Rosa Liste: Auch in Studiengängen divers

Rosa Liste: Auch in Studiengängen divers

Foto: Leonie Theiding

Vom 14. bis 27. Juni ist Hochschulwahl! PHILIPP hat mit den Hochschulgruppen gesprochen, denen ihr eure Stimme geben könnt. Heute stellen wir euch die Rosa Liste vor.

Fangen wir mit den Basics an: Name, Alter, Listenplatz, Studiengang?

Viktoria Ehrke (23 J., links im Bild), Listenplatz 1, Senat 2, Informatik 

Leonard Preß (20 J., rechts im Bild), Listenplatz 2, Senat 1, HSLK (Historische Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften) 

Wenn das Stupa ein Filmgenre wäre, welches wäre das? Und warum?

Leonard: Ein Drama. Man denkt jedes Mal: Heute wird eine gute Sitzung, wir kriegen diesmal die Anträge durch und am Ende ist dann alles vorbei, man hängt halt im StuPa und denkt, selbst wenn der Antrag angenommen wird: mhm okay. Wenn der Antrag angenommen wird, hat man halt einen angenommen Antrag im StuPa. Dann ist die Welt an dem Abend immer noch nicht verbessert worden, es muss immernoch jemand das mit dem Präsidium klären oder so. 

Viktoria: Comedy. Ich will die Arbeit nicht kleinreden, aber ich finde das generelle Geschehen im StuPa eher amüsant. Viele Anträge führen zu oft redundanten Diskussionen, bei denen man sich denkt: Müssen wir da jetzt wirklich drüber reden? Das betrifft natürlich nicht alles. Aber zum Beispiel wird immer wieder darüber gesprochen, ob Geschlechterquotierung sinnvoll sei. Das sind so Fragen, die vom rechteren Block immer wieder ausgegraben werden. Wo man sich dann fragt: Hatten wir das Thema nicht schon vor 200 Jahren? Das wird dann aber eher aus Prinzip aufgeworfen, weil die Rechten das eben immernoch doof finden.  

Warum tut ihr euch HoPo (Hochschulpolitik) dann an? 

Leonard: Wenn nur Leute mit anderen politischen Gesinnungen da wären und dann quasi regieren würden, könnten die ja auch ihre Meinungen durchsetzen. Demnach wären die linken Interessen unterrepräsentiert. Es ist natürlich auch gut, wenn linke Gruppen eine Mehrheit im StuPa bilden können. 

Viktoria: Und es gibt sonst niemanden – es gibt kaum Personen, die das machen möchten. 95% der Studis interessieren sich nicht für Hochschulpolitik, noch weniger haben Lust, sich da zu engagieren. Es gibt schon lange Probleme, Leute zu finden, die das machen. So gut wie alle Listen haben Nachwuchsprobleme. Es gibt nur diese eine Nischengruppe, zu der auch wir gehören, die sich dafür interessiert und der das irgendwie Spaß macht – und die sind eben schon aktiv. 

Wie hat die HoPo euch erreicht?

Viktoria: Ich habe in der Fachschaft angefangen, weil ich in der OE davon erfahren habe und das auch ein Weg war, um Menschen in Marburg kennenzulernen. Darüber bin ich dann in höhere Gremien gekommen, zum Beispiel zur Fachschaftenkonferenz, irgendwann bin ich dann zur Rosa Liste gegangen. Ich finde es sinnvoll, sich mit Problemen zu befassen, sich nicht nur dauernd über die Zustände zu beschweren, sondern auch etwas zu tun. Als eine Person, die gerne Dinge macht und gerne redet, dachte ich mir: Da kann ich aktiv werden. 

