Europawahl 2024: Was ihr wissen solltet
Bild: Elija Ash Pauksch
Wie an den zahlreichen Wahlplakaten, die wieder überall in der Stadt hängen, unschwer zu erkennen ist, steht bald die Europawahl an. Alles, was ihr dazu wissen müsst, erfahrt ihr hier.
Was wird gewählt?
Alle fünf Jahre wird das Europäische Parlament gewählt. Es ist die zehnte Direktwahl zum EU-Parlament. Anders als bei Bundestags- oder Landtagswahlen gibt es keine Erst- und Zweitstimme, sondern es werden die von den Parteien und Wählervereinigungen festgelegten Listen gewählt. Diese geben die Reihenfolge an, nach der die Kandidat*innen ins Parlament einziehen.
Wann und wie kann die Stimme abgegeben werden?
Die Wahllokale haben in Deutschland am Sonntag, 9. Juni von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Die Briefwahl läuft bereits jetzt. Diese kann über das Formular auf der Rückseite der Wahlbenachrichtigung, die allen Wahlberechtigten zugeschickt wird, oder online beantragt werden. Es wird empfohlen, den Briefwahl-Antrag bis zum 29. Mai zu stellen, um genug Zeit für Versand und Rückversand zu gewährleisten, gesetzlich ist es aber noch bis zum 7. Juni möglich. Der Wahlbrief kann auch persönlich im zuständigen Wahlamt abgegeben werden. Wer im Wahllokal wählen möchte, findet in der Wahlbenachrichtigung auch den zugewiesenen Wahlraum.
Wer darf wählen?
Rund 373 Millionen Menschen aus den 27 Mitgliedsländern sind zur Wahl aufgerufen, damit ist es nach Indien die zweitgrößte demokratische Wahl der Welt. In Deutschland dürfen erstmals auch 16- und 17-Jährige wählen. Um sich zur Wahl aufstellen zu lassen, muss man weiterhin mindestens 18 Jahre alt sein.
Was macht das Europäische Parlament?
Das Europaparlament ist die einzige direkt gewählte, überstaatliche Versammlung der Welt und eines von sieben Organen der EU. Die Plenarsitzungen finden in Straßburg statt, Fraktionen und Ausschüsse tagen in Brüssel. Es kann keine neuen Gesetze vorschlagen, aber darüber beraten und abstimmen. Das Parlament überwacht die Kommission und kann sie dazu auffordern, neue Gesetze einzubringen. Die Kommission ist das Exekutivorgan der Europäischen Union und nimmt eine ähnliche Rolle ein wie die Regierung in Nationalstaaten. Außerdem beschließt es gemeinsam mit dem Rat der Europäischen Union den Haushalt und wählt den*die Kommissionspräsident*in – also den*die Regierungschef*in der EU. Die aktuelle Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) gehört der derzeit größten Fraktion, der Europäischen Volkspartei (EVP) an, zu der sich die bürgerlich-konservativen Parteien zusammenschließen. Sie ist die erste Frau in diesem Amt.
Wie setzt sich das Europäische Parlament zusammen?
In der kommenden Legislaturperiode werden 720 Abgeordnete im Europaparlament sitzen. Je nach Einwohnerzahl steht jedem Mitgliedsland eine bestimmte Anzahl zu. Diese wird an die Bevölkerungsentwicklung angepasst. Deutschland stellt mit 96 Abgeordneten vor Frankreich die meisten. Luxemburg, Malta und Zypern bekommen mit jeweils sechs Sitzen die wenigsten. Zwischen der Zahl der Einwohner*innen je Abgeordnetem besteht dennoch ein großes Ungleichgewicht zwischen den Ländern. So vertritt eine Parlamentarierin aus Deutschland mehr als zehnmal so viele Bürger*innen wie ihr Kollege aus Malta.
Aktuell gibt es im Europaparlament sieben Fraktionen. Diese werden länderübergreifend von Parteien gebildet, die ähnliche Ziele verfolgen. Sie gehören jedoch nicht, wie man es etwa aus dem Bundestag kennt, entweder der Regierung oder der Opposition an. Mehrheiten setzen sich je nach Thema unterschiedlich zusammen. Daneben gibt es 51 fraktionslose Abgeordnete, darunter auch drei aus Deutschland.
Welche Unterschiede gibt es in den EU-Mitgliedsstaaten?
Für die Durchführung der Wahl sind die Mitgliedsländer verantwortlich. Auch den Tag der Wahl können die Staaten im Zeitraum vom 6. bis 9. Juni 2024 selbst festlegen. In Italien kann sogar an zwei Tagen gewählt werden. Belgien, Luxemburg und Bulgarien haben eine Wahlpflicht, diese wird jedoch nicht streng gehandhabt. Die beiden ersteren Nationen haben daher die mit Abstand höchste Wahlbeteiligung. In Frankreich ist es möglich, eine*n Bevollmächtigte*n zur Wahl zu schicken und in Estland kann man auch online abstimmen.
Wie sieht es mit der Wahlbeteiligung aus?
