Sneak-Review #226: Akropolis Bonjour – Monsieur Thierry macht Urlaub
Valentinstag, Pärchen strömen Arm in Arm in die Kinosäle, Liebe liegt in der Luft. Wenn sich Liebe jedoch auch nur ansatzweise so anfühlt, wie sie in Akropolis Bonjour – Monsieur Thierry macht Urlaub gezeigt wird, sollte man sie am besten nicht einatmen. Der Film erzählt die Geschichte des ordnungs- und buchhaltungsliebenden Vaters Thierry (Jacques Gamblin), der durch die gezielte Nachstellung eines vergangenen Griechenlandurlaubs sowohl seine Familie näher zusammenbringen als auch seine Frau Claire (Pascale Arbillot) davon überzeugen möchte, sich doch nicht von ihm scheiden zu lassen. Fotos von damals, die Thierry als selbsternannter Familienarchivar alle noch aufbewahrt, dienen ihm dazu, die genauen Momente zu re-inszenieren. Das (Noch-)Ehepaar, Sohn Antoine (Pablo Pauly) und Tochter Karine (Agnès Hurstel) fliegen also, nach einiger Überzeugungsarbeit des Vaters, bei der auch Geldscheine die Hand wechseln, von Paris nach Athen, weil sie bereits vor genau zwanzig Jahren von Paris nach Athen geflogen sind.
Griechischer Weinbrand
Bereits nach den ersten zehn Minuten wird deutlich, was der Film mit diesem Handlungsanfang sagen möchte. Thierry klammert sich zu sehr an die Vergangenheit und hofft, durch eine möglichst präzise Imitation derselben, alle seine derzeitigen Probleme lösen zu können. Kein weiteres Wort muss für die Beschreibung des Haupthandlungsstrangs verwendet werden, um zu wissen, wohin ihn diese Weltsicht am Ende führen wird. Wie ein sich unbemerkt verbreitendes Gas verteilt sich diese Oberflächlichkeit über den gesamten Film. Die Figuren durchlaufen keine konsequente Entwicklung, der Film missversteht vielmehr Entwicklung als bloße Zustandsänderung. Warum möchte die hart arbeitende Rechtsanwaltstochter in Griechenland nur feiern? Weil sie sonst nur arbeitet. Warum möchte der tollpatschige, faule Sohn sich doch irgendwann intensiver mit seiner Arbeit auseinandersetzen? Weil er sonst nur tollpatschig und faul wäre. So besteht das Menschenbild dieses Films lediglich daraus, dass alle immer nur das Gegenteil von dem wollen, was sie gerade tun.
Passend zum Valentinstag möchte Akropolis Bonjour eine romantische Urlaubskomödie sein. Das gelingt, insoweit es auch dem trojanischen Pferd gelungen ist, wie ein echtes Pferd zu galoppieren. Aber man sollte bloß nicht in das Innere schauen: Der französische Regisseur und Drehbuchautor François Uzan, der eher in seiner Funktion als Drehbuchautor unter anderem von der Netflix-Serie Lupin bekannt ist, hat fleißig alle auffindbaren Rom-Com-Klischees in diesem Film versammelt. Still und unbemerkt warten sie an jeder Ecke des Films, um dann über die Zuschauer:innen herfallen zu können. Hier zwei Beispiele, die ich im Eifer des Gefechts genauer ausmachen konnte: Die Reproduktion des frauenverachtenden Klischees, dass das „Nein“ einer Frau, in diesem Fall von Claire, natürlich nicht „Nein“ bedeutet, sondern „Du hast mich einfach nur noch nicht überzeugt, streng dich mehr an!“. Wie König Menelaos bei Helena von Troja, geht es Thierry darum, Claire „zurückzuerobern“ (der Film verwendet tatsächlich genau dieses Wort). Schön. Entweder so, scheint der Film vorschlagen zu wollen, kann Liebe aussehen oder so: Ein Nebenstrang des Filmes befasst sich damit, dass sich der 32-jährige Sohn Antoine in ein minderjähriges Mädchen verliebt. Dieser Strang wird mit einer versucht humoristischen Beiläufigkeit erzählt, die die eigentliche Problematik völlig verkennt. Man fragt sich, ob es für den eigentlichen Witz vielleicht doch keinen Platz mehr im Pferd gab.
Antikes Kasperletheater
Von Regiearbeit zu sprechen impliziert, dass dem ein Arbeitsprozess voranging, der nun zu einem Ergebnis geführt hat, das ästhetisch eigene Akzente setzt. Doch das würde hier leider zu weit gehen. Bei diesem Film wurde keine Regie geführt, es wurde lediglich ein Drehbuch so verfilmt, dass das Endprodukt in seiner oberflächlichen Zusammensetzung noch als Film erkennbar ist. Es finden keine Spielereien mit der Form oder dem Genre statt, die Kamera wird dort platziert, wo auch die Schauspieler:innen stehen, wo soll sie denn sonst hin? Schnitte werden so gesetzt, dass die Zuschauenden erkennen können, wer gerade spricht, die Szenen sind so ausgeleuchtet, dass klar wird, auf welchem Planeten wir uns befinden und die auf der Leinwand agierenden Wesen als Menschen erkennbar werden – seit einigen Jahren auf der Erde wandelnde Aliens hätten das bestimmt genauso hingekriegt. Entgegen den überraschend zahlreichen positiven Sneak-Bewertungen, die der Film erhalten hat, hat Akropolis Bonjour eine so dünne Präsenz, dass man zuweilen vergisst, dass es sich um einen Film handelt. Vielmehr erinnern die vielen überbelichteten Broschürenbilder der griechischen Küste, die als Ersatz für eine eigene visuelle Identität herhalten sollen, an Werbevideos, die auf kleinen Flugzeugfernsehern während des Boarding-Prozesses laufen.
Dieser Film kann niemandem gespoilert werden, weil das Spannung und Wendungen voraussetzen würde, an denen der Film selbst nicht interessiert ist. Es gibt keine Momente der Ruhe, der Reflexion oder Dialoge, die die Figuren erweitern würden. Alle Figuren sind in dem jeweiligen Kostüm ihres Stereotyps gefangen und bewegen sich ungelenk durch das Bild. Fast meint man, die Fäden, an denen diese Marionetten hängen, greifen zu können, um mit einem Ruck alles zum Einsturz zu bringen. Von seinen eigenen Witzen scheinbar peinlich berührt, sprintet der Film von Szene zu Szene, um auch möglichst schnell vorbei zu sein. Schließlich hebt das Flugzeug gleich ab.
Akropolis Bonjour – Monsieur Thierry macht Urlaub kommt am 16. Februar 2023 in die deutschen Kinos.
ist seit Mitte Februar 2023 Redaktionsmitglied. Studiert Literaturvermittlung in den Medien. Hat den Film "Babylon" acht Mal im Kino gesehen. 25 Jahre alt. Liebt schiefe Vergleiche.