Sneak-Review #286: Wenn Lottospielen tötet

Sneak-Review #286: Wenn Lottospielen tötet

Bild: Laura Schiller

Kommen zwei Polizisten, ein Junkie, ein Broker und ein Rentner in eine Bar. Das ist nicht der Anfang eines schlechten Witzes, sondern der des Films No One Will Know von Vincent Maël Cardona. Er schuf hier einen zeitgemäßen, gesellschaftskritischen Thriller, der eine Gruppe Menschen, getrieben von Angst und Gier, auf ihrem schrittweisen Niedergang ins Verderben begleitet.

Das große Glück im Lotto … oder?

Der Rentner Monsieur Kantz betritt die Bar Le Roi Soleil, in der er neben zwei Polizisten als Stammgast bekannt ist, um den Morgen zu genießen. Dort stellt er überrascht fest, dass er als Gewinner der neuesten Lottoziehung bald um knapp 300 Millionen reicher sein wird. Eilig verlässt er die Bar, um den Schein einzulösen, bemerkt jedoch schnell, dass er den unscheinbaren Zettel auf der Theke vergessen hat. Als er zurückkommt, hat ein Gast die Pistole eines Polizisten ergattert und terrorisiert die Bar, um den Scheins an sich zu nehmen. In dem Chaos fallen Schüsse und Kantz wird im Versuch, den Täter zu überwältigen, erschossen. Sein Lottoschein ist nun herrenlos – und im Kopf jedes Anwesenden dieselbe Frage: Was machen mit dem Schein?

Die Polizei hinters Licht führen

Getrieben von Gier und finanziellen Problemen entscheiden sich die acht Verbliebenen – sechs Kunden, darunter der Täter, und zwei Bedienstete – den Schein einzulösen und den Gewinn unter sich aufzuteilen. Doch damit das klappt, müssen sie sich eine Geschichte für die kommenden Mordermittlungen der Polizei ausdenken. Eine, in der der Schein jemand anderem gehört.

Auf ihrem Weg, sich die perfekte Geschichte auszudenken, verrennt sich die Gruppe in den Logiklöchern ihrer eigenen Erzählung. Als sie feststellen, dass der ursprüngliche Plan hoffnungslos erscheint, entfaltet sich im verzweifelten Versuch der Schadensbegrenzung ein Konstrukt aus Lügen und Intrigen, das am Ende von jedem seinen Tribut fordert.

Ein Geflecht aus Erzählungen und Perspektiven

Der Film überrascht durch die wechselnden Darstellungen der fingierten Tathergänge und wirkt daher anfangs komplex, beinahe unübersichtlich. Als sich die Situation aufklärt, fügen sich diese jedoch zu einem stimmigen Bild zusammen. So entsteht eine unterhaltsame und spannende Handlung, die von überwiegend glaubhaften Figuren und ihren Beziehungen zueinander getragen wird. Sie alle teilen ihre Gier, die sie schrittweise korrumpiert und werden doch von unterschiedlichen Moralvorstellungen angetrieben.

Einzig die Figur der Vermieterin, die später hinzukommt, wirkt überzeichnet; beinahe wie eine Karikatur aufdringlicher Wohnungsbesitzer*innen, die kein Gespür für Privatsphäre und Anstand haben. Sie steht im Gegensatz zu den sonst ernsten Figuren des Werks und unterbricht den Fluss des Films. Sind diese Längen jedoch überstanden, setzt sich die Handlung fort und mündet schließlich in einem mitreißenden, wenn auch kaum überraschenden Ende. Der Atmosphäre und Spannung des Films tut dies jedoch kaum Abbruch.

Ein rundes Konzept anständig ausgeführt

No One Will Know ist sicherlich kein zeitloses Meisterwerk unter den Thrillern, das einen vom Hocker haut, besticht aber durch unterschiedliche Perspektiven und einen gesellschaftskritischen Unterton. Seine Handlung schlägt eine gesunde Mitte zwischen Komplexität der Geschehnisse und Verständlichkeit ein und kann dadurch über seine knapp zwei Stunden durchaus unterhalten.

Am Ende bleiben ein beklemmendes Gefühl und eine etwas andere Perspektive auf das Lottospiel.

(Lektoriert von lurs und jub.)

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