Menschen Marburgs: Vergängliches Engagement

Bild: Laura Schiller
Fast 80.000 Menschen leben in Marburg. Nur wenige davon kennen wir. An vielen laufen wir täglich vorbei, ohne je mit ihnen zu sprechen. Wer sind diese Personen? PHILIPP-Redakteurin Leonie hat mit Inge Reifenberg gesprochen. Die 72-Jährige führt den evangelische Bücherflohmarkt an der E-Kirche.
„Ich wünsche mir, dass jemand mein Erbe antritt“, sagt Inge Reifenberg, während sie in ihrem evangelischen, spendengebundenen Bücherflohmarkt steht. 2008 hat sie den Laden gegründet, doch es findet sich keine Nachfolge. Es regnet auf das Dach des kleinen Gebäudes vor der E-Kirche. Die Bücher im und vor dem Laden bleiben trocken. Die 72-Jährige weiß, woran die fehlende Nachfolge liegt: „Ich bin Finanzministerin und Putzfrau zugleich, aber es gibt für mich kein Geld.“
Nicht nur das fehlende Gehalt, auch die Probleme der Kirche wirken sich auf die Attraktivität ihres Ehrenamts aus. Missbrauchsfälle und Vetternwirtschaft werden kritisch erwähnt, wenn sie erzählt, dass die Erlöse des Bücherflohmarkts an die Kirche gespendet werden: „Ich gebe vielen Kritikpunkten recht, aber die Landeskirche kann ich zu nichts zwingen.“
Sie ist jedoch stolz darauf, dass sie sich aussuchen kann, in welches Projekt ihre erwirtschafteten Spenden fließen: ein Pilger- und Begegnungszentrum an der E-Kirche. Sie erzählt ihren Kund*innen immer offen, dass ihre Erlöse an die Kriche gehen. „Nur einmal wollte das jemand nicht“, erinnert Reifenberg sich.
Seit mindestens 50 Jahren arbeitet Reifenberg ehrenamtlich in Gemeinden: „Mein Ehrenamt ist von meinem Alter unabhängig.“ Reifenberg ist heute in Rente und will den neuen, jüngeren Generationen ein Vorbild sein und zeigen, dass sie daran mitarbeiten können, dass Kirche nicht nur für große, unnahbare Strukturen steht, sondern auch engagierte Personen vor Ort ist. „Ich sage immer“, Reifenberg zeigt auf einen Spruch an der Tür: „Kaufen Sie Ihre Bücher dort, wo Sie Menschen treffen.“
Der Bücherflohmarkt besteht seit 2008.
Geöffnet ist der Flohmarkt immer samstags von 10 bis 17 Uhr.
„Bücherspenden werden gern angenommen, davon lebt ja der Kiosk“, sagt Reifenberg.
(Lektoriert von hab.)
studiert im Master 'Soziologie' und 'Literaturvermittlung in den Medien'. Seit 2022 in der Redaktion sowie im Lektorat aktiv und seit Januar 2023 Chefredaktion von PHILIPP.