Wiedereinführung der Wehrpflicht: Eine feministische Perspektive

Wiedereinführung der Wehrpflicht: Eine feministische Perspektive

Bild: Kim Felicitas Schmidt (mit KI generiert)

Ach ja, alle Jahre wieder … da ist sie, die Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht- und im Schlepptau der altbekannnte Generationenkonflikt. Den „jungen Menschen” wird vorgeworfen, dass sie verweichlicht seien und mal was für ihr Land leisten sollen, dass ihnen doch so viel gibt. Was unsere Redakteurin Kim über die Diskussion denkt, lest ihr hier.

Der Hintergrund der wieder aufflammenden Debatte, welche man in Zeitungen, in der Kneipe – und wenn man Pech hat, sogar am Frühstückstisch – mitverfolgen kann, ist die Ankündigung eines neuen Wehrdienstes. Verteidigungsminister Boris Pistorius hat am 12. Juni 2024 in der Bundespressekonferenz einen Plan für die Rekrutierung neuer Soldat*innen vorgestellt. An alle Männer und Frauen im wehrdienstfähigen Alter soll ein Fragebogen geschickt werden. Dieser fragt die körperliche Fitness und Motivation ab. Männer sollen verpflichtend, Frauen freiwillig antworten. Ein Teil der Männer wird aufgefordert werden, sich mustern zu lassen. 

Im Zuge einer Militarisierung und Aufrüstung, infolge verschiedener Krisen und Kriege, allen voran des russischen Einmarschs in die Ukraine, wird darüber diskutiert, dass die Bundeswehr wieder einsatzbereit gemacht und der Personalmangel in Angriff genommen werden soll. Da sich trotz intensiver Werbung der Bundeswehr und Anschreiben an Minderjährige, die gerade ihren Schulabschluss machen, anscheinend nicht genügend Leute finden, erscheint es im Verteidigungsministerium natürlich logisch, jetzt über Zwangsrekrutierung nachzudenken. 

Wir leben in einer Zeit, die lange von Frieden in Europa und Abrüstung geprägt war. Dass daher viele Leute, Aufrüstung und Gewalt als Mittel der Sicherheit nicht gut finden, wird schlichtweg ignoriert. Auch, dass junge Leute nicht in eine Organisation eintreten wollen, die Gehorsam fordert und bei welcher das eigene Denken nicht an höchster Stelle steht, wird mit den Argumenten der fehlenden Disziplin und Mangel an Respekt klein geredet; mal abgesehen von den immer noch nicht so einladenden Strukturen, wie rechten Ideologien und Diskriminierung von LGBTQ+ Personen. 

Ob das fair ist, nachdem die junge Generation schon so viele Bürden tragen muss? Von der Corona-Krise, in welcher die Jugend nicht bedacht wurde, hin zu einer Klimakrise, die ausgelöst wurde durch die Stimmen, die jetzt anprangern, dass die junge Generation nicht genügend fürs Land mache. Mal abgesehen davon, ob man für ein Land wie Deutschland dienen möchte, möchte ich betonen, dass wir als junge Leute in die Rentenkasse einzahlen, während unser Land uns nicht versichern kann, ob wir auch eines Tages in den Genuss einer Rente kommen. Aber die jungen Leute leisten noch immer nicht genug. 

Möglichkeiten dem Staat zu dienen 

Bevor ich mich dafür einsetze, dass junge Menschen an einer Waffe ausgebildet und auf bedingungslose Gehorsamkeit getrimmt werden, befürworte ich andere Ideen, wie junge Personen dem Land dienen und Respekt sowie Disziplin lernen können, um dieses beliebte Argument zu entkräften. 

Das bereits mehrfach diskutierte soziale Jahr nach dem Schulabschluss – denn wo kann man mehr Respekt und Disziplin lernen als in einem sozialen Beruf mit schlechten Arbeitsbedingungen? Doch das soziale Pflichtjahr wurde nie eingeführt, da es zu sehr in die persönlichen Rechte eingreift und der Personalmangel in der Pflegebranche nicht dadurch gelöst werden kann, unterbezahlte und schlecht ausgebildete Personen dazu zu zwingen, nicht ihre Freiheit nach dem Schulabschluss genießen zu können. 

