59. Marburger Studierendenparlaments.

StuPa-Vorstand Thore begrüßt die Anwesenden und stellt die Beschlussfähigkeit fest. Die Tagesordnung wird in der oben stehenden Fassung ohne Gegenstimme angenommen.
Bericht der Sozialerhebung
Robert vom Referat für Sozialerhebung stellt die Ergebnisse der Befragung vor. Mehr als 1600 Stimmen konnten gezählt werden. Mehrheitlich wird die Variante Deutschlandticket (D-Ticket) ohne Fernverkehr (FV) bevorzugt. Damit unterscheidet sich das Ergebnis im Vergleich zur vorherigen Befragung. Die Vermutung, dass Studierende mit weniger finanziellen Mitteln eher gegen den FV sind, lasse sich nicht bestätigen. Es gehe den Befragten um den Nutzen, den sie von dem Ticket haben.
Die Daten sind nicht repräsentativ und wurden nicht gewichtet. So sind etwa einige Fachbereiche stärker repräsentiert als andere. Die Beteiligung war insgesamt deutlich geringer als bei der Umfrage des Verkehrsreferats. Robert zufolge lässt sie dennoch Rückschlüsse zu. Für das D-Ticket ohne FV sprachen sich 56 Prozent aus, mit FV 25 Prozent. Für das günstigere regionale Nahverkehrsticket wie in Zeiten vor dem D-Ticket stimmten 13 Prozent sowie 5 Prozent in der Kombination mit dem FV.
Die gestiegene Ablehnung des Fernverkehrs könnte laut Robert mehrere Gründe haben. Zuletzt sei viel darüber gesprochen worden, dass Marburg einen der drei höchsten Semesterbeiträge Deutschlands hat. Das habe den Diskurs möglicherweise verändert. Außerdem ist in der neuen Umfrage nicht der Preis des Semestertickets, sonders des gesamten Semesterbeitrags genannt worden. Das könnte auf einige Leute abschreckend gewirkt haben. Darüber hinaus könnte der Semesterbeitrag eine Schmerzgrenze erreicht haben, an der für einen Teil der Studierenden der Zwang zum Sparen überwiegt. Auch dass darauf verzichtet wurde, zu erwähnen, dass eine Rückkehr zum FV nicht möglich ist, wenn man sich erst einmal davon getrennt hat, könnte eine Rolle gespielt haben.
Zweite Lesung zum Fernverkehrsticket
Sebastian und David vom Verkehrsreferat haben eine Präsentation zur Zukunft des Fernverkehrstickets vorbereitet. Sie gehen auch auf den vorangegangenen Bericht ein. Weil es in der Befragung des Referats für Sozialerhebung um verschiedene Themen ging und nicht nur um das Semesterticket, wurde dieses nicht ganz so ausführlich behandelt wie in der Umfrage des Verkehrsreferats im Wintersemester. Das kritisieren die Verkehrsreferenten. Die Betrachtung sozialer Aspekte sei aber ein Gewinn.
Sie betonen, dass es sich bei dem Fernverkehrsticket um ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Universitäten handele. Es stelle einen Anreiz dar, sich für die Uni Marburg zu entscheiden.
Das Ticket für die Deutsche Bahn (DB) wird ab dem kommenden Semester digital sein. Dazu wird es als analoge Alternative eine Chipkarte geben. Die Digitalisierung ist dem Verkehrsreferat zufolge sehr kompliziert.
Wie die Referenten berichten, hat die Deutsche Bahn die Kündigungsfrist um vier Monate bis Mitte November verlängert. Dadurch könnte das StuPa neu entscheiden, wenn der Fahrplan für das kommende Jahr feststeht und es bliebe Zeit für weitere Verhandlungen. Darin will sich das Verkehrsreferat für den Ausbau der nutzbaren Strecken nach Göttingen und Fulda einsetzen. Nicht genutzte Strecken (Mannheim, Mainz, Aschaffenburg) sollen aus dem Vertrag geworfen und dieser so günstiger werden. Dazu gäbe es gegebenenfalls eine Umfrage. Zusätzlich wollen sie sich um eine Erstattung bei Ausfällen bemühen. Das Referat spricht sich dafür aus, die Entscheidung erst im November zu treffen, wenn neue Vertragsoptionen vorliegen. Es warnt vor einer verfrühten Kündigung und vorschnellen Entscheidung.
Unnötiges Luxusprodukt oder nützliche Ersparnis?
