Sneak-Review #265: Weltuntergang mit Frau (und Baby)
Bild: Kim Felicitas Schmidt (mit KI generiert)
Was passiert, wenn man ein Weltuntergangsszenario in einem Film mit einer Frau als Hauptrolle darstellt? Richtig, keine brutalen Kampfszenen! Ob das gut oder schlecht ist, erfahrt ihr hier in der Sneak-Review über den Film The End We Start From, ein Katastrophen-Thriller mit Science-Fiction-Elementen von Mahalia Belo, erschienen 2023.
Die Geschichte handelt von einem Paar (gespielt von Jodie Comer und Joel Fry), das seine Heimat London nach einer Überschwemmung mit ihrem Neugeborenen verlassen müssen. Man muss ehrlicherweise jedoch sagen, dass die Geschichte eher von dem Überleben der namenlose Frau und ihres Kindes handelt.
Üblicherweise handeln Weltuntergangsszenarien von starken Männern, oft Familienväter, die alles im Griff haben, die ihre Familie beschützen und Frauen retten. In The End We Start From, bricht der Mann jedoch in den ersten Szenen unter dem Verlust von Familienangehörigen zusammen. Er schickt seine Frau mit ihrem Neugeborenen in eine Art Sicherheitscamp des Militärs, da er meint, er könne sie beide nicht mehr beschützen. Dort schickt er sie alleine hin, obwohl Männer und Frauen willkommen sind. Das macht natürlich Sinn weil, wenn man glaubt, sie nicht beschützen zu können, dann kann man sie auch gleich alleine lassen. Wo ist da das logische Denken? Nicht nachvollziehbare Handlungen von Charakteren machen mich wahnsinnig und davon gab es im Film einige! Im Camp findet die Hauptdarstellerin eine andere Mutter mit kleinem Kind, mit der sie von da an unterwegs ist, weil das Camp selbstverständlich überfallen wird …
Filmmusik so passend, dass es fast unangenehm war
Mehr möchte ich aber gar nicht von der Handlung verraten, weil der Film wirklich spannend war. Das Publikum hat sehr mitgefiebert. Dies lag zu großen Teilen an der überragenden Filmmusik. Die Musik war unterschiedlich, aber immer extrem passend und hat die Spannung des Films bedeutend verstärkt. Wir hatten leise Beats, die eine beklemmende Stimmung verursachten, als die Hauptdarstellerin durch unheimliche Wälder ging. Es gab aber auch ohrenbetäubende Orchestermusik, als die Straßen überflutet wurden.
Teilweise fand ich die Musik fast schon ein bisschen zu viel: Ich hatte Gänsehaut und habe mich sehr unwohl gefühlt. Hier möchte ich auch noch einmal betonen, dass The End We Start From kein Gute-Laune-Film und kein Actionfilm ist. Es ist aber auch kein Katastrophenfilm, wie man ihn sonst kennt. Es ist ein Katastrophenfilm, der ein bisschen zu nah an der Realität liegt, wenn man sich die Überschwemmungen der letzten Jahre in Deutschland anguckt, und dadurch dieses starke Gefühl der Unsicherheit erzeugt.
Natürlich müssen wir über die Geschlechterperspektive reden
In einem Genre, wo normalerweise männliche Hauptrollen dominieren, müssen wir natürlich auch über die Geschlechterperspektive reden. Auch bei diesem Thema ist dieser Katastrophenfilm nicht wie andere. Ich frage mich, ob das vor allem an der nicht traditionellen Rollenverteilung liegt, da eine Frau sich den Herausforderungen des Weltuntergangs stellt. In dem gesamten Film gab es keine wirkliche Kampfszene, die Frau wurde mit ihrem Kind dargestellt und hat sich zwar durchgekämpft, aber konnte letztendlich nur durch die Hilfe anderer Leute überleben. Nun kann man argumentieren, dass in einer Katastrophensituation alle Leute irgendwie abhängig von der Hilfe anderer Personen sind, aber ich frage mich, ob das bei einer männlichen Hauptrolle auch so geschrieben worden wäre. Zudem waren die Menschen, die ihr geholfen haben, meistens Männer (beispielsweise Benedict Cumberbatch, bei dem ein glückliches Raunen durch die Publikumsreihen ging, er uns aber letztendlich nur 3 Minuten seiner Zeit geschenkt hat). Außerdem hatte die junge Mutter die ganze Zeit Halluzinationen von ihrem Mann und hat teilweise sichere Orte verlassen, nur um zu ihm zurückzufinden, obwohl er sie alleine gelassen hat.
Nach längerem Überlegen möchte ich den Fokus aber nicht auf die Kritik an der weiblichen Hauptrolle setzen, sondern auf das Bemerkenswerte. Sie wurde zwar teilweise „weiblich geschrieben”, durch zum Beispiel die Rolle der Mutter, aber es ist doch eine sehr interessante, moderne Darstellung der weiblichen Perspektive. Statt mit Gewalt und Egoismus, wie häufig männliche Rollen in solchen Genres geschrieben werden, kommt die Figur durch Freundlichkeit und beeindruckende innere Ruhe so weit. Ihre Empathie ist ihre Stärke. Hier könnte man argumentieren, dass die Figur sich sehr von anderen Frauenfiguren in Katastrophenfilmen unterscheidet. Vielleicht liegt es daran, dass es mit Mahalia Belo eine Regisseurin war, die Frauen nicht in negativer Konnotation hysterisch und emotional dargestellt hat. Stattdessen hat sie Emotionalität und Fürsorge als eine starke Charaktereigenschaft gezeichnet und nicht mit Schwäche assoziiert, wie es leider immer noch häufig in eindimensional geschriebenen weiblichen Figuren in Hollywood Filmen der Fall ist. Ich fand das äußerst erfrischend.
Ihr könnt The End We Start From seit dem 30. Mai in den deutschen Kinos schauen und euch selbst ein Bild machen. In der Sneak ist der Film mittelmäßig angekommen, nur 53% der Zuschauerschaft fand ihn gut.
Kim F. Schmidt ist seit April 2024 Redaktionsmitglied. Sie ist fasziniert von Drama, Intrigen und unerwarteten Wendungen, deswegen studiert sie Politikwissenschaften!