Bei der vergangenen Wahl 2019 ist sie erstmals überhaupt angestiegen und lag insgesamt bei 51 Prozent. In Deutschland waren es 61 Prozent, von den Ländern ohne Wahlpflicht war sie nur in Dänemark höher. In der Slowakei war sie mit 25 Prozent am geringsten. Die Wahlbeteiligung ist niedriger als bei nationalen Wahlen, da viele Menschen glauben, ihre Stimme habe kein Gewicht und der Einfluss sei geringer. Dazu kommt die Komplexität des Systems der Europäischen Union. Um dem entgegenzuwirken, stellen die Parteienfamilien mittlerweile europäische Spitzenkandidat*innen auf, doch die sind oftmals eher unbekannt und die nationalen Parteien setzen im Wahlkampf häufig stärker auf nationale Themen und Personen.
Warum ist es wichtig zur Wahl zu gehen?
In unserer vernetzten, globalisierten Welt sind viele große Herausforderungen nicht mehr auf nationaler Ebene zu lösen. Beim Klimaschutz, in der Migrationspolitik oder beim Thema Sicherheit nimmt die EU eine enorm wichtige Rolle ein. Im Laufe der Zeit hat das Europäische Parlament zunehmend an Einfluss gewonnen und spielt eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der EU-Politik. Auf der Seite „Was tut Europa für mich?“ wird aufgezeigt, welche Entscheidungen und Maßnahmen getroffen werden.
Wer steht zur Wahl?
Auf dem Wahlzettel stehen 34 Parteien und politische Vereinigungen. Der Bundeswahlausschuss hat 35 zugelassen, doch die CSU tritt nur in Bayern an und die CDU in allen anderen Bundesländern. Die Reihenfolge richtet sich nach dem Ergebnis bei der letzten Europawahl in dem jeweiligen Bundesland. Hier gibt es einen Musterstimmzettel. Für alle, die noch keine Idee haben, bei welcher Partei man sein Kreuz setzen soll, kann der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung eine Hilfe sein. An dem Online-Tool gibt es allerdings auch Kritik und mittlerweile auch einige Alternativen. Die Wahlprogramme der großen Parteien und viele weitere Informationen gibt es hier.
Wer sind die deutschen Spitzenkandidat*innen?
Die amtierende EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen steht zwar nicht auf der Wahlliste, kann aber auch Präsidentin bleiben ohne Mitglied des Parlaments zu sein. In der Regel wird ein Kandidat oder eine Kandidatin der stärksten Fraktion Kommissionspräsident*in. In Umfragen liegt ihre EVP klar vorn.
Manfred Weber, Kandidat der CSU, ist Fraktions- und Parteivorsitzender der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament und war bereits 2019 Spitzenkandidat und sollte Kommissionspräsident werden. Katarina Barley (SPD) ist Vizepräsidentin des Europaparlaments und war ebenfalls bei der vergangenen Wahl Spitzenkandidatin. Sie studierte Rechtswissenschaften in Marburg und war Bundesministerin in mehreren Ressorts. Die FDP schickt Marie-Agnes Strack-Zimmermann ins Rennen, deren Schwerpunkte Außen- und Verteidigungspolitik sind. Die Grünen setzen auf Terry Reintke, europäische Co-Spitzenkandidatin und Co-Vorsitzende ihrer Fraktion. Ihre Kernanliegen sind Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit. AfD-Kandidat Maximilian Krah, der am rechten Rand seiner Partei steht, war kürzlich wegen des Verdachts auf Spionage für China gegen einen mittlerweile entlassenen Mitarbeiter in den Schlagzeilen. Für Die Linke treten der Co-Parteivorsitzende Martin Schirdewan und die parteilose Aktivistin Carola Rackete an, die als Kapitänin Geflüchtete aus Seenot gerettet hat.
Welche Rolle spielt die Wahl für kleine Parteien?
Die EU-Wahl hat für kleine Parteien eine besondere Bedeutung, da es in Deutschland keine Sperrklausel wie bei Bundestags- und Landtagswahlen gibt. Die Fünf-Prozent-Hürde gab es bis 2009 auch bei Europawahlen, wurde aber vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Etwa ein Prozent der Stimmen reicht aus, um mit einem Abgeordneten ins Europaparlament einzuziehen. So sind dort aktuell 14 deutsche Parteien vertreten. Die meisten Mitgliedstaaten haben allerdings eine Sperrklausel.
Wie sieht es aktuell in Umfragen aus?
Die Mehrheitsverhältnisse im Europaparlament könnten sich zugunsten des rechten Parteienspektrums verschieben. In vielen Ländern liegen rechtspopulistische und euroskeptische Parteien derzeit hoch im Kurs. In einigen Mitgliedstaaten könnten sie stärkste oder zweitstärkste Kraft werden.
In Deutschland liegt die CDU/CSU im neuesten ZDF-Politbarometer mit 31 Prozent deutlich vorne, die AfD kommt auf 18 Prozent, die SPD auf 16 Prozent und die Grünen auf 12 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht, das erstmals zur Europawahl antritt, liegt mit 6 Prozent vor der FDP (4 Prozent) und die Linke (3 Prozent).
Macht es wie Felix Lobrecht: studiert Politikwissenschaft in Marburg.
22 Jahre alt, seit Anfang des Jahres bei PHILIPP und seit November Teil der Chefredaktion