Sneak-Review #231: The Pope’s Exorcist

Sneak-Review #231: The Pope’s Exorcist

Ja, der Teufel existiert und seine Lieblingssprache ist Deutsch. Zumindest wenn es nach dem Film der Sneak des guten GeschmacksThe Pope’s Exorcist, geht, obwohl diese Verbindung jeder Person einleuchten könnte, die schonmal versucht hat, das kantige und klobige Material der deutschen Sprache in eine halbwegs verständliche Reihenfolge zu pressen. Deutschsprechen ist, so erklärt es der italienische oberste Exorzist des Vatikans Gabriele Amorth (Russel Crowe) in der den Film eröffnenden Exorzismus-Szene, ein sehr gutes Anzeichen für Dämonenbesessenheit. Der dementsprechend im Gegensatz zum Italienisch der anderen Anwesenden deutschsprechende Dämon wird exorziert, indem seine Seele in ein Schwein übergeht, das dann prompt erschossen wird, was als mögliche Pointe dieser Sprachparallele zur Kenntnis genommen werden kann. 

Am Anfang war der Tatort

Beim Exorzieren geht es jedoch nicht immer um die deutsche Sprache, sondern manchmal auch um die italienische. Der Film basiert nämlich auf den Büchern des realen und 2016 verstorbenen Exorzisten Gabriele Amorth, der tatsächlich für den Vatikan tätig war und Dämonen austrieb. Wie weit sich hier die Freiheit erstreckt, die beim Adaptationsprozess gewirkt hat, ist zunächst unklar. Genre-Konventionen, wie sie auch bei der ebenfalls auf vermeintlich wahren Geschichten basierenden The Conjuring-Reihe vorliegen, legen jedoch nahe, dass einiges gedehnt und zwecks einer stärkeren Gruselwirkung überhöht wurde. Interessant ist dabei, dass genau diese Muster in The Pope’s Exorcist verdichtet werden und demnach die exemplarische, nebulöse Stellung zwischen Fakt und Fiktion exemplifizieren, die viele Exorzismus-Filme bestimmt. Ob die Existenz Gottes und die von Dämonen nun als fiktional angesehen wird oder nicht, ist doch die faktische Existenz von Gläubigern unwiderlegbar. Die Welt dieser Filme speist sich aus dieser paradoxen Verbindung. 

Aber genug von Buchstaben, machen wir uns ein Bild: Die Geschichte Amorths wird mit der einer Familie parallelisiert. Nach dem tragischen Tod des Vaters in einem Autounfall, zieht Julia (Alex Essoe) mit ihrer jugendlichen Tochter Amy (Laurel Marsden) und ihrem jungen Sohn Henry (Peter DeSouza-Feighoney) vorübergehend in eine Abtei im spanischen Kastilien. Diese heruntergekommene Abtei ist das Einzige, was der Vater seiner in finanziellen Schwierigkeiten steckenden Familie hinterlassen hat. Julia hofft nun durch eine Renovierung diese Abtei verkaufen zu können. Der Tod des Vaters hat die Familie zersplittert. Henry, der bei besagtem Autounfall mit im Auto saß, spricht seitdem nicht mehr. Amy geht mit dem Verlust rebellischer um und wendet sich, wo sie nur kann gegen ihre Mutter. Als Henry jedoch eines Tages plötzlich zu einer ihm nicht eigenen Sprache findet, steht der Verdacht einer Dämonenpräsenz im Raum. Nachdem sich herausstellt, dass der junge, die Abtei bewachende Priester Esquibel (Daniel Zovatto) zu unerfahren ist, um mit ihr umgehen zu können, macht sich Amorth auf den Weg. 

Mit dem kleinen Latinum gegen den König der Hölle

Exorzisten stellen in solchen Filmen eine Spielform des Detektivs dar, nur mit einer religiösen Ausstattung und einem anderen Verhaltenskodex. So wird auch bei Pater Amorth von „Fällen“ gesprochen und Dämonen werden mit zuweilen an Sherlock Holmes erinnernden Fragetechniken „verhört“. Der durch den Detektiv enthüllte Einblick in die Korruption der Gesellschaft durch das Lösen individueller Fälle wird dabei durch den übernatürlichen Konflikt zwischen Gut und Böse, Vergebung und Sünde ersetzt. Statt einer Waffe wird im Kampf gegen Dämonen eine lateinische Bibel hervorgezückt. In The Pope’s Exorcist wird dieser Kampf ins Innere des Menschen versetzt, Dämonen werden zu Symbolen der persönlichen Fehltritte aller Figuren. So verwendet beispielsweise der besessene Henry Amorths vergangene Missetaten gegen ihn, wenn er ihn mit seiner Vergangenheit als Partisan im Zweiten Weltkrieg konfrontiert.

