Sneak-Review #263: Ist Fremdgehen die neue Polyamorie?

Sneak-Review #263: Ist Fremdgehen die neue Polyamorie?

Bild: Kim Felicitas Schmidt

Ist Fremdgehen die neue Polyamorie und Sex der einzige Kleister, der letztendlich eine Beziehung zusammenhalten kann? So zumindest erscheint es, wenn man It´s raining Men von Caroline Vignal am 7.Mai in der Sneak im Cineplex Marburg gesehen hat. Der französische Film ist bereits 2023 erschienen und soll eine Mischung aus Drama und Komödie sein. Ich habe viele Gedanken dazu – nur leider keine guten.

Protagonistin des Films ist Iris (Laure Calamy), eine Frau Mitte vierzig. Sie hat eine eigene Zahnarztpraxis, zwei Töchter, die keine Probleme machen, und einen liebevollen, aber viel arbeitenden Mann (Vincent Elbaz). Doch bereits in der ersten Szene erfährt man, dass nicht alles so toll ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Während sie beim Elternsprechtag auf ihren Mann wartet, erzählt sie lautstark auf dem Flur, dass sie und ihr Mann keinen Sex mehr haben. Daraufhin wird ihr geraten, sich eine Dating-App herunterzuladen und damit fängt die ganze Problematik an.

Fremdgehen als Ego-Booster?

Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Vielleicht bei den Zuschauer*innen im Kino, die gemeinsam laut geseufzt haben, wenn Iris ihr gesamtes Leben stehen und liegen lässt, um sich auf ihre Sex-Dates zu konzentrieren. Vielleicht bei den „Ihh”-Ausrufen, wenn sie mit jemandem ins Bett geht, den wir als Publikum kollektiv als eklig abgestempelt haben. Einige sind sogar aufgestanden und gegangen – das habe ich noch nie im Kino erlebt.

Das Unangenehmste waren ausnahmsweise auch gar nicht die Sexszenen, sondern die Selbstzufriedenheit von Iris, nachdem sie das Haus eines Mannes verlässt, mit dem sie gerade ihren Ehemann betrogen hat. Iris fühlt sich endlich wieder begehrt und ist damit glücklich. Darin wird sie auch von vielen bestärkt, nach dem Motto: Keiner ist glücklich in ihrer oder seiner Ehe. 

Hier ist auch mein Hauptproblem mit dem Film. Ich habe nichts gegen Polyamorie oder offene Beziehungen. Ich finde es jedoch seltsam, Fremdgehen als Polyamorie zu präsentieren, da es ein falsches Bild von polyamoren Personen  erzeugt. Im Film wird das Betrügen des Partners unkritisch und positiv dargestellt, fast schon als feministischer Akt der sexuellen Selbstverwirklichung.  

Und alles andere?

Die schauspielerische Leistung von Laure Calamy – meiner Meinung nach das Positivste am ganzen Film – war so überzeugend, dass ich mich mehrmals daran erinnern musste, dass sie im Film eine fiktive Figur porträtiert. Dies gilt ebenfalls für den Ehemann und Iris’ Liebhaber. Da der ganze Film in Frankreich spielt, sind alle Personen adrett gekleidet und ich war das ein oder andere Mal sehr positiv überrascht von der Kostümwahl für Iris. Doch nicht nur sie, alle Charaktere sind gekleidet, als wären sie aus der neuesten Vogue gesprungen und hätten sich zufällig auf das Set verirrt. Die schicken Pariser Wohnungen und die Spaziergänge auf malerischen Straßen ermöglichen es dem Film nicht, den Flair eines Trash-Filmes zu haben.

Was nimmt man aus einem Film mit, der einer/ einem nicht gefallen hat?

Ehrlicherweise muss ich sagen, dass der Film durch einen Plot-Twist am Ende überrascht. Ein Plot-Twist, der zwar keine guten Gefühle übrig lässt, aber zumindest alle, die zwischendurch eingenickt sind, nochmal wach macht und mich mit der Frage zurücklässt, was ich von diesem Film mit nach Hause nehmen soll. Dass „communication key ist“?  Dass man seine Bedürfnisse immer an erste Stelle stellen soll? Oder dass man auch als Frau mittleren Alters Stilbewusstsein und schicke Taschen haben darf?

Letztendlich muss ich aber selbstkritisch hinterfragen, ob ich als 22-Jährige vielleicht auch einfach nicht die Zielgruppe bin. Personen in ihren Vierzigern, die sich in unglücklichen Ehen befinden, macht der Film vielleicht Hoffnung, wobei ich mich frage, ob das die Intention der Regisseurin war.

Ihr könnt It´s raining Men seit dem 9. Mai in den deutschen Kinos schauen und euch selbst ein Bild machen. In der Sneak wurde der Film nicht gut aufgenommen, 61% der Zuschauenden gaben ihm eine negative Wertung. 

(Lektoriert von nir und jok.)

Kim F. Schmidt ist seit April 2024 Redaktionsmitglied. Sie ist fasziniert von Drama, Intrigen und unerwarteten Wendungen, deswegen studiert sie Politikwissenschaften!

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