Leonard: Man kommt eben schnell in die HoPo, wenn Bekannte oder Freund:innen das bereits machen. Ich kannte eine Person, die an einer anderen Uni HoPo macht, so habe ich davon erfahren, dass es HoPo überhaupt gibt. Wenn man als Studi zum Beispiel Studienordnungen durcharbeitet und feststellt: Das und das funktioniert nicht, dafür bleibt zu wenig Zeit – also Dinge, die den Studis schaden oder die Studierbarkeit beeinflussen würden –, kann man da noch mitreden und eben auch sagen, dass das so nicht in Ordnung ist. Das ist eigentlich mein Einstieg gewesen, weil ich es sehr interessant fand, mich mit den ganzen Studienordnungen zu beschäftigen. Dann bin ich irgendwann zum StuPa gekommen und so eben auch zur Rosa Liste, auch weil es eine queere Liste mit Selbstvertretungsanspruch ist.

Viktoria: Das bedeutet, wir repräsentieren die Perspektive von Betroffenen, in diesem Fall die queerer Menschen, und gehen die Probleme aus dieser Blickrichtung an. Wir haben zwar keinen Fragebogen, um sicherzugehen, dass nur queere Personen sich bei uns engagieren, aber wir gehen einfach mal davon aus, weil sich das durch unseren Fokus meistens so ergibt. 

Viele wissen also gar nicht von eurer Arbeit und ihr seid selber nur über eure Freund:innen dazugekommen. Was wollt ihr tun, damit sich mehr Studis für die HoPo interessieren?

Leonard: Darauf hinweisen, dass es sinnvoll wäre, wenn Studis überhaupt von der Hochschulpolitik und ihren Strukturen wissen. Viele wissen nur: Es gibt da irgendwie den AStA, der macht irgendwas Politisches, irgendwelche Vorträge zum Beispiel, und es gibt noch das Präsidium und die Profs entscheiden dann über einen oder so. Viele Studis kennen ihr eigenes Mitspracherecht nicht. Sie könnten theoretisch zum höchsten Gremium gehen und dort ihr Mitspracherecht einfordern und das Uni-Leben aktiv mitgestalten. 

Viktoria: Es ist ein strukturelles Problem, ein großer Teil der Studierenden interessiert sich nicht für HoPo, weil es für die meisten egal ist, was nach den drei Jahren, die sie im Durchschnitt hier für ihr Studium verbringen, passiert. 

Leonard: Diese Forderungen brauchen auch Zeit. Es kann gerne mal 1-3 Jahre dauern, bis so ein Antrag durchkommt. Wenn ich mich dafür in meiner Studiumszeit einsetze, dann habe ich ja wahrscheinlich selbst davon nichts. Diese individualistische Perspektive, die viele einnehmen, macht es nochmal schwieriger, Interesse aufzubauen. Bürokratie halt …

Viktoria: Es braucht eigentlich immer eine Vermittlungsinstanz. Personen, die davon erzählen. Ja, gut, es wird in der Einführungswoche beiläufig erwähnt, aber zwischen 1000 anderen Infos. Dazu kommt dann noch der Stress des Studiums selbst, was das Interesse zusätzlich einschränkt. Motivation könnte über aktive AStA-Veranstaltungen aufgebaut werden, um diese grundsätzliche Unbetroffenheit, die viele fühlen, aufzugreifen. Wir haben zum Beispiel heute den Wahlauftakt an der Mensa begleitet und da gab es sehr viele Leute, die gesagt haben, dass sie gar nichts von der Wahl wussten oder dass sie das nicht interessiert. Eben nach dem Motto: „Ich hab‘ damit in drei Jahren eh nichts mehr zu tun.“ Es ist eine Mischung: Es gibt Menschen, die hätten vielleicht Lust, erfahren davon aber nie und dann gibt es Leute, die wissen vielleicht davon, haben aber keinen Bock. Wir versuchen, erstere zu erreichen.

Leonard: Das auch über unterschiedliche Kanäle: Die Rosa Liste hat auch einen Insta-Account. Wenn es dann mal Veranstaltungen gibt, wie Filmabende, das ist dann auch etwas, wo man mit Studis in Kontakt kommt und dann erfahren sie so von uns. Wenn man versucht, Leuten zu erklären: HoPo ist cool – vielleicht nicht unbedingt cool, aber interessant – dann hören einem nur die Leute zu, die das sowieso schon denken.