Die Rolle des Dämons ist in diesem Film jedoch unausgegoren, weil sie zu überladen ist, gleichzeitig aber auch in keinem ihrer Kontexte wirklich funktioniert. Henry wird am Anfang des Films zu einem Arzt gebracht, der sein ungewöhnliches Verhalten als Konsequenz des kürzlichen Todes seines Vaters diagnostiziert. Der Arzt verschreibt ihm Medikamente gegen eine psychische Krankheit, wodurch die eigentliche Besessenheit Henrys symbolisch mit einem Trauma gleichgesetzt wird. Diese subtile Gleichsetzung führt jedoch zu einer missverständlichen Externalisierung mentaler Krankheiten, die diese als rein übernatürliche Phänomene versteht, die nur durch den Glauben wirklich geheilt werden können. Damit wäre außerdem ein tiefergehendes Problem des Films angesprochen, das auch auf viele seiner Genre-Vertreter anwendbar ist. Solche Filme enden eigentlich immer mit einer reproduktiven Geste der Glaubensbestärkung. Wenn viele Filmgänger:innen das Gute siegen sehen wollen, bedeutet das in diesem Kontext letztendlich den Sieg des Glaubens über die Mächte des Bösen und damit auch die unkritische, einseitige Bestätigung eines Glaubenssystems, das nicht weiter reflektiert wird. 

The Pope’s Exorcist ist keineswegs ein Versuch, den christlichen Glauben zu verbreiten, zumal viele dieser Aspekte so in unserer Kultur und damit auch Filmen dieser Art eingebrannt sind, dass sie nur noch als Dekoration oder Stilentscheidung gelesen werden, obwohl sie das Fundament der Handlung bilden. Die Tatsache, dass diese religiösen Rahmungen sowohl unreflektiert reproduziert als auch konsumiert wird, wird vielmehr zu einem Teil des „Trash“-Faktors. In der Inszenierung des Regisseurs Julius Avery wiederum sind nur leichte „Trash“-Akzente enthalten, mal spritzt etwas Blut, mal wird jemand gegen die Wand geworfen. Konventionell gefilmte Dialogszenen wechseln sich mit dynamisch gedrehten Horror-Sequenzen ab, die zwar wirken, aber auch nicht mehr erreichen, weil sie dafür nicht ausgefallen genug sind. In seinem Rhythmus aus Momenten der Ruhe und des Horrors, erinnert der Film eher an eine Spukhaus-Attraktion, da weder das Drehbuch noch die Inszenierung gut genug ist, um diese disparaten Einheiten aneinander zu binden.   

Das am ehesten als „Trash“ identifizierbare Element des Films ist die Figur Gabriele Amorth selbst. Russell Crowe spielt ihn nicht nur als einfühlsamen, stolzen Geistlichen, sondern auch als Whiskey-trinkenden Entertainer, der dem Film humoristische Momente verleiht, die wiederum seine religiöseren Horror-Szenen ausgleichen. Die Mischung dieser beiden Elemente ist dennoch nicht vollends gelungen. Trotz seines Unterhaltungsfaktors, stagniert der Film in der zweiten Hälfte, weil es ihm schwerfällt, seinen Kernkonflikt um den Ursprung des Henry-Dämons und dessen Exorzismus weiter eskalieren zu lassen. Ganz so, als ob der Detektiv die Lösung bereits gefunden hätte, aber dennoch vorgibt, den Tatort weiter zu inspizieren, um mehr Arbeitsstunden anzusammeln. Sich einen Exorzisten ins Haus zu holen, bedeutet in letzter Konsequenz, nach seiner erfolgreichen Arbeit, auch von allen guten Geistern verlassen zu sein.

The Pope’s Exorcist wurde zu 73% positiv und zu 27% negativ bewertet.

(Lektoriert von let und hab.)

ist seit Mitte Februar 2023 Redaktionsmitglied. Studiert Literaturvermittlung in den Medien. Hat den Film "Babylon" acht Mal im Kino gesehen. 25 Jahre alt. Liebt schiefe Vergleiche.

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