Es folgen einige Redebeiträge der Parlamentarier*innen. Cameron (Die Unabhängigen) merkt an, dass durch den neuen digitalen Studierendenausweis auch ein neues Ticket nötig wird. Bisher war der Ausweis aus Papier gleichzeitig das Fernverkehrsticket. Für die Entwicklung eines digitalen DB-Tickets (zusätzlich zum bereits digitalen Deutschland-Ticket) käme ein hoher fünfstelliger Betrag an Kosten auf die Studierendenschaft zu. Weil das nicht durch den AStA-Haushalt gedeckt werden könne, müsse es durch den Semesterbeitrag finanziert werden.
Cedrik (LHG) hält das Fernverkehrsticket für ein „schweineteures Luxusprodukt, das niemand braucht“, weil man auch mit D-Ticket überall hinkomme. Cameron sagt, an anderen Hochschulen wie in Gießen halte das Verkehrsreferat ein solches Ticket auch für überflüssig. Verhandlungen hält er für aussichtslos. Die Verkehrsreferenten hingegen hielten es für eine verlorene Chance, nicht nochmal zu verhandeln, wenngleich es keine „Paradieslösung“ geben werde. Sie hoffen zudem noch auf eine Vergünstigung des D-Tickets für Studierende, um auf diese Weise Kosten zu senken. Andere Universitäten wie Frankfurt haben ihnen zufolge kein Fernverkehrsticket, weil sie schon für den Nahverkehr deutlich mehr zahlten.
Yusuf (SDS) will das große Ganze nicht vergessen: Als einzige Uni Deutschlands den FV im Semesterticket zu haben, sei eine große Errungenschaft, die langfristig allen Studierenden zuteil werden solle. Abseits des Themas kritisiert er den AStA-Vorstand scharf und fordert ihn zum Rücktritt auf, weil dieser sich nicht an den Protesten gegen den Hochschulpakt beteilige und sich auf politischer Ebene tot stelle.
Fernando (RCDS) will die Entscheidung nicht verschieben, weil er befürchtet, dass es in der neuen Legislatur für die Kündigung keine Mehrheit mehr gibt. Christian (RCDS) hält die Abschaffung des Fernverkehrstickets für sinnvoll, weil der Großteil der Studierenden nicht davon profitiere und sich die 60 Euro pro Semester gerne sparen würde.
Luise (Gästin) erzählt, sie sei auf den FV angewiesen, um nach Göttingen zur Arbeit zu kommen. Sie wünscht sich weitere Verhandlungen. Auch Viktoria (Rosa Liste) sagt, viele Studierende, die pendeln, bräuchten den FV. Dominik (SDS) sagt, der Nahverkehr allein reiche nicht aus, die Züge seien schon jetzt überfüllt.
Dritte Lesung und Abstimmung
Nach einer kurzen Pause gibt es keine weiteren Wortmeldungen. Mit 19:8 Stimmen und einer Enthaltung stimmt das Studierendenparlament für die Kündigung des Fernverkehrstickets. Dagegen stimmen der SDS sowie Teile der Rosa Liste und der Sozialistisch-Ökologischen Liste. Ab dem Sommersemester 2026 wird der Fernverkehr somit kein Teil des Semestertickets mehr sein.
Kritik des Verkehrsreferats
Das bedauern nicht wenige, wie in den Kommentaren unter einem Beitrag des Verkehrsreferats deutlich wird. Verkehrsreferent Michel äußert sich in einer Pressemitteilung zu der Entscheidung: „Das StuPa hat sich so verhalten, als wenn man ein Rubbellos in der Hand hält und dieses einfach wegwirft, ohne es zu öffnen – damit wurden wir ohne Not an einer letzten Verhandlungsrunde gehindert.“ Die Philipps-Universität verliere damit einen nicht unbeträchtlichen Standortvorteil. Referent David sieht durch die vorherige Einführung des Deutschlandsemestertickets, das eine Preisspirale in Gang gesetzt habe, eine falsche Priorisierung: „Wir sind der Meinung, das Marburger Semesterticket müsse sich vor allem darum kümmern, dass die Marburger Anbindung stimmt und nicht, dass man in Hamburg, Leipzig, München und Köln die S- und U-Bahnen inklusive hat.“
Termine und Ende
Dominik (SDS) weist auf eine Kundgebung bezüglich des Hochschulpakts hin, die morgen in Wiesbaden stattfindet, und ruft dazu auf, sich anderen Marburger Studierenden anzuschließen und sich daran zu beteiligen.
Die Sitzung ist nach anderthalb Stunden beendet. Am Mittwoch folgt die reguläre Sitzung.
Macht es wie Felix Lobrecht – studiert Politikwissenschaften in Marburg.
22 Jahre alt, seit Anfang 2024 bei PHILIPP und seit November Teil der Chefredaktion