Könnt ihr uns das nochmal auf den Punkt bringen: 3 Gründe, warum das HoPo sexy ist?

Viktoria: Interessante Wortwahl. Zum einen ist es eben ein sehr wirksames Mittel, um eigene Forderungen, Störpunkte an der Uni schnell oder überhaupt an die Universität selbst zu bringen und sie als solche zu markieren. Manche Sachen gehen dabei schneller als andere. Letztes Jahr gab es zum Beispiel einen Antrag dafür, die Pride-Flag für den Pride Month aufzustellen, der ging relativ schnell durch. Der Antrag dafür, bei der Immatrikulation mehr Angabemöglichkeiten zur eigenen, geschlechtlichen Identität zu bieten, läuft dagegen immer noch. 

Leonard: Die HoPo bietet auch eine schnelle Platform, auf der überhaupt politische Arbeit stattfinden kann, zum Beispiel über Referate im AStA. Wenn man vom StuPa gewählt wird, bekommt man eine Aufwandsentschädigung, das ist auch eine gewisse Wertschätzung der Arbeit. Über den AStA können außerdem Gelder beantragt werden, um Veranstaltungen, wie zum Beispiel Vorträge, zu organisieren. Auch so kann ein breiteres Bewusstsein für die Probleme geschaffen werden. 

Größte Projekte für das Semester?

Viktoria: Ein wichtiges Projekt ist der Ausbau der 40 All-Gender-Toiletten, wobei es nicht wirklich 40 sind, da die Uni sich da beim Bau Freiräume erlaubt und etwas halbherzig vorgeht. Online kann man einsehen, dass sich auf den Lahnbergen eine befinden soll, dann steht man aber vor Ort vor einer „Herren und Damen“-Toilette, die innen nochmal binär aufgeteilt ist. Das ist natürlich nicht der Sinn dahinter. Häufig sind diese Toiletten auch sehr dezentral gelegen, was auch verwirrend ist. Warum baut man sie nicht einfach in der Nähe des Foyers? 

Leonard: Wichtig wäre es auch, die Freiräume der Studis an der Uni auszubauen. Freiräume im Sinne von: An anderen Unis gibt es z.B. ein Café vom AStA oder generell ein Gebäude, das nicht nur aus Büros besteht. Ich weiß nicht, ob unser AStA unbedingt ein Café braucht oder ob es Leute gäbe, die das machen würden, aber allein, dass es da mal einen studentischen Ort gäbe, dass man Ruhemöglichkeiten hätte. Klar gibt es die Bib, aber wenn man beispielsweise im Hörsaalgebäude ist, kann man sich nur ins Foyer setzen, wo es laut ist und man sich nicht zwischen den Vorlesungen zurückziehen kann.  Es ist zwar schwierig, solche Bauprojekte umzusetzen, aber es ist dennoch wichtig und lohnenswert.

Viktoria: Generell sind wir immer dafür da, uns gegen Diskriminierung an der Uni einzusetzen, indem wir unter anderem auf immer noch vorherrschende, binäre Gender-Stereotype auf Folien aufmerksam machen, die von manchen Profs immer noch verwendet werden. Dann geht es darum mit der betroffenen Person zu reden, Forderungen zu stellen, sich an das Präsidium zu wenden. Es ist wichtig, dass die Uni generell ein freundlicherer Ort für Menschen wird. Dabei ist unsere Rolle als Liste, durch die Darlegung von Lösungsstrategien dabei zu helfen, dass die Uni auch die queere Perspektive berücksichtigt, da die Uni sonst nicht an diese Perspektive herankommt. Die Zusammenarbeit funktioniert da auch gut. 

Welcher Studiengang oder welche Studienrichtung ist bei euch am meisten vertreten?