Klar könnte dadurch versucht werden, mehr Personen für soziale Berufe zu begeistern oder die Gender Gap zu schließen (da deutlich mehr Frauen in diesen Berufen arbeiten), aber die oben aufgelisteten Argumente ergeben Sinn. Vielleicht sollte das Arbeitsangebot einfach schmackhafter gemacht werden? Ob es um ein soziales Pflichtjahr oder die Wehrpflicht geht: Es bleibt die Frage, warum in einem freien demokratischen Land gelebt wird, wenn solche wichtigen Entscheidungen von anderen getroffen werden. 

Die Geschlechterperspektive 

Im Zuge der Diskussion um Wehrpflicht werden wieder Stimmen laut, die sagen, dass in einem Kriegsfall nicht nur Männer für ihr Land sterben sollten, sondern auch Frauen, jetzt wo wir hier doch Gleichberechtigung haben. Das wollten sie doch diese Frauen, Gleichberechtigung, oder? 

Dazu habe ich zwei Meinungen. Meine undifferenzierte Meinung ist, dass natürlich nur Männer in den Krieg ziehen sollten, es sind ja auch Männer, die immer wieder meinen, diese Kriege anfangen zu müssen. 

Als Politikwissenschaftlerin und Feministin habe ich selbstverständlich aber auch eine differenzierte Meinung dazu. Die Stimmen, die fordern, man solle den Grundgesetz Artikel 12a ändern, um Frauen im Notfall auch einziehen zu können, von denen fordere ich, dass sie sich auch so vehement für die Gleichberechtigung der unbezahlten Care Arbeit einsetzen. Wie soll man sonst die Männer guten Gewissens zurücklassen können, damit sie die Kinder großziehen und die Alten pflegen? Denn was bei solchen Diskussionen immer gerne vergessen wird ist, dass wenn Frauen ebenfalls eingezogen werden, das gesamte System im Land zusammenbrechen würde. Das statistische Bundesamt hat im Februar Zahlen zum Gender Care Gap veröffentlicht und aktuell verbringen Frauen 43,8 % mehr Zeit mit unbezahlter Arbeit wie Putzen, Kochen und der Versorgung und Erziehung von Kindern als Männer.

Dieser Schrei nach der Gleichberechtigung an der Waffe, den hätte ich dann auch gerne bei dem Gender Pay Gap, der aktuell noch bei 18% liegt oder der Geschlechterverteilung in den Aufsichtsräten großer deutscher Firmen, die Ende 2023 immer noch nur bei 18% lagen. Wenn die immer wieder als Einzelfälle beschriebenen Femizide, bei denen jeden dritte Tag eine Frau von ihrem (Ex-)Mann ermordet wird, als solche anerkannt werden, dann können wir mal anfangen, über herrschende Gleichberechtigung zu reden. Sobald Vergewaltigungen aufgeklärt und strafrechtlich verfolgt werden (aktuell wird nur einer von 100 Vergewaltigern verurteilt) und ich über meinen Körper selbst bestimmen dürfte, ja, vielleicht wäre ich dann auch bereit für mein Land zu sterben. Diese Benachteiligung gilt zwar hauptsächlich für Frauen, aber auch andere Personengruppen werden immer noch systematisch benachteiligt und diskriminiert, wie beispielsweise People of Color. Kann man von mir verlangen, dass ich mein Land verteidige und schütze, wenn mein Land nicht dasselbe für mich tut? 


Habt ihr Meinungen oder neue Argumente für oder gegen eine Wehrpflicht? Schreibt sie uns gerne! 

(Lektoriert von ror und hab.)

Kim F. Schmidt ist seit April 2024 Redaktionsmitglied. Sie ist fasziniert von Drama, Intrigen und unerwarteten Wendungen, deswegen studiert sie Politikwissenschaften!

Ein Gedanke zu “Wiedereinführung der Wehrpflicht: Eine feministische Perspektive

  1. Sehr schade, dass eine „feministische Perspektive“ beinhaltet, dass eine gesetzlich verankerte Ungleichbehandlung befürwortet und verteidigt wird. Dabei ist die Männerwehrpflicht nicht die Art von Sexismus, bei dem der eine 20% mehr oder weniger als der andere im Jahr verdient. In letzter Konsequenz geht es dabei um den Wert von Menschenleben, den die Autorin, wie es aussieht, bei Frauen höher ansetzt, als bei Männern? Das soll Feminismus sein?
    Wenn Frau Schmidt tatsächlich etwas an der Gleichstellung der Geschlechter liegen würde, müsste sie eigentlich die Erste sein, die aus der Masse hervortritt und eine Gleichstellung von Art. 12a GG fordern würde.

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