Leonard: Wir haben tatsächlich nicht eine bestimmte Studienrichtung, wir sind da relativ divers. Zwei studieren Informatik, das ist dann aber auch schon der meistvertretene Studiengang.

Viktoria: Aktiv sind wir nur neun Personen, die stehen auch alle auf der Liste.

Leonard: Die werden wir aber nicht alle ins StuPa kriegen.

Viktoria: Maximal die Hälfte gewählt zu bekommen, wäre gut. Dann haben wir auch genug Nachrücker:innen. In dieser Legislatur ist zum Beispiel eine Person aufgrund einer Exmatrikulation ausgefallen.

Leonard: Wenn fünf ins StuPa kommen wäre das schon gut. Auch weil es den Druck rausnimmt, wenn es noch Leute gibt, die nachrücken können, weil wir ja auch parallel noch studieren und so weiter.

Viktoria: Tatsächlich wurde das StuPa neulich verkleinert, von 41 auf 31 Personen. Das waren vorher einfach zu viele und es hilft den Listen dabei, Nachrücker:innen zu haben.

Und wer sollte euch nicht wählen?

Viktoria: Es können uns gerne alle wählen. Wir freuen uns über die Stimmen. Ideologisch möchten wir uns abgrenzen von allen rechten, genderkritischen TERFs. 

Leonard: Und Burschenschaften nicht. Sie können uns gerne wählen, aber wir werden ihre Interessen nicht vertreten. 

Wollt ihr sonst noch etwas loswerden? 

Viktoria: Wir fordern, dass Clubmate wieder in der Mensa erhältlich ist. (lacht)

Weitere Informationen zur Hochschulwahl findet ihr hier: 

Wahlzeitung des Wahlausschusses

Wahlwebseite des AStA und der FSK

Die Rosa Liste Marburg bezeichnet sich selbst als „queere Liste“ und ist politisch links ausgerichtet. Mit acht Listenmitgliedern (die sich vorwiegend und unter anderem als queer identifizieren) wollen sie sich für Diversität, Toleranz und Akzeptanz einsetzen und verschreiben sich dem Kampf gegen Diskriminierung, Rassismus, Faschismus und Kapitalismus.
Die Rosa Liste hat sich für die Arbeit im Stupa viele Ziele vorgenommen. Dazu gehören zum Beispiel der Ausbau von geschlechtsneutralen Toiletten, kostenloser ÖPNV mit Erhalt des Semestertickets (statt 49 € Ticket), Barrierefreiheit in Unigebäuden und Lehre, bessere Busanbindung und bessere (Mensa-)Verpflegung auf den Lahnbergen sowie bezahlbarer Wohnraum in Marburg. Auch möchte sie eine weniger strenge BAföG-Regelung, den Ausbau von (queeren) Safe Spaces und die Aufnahme von diverseren Themen in Forschung und Lehre durchbringen. 

– Diese Informationen gehen aus dem Wahlprogramm und eigenen Aussagen der Hochschulgruppe hervor. es wurde nicht überprüft, inwiefern diese Bestreben tatsächlich umgesetzt werden.

studiert im Master 'Soziologie' und 'Literaturvermittlung in den Medien'. Seit 2022 in der Redaktion sowie im Lektorat aktiv und seit Januar 2023 Chefredaktion von PHILIPP.

ist 2000 nahe Zürich geboren. Studiert Literaturvermittlung in den Medien. Bei PHILIPP seit Januar 2023 aktiv und seit April 2023 Chefredakteurin. Schreibt am liebsten Protokolle und FSK-Berichte.

ist seit Mitte Februar 2023 Redaktionsmitglied. Studiert Literaturvermittlung in den Medien. Hat den Film "Babylon" acht Mal im Kino gesehen. 23 Jahre alt.

ist 23 Jahre alt und studiert Literaturvermittlung in den Medien, sieht sich selbst aber immernoch als Anglistin. Sie weiß nichts über vieles, aber alles über Jane Austen.

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