Sneak-Review #232: Die Drei Musketiere: D’Artagnan

Sneak-Review #232: Die Drei Musketiere: D’Artagnan

Filme, die mit dem Einblenden von einigen Textabsätzen beginnen, erinnern immer etwas an fristgerecht abgegebene Hausaufgaben. In Ermangelung einer eleganteren visuellen Lösung, wird die erwartete Leistung zunächst schriftlich kommuniziert, um die wichtigsten Ereignisse zu etablieren. So auch in Die Drei Musketiere: D’Artagnan. Eine neue Adaptation des berühmten Romans von Alexandre Dumas darstellend, erhalten wir in den eröffnenden Geschichtsbuchpassagen die grobe Rahmung der Handlung: Im Jahr 1627 ist Paris von Spannungen zwischen den protestantischen und den katholischen Bewohnern durchsetzt. König Louis XIII. (Louis Garrel), der sich in seiner erhabenen Position nicht recht wohlfühlt, möchte diese Unruhen lieber aussitzen, statt zu handeln. Innerhalb dieses übergeordneten Konflikts treffen wir auf den armen, aber talentierten Bauernsohn D’Artagnan (François Civil), der unbedingt den Musketieren beitreten will, um als Teil dieser Gruppe bürgerlicher Ritter dem König zu dienen. Die individuelle Geschichte des Aufsteigers D’Artagnan wird vor dem Hintergrund der übergreifenden religiösen Feindseligkeiten in Paris erzählt. 

Alle für einen und einer wie alle

Der etwas trocken anmutende Erzählton des Films hält sich über weite Strecken, erlaubt es jedoch, ihn noch präziser zu kategorisieren. Obwohl ein bekannter Roman als Vorlage diente, ist Die Drei Musketiere: D’Artagnan nicht mehr als ein weiteres Exemplar des kurzweiligen, historischen Spannungskinos. Die Handlungsstränge solcher Filme unterscheiden sich selten: Intrigen, geplante Revolutionen, verbotene und politisch forcierte Liebschaften im Korsett einer Standesordnung, in der ewig gleich schimmernde, opulente Königssäle von den ewig gleich beschmutzten Handelsstraßen getrennt werden. Der Film bricht weder aus diesem Darstellungsmuster aus, noch spielt er mit seinem Setting.  Diese Version des 17. Jahrhunderts wird vielmehr mit einer gleichförmigen und fast schon nebensächlich wirkenden Kreativitätslosigkeit umgesetzt. Sie ist eher ein Zeugnis dafür, dass sich visuell längst eine kollektive Vorstellung von dieser Zeit herausgebildet hat, die hier variationslos bedient wird.  

Eine ähnliche Mittelmäßigkeit strahlt aus jeder Figur heraus. Sie verkommen fast schon zu einem Teil der historischen Staffage. Die Könige, Grafen und Königinnen werden eher zu halbgeformten Symbolen, sie sind mehr wandelnde Adelstitel als interessante Figuren. Eine Schicht weiter unten findet sich schon mehr Menschliches. Aber auch das nur als Performance einiger weniger Eigenschaften, die jedem der Hauptmusketiere zugeschrieben werden. Der melancholische Graf Athos (Vincent Cassel), der draufgängerische Aramis (Romain Duris), der sexuell offene Porthos (Pio Marmaï) und schließlich der mutige D’Artagnan. Sie bilden eine Gruppe menschgewordener Charakterzüge, die gut genug ausgearbeitet sind, um die Zuschauenden durch die Laufzeit zu bringen, danach aber schnell vergessen werden. 

Titel wie der Rauch abgeschossener Musketen

Doch was genau bedeutet dieser Titel des Musketiers hier eigentlich? Dem Filmtitel nach zu urteilen, beschreibt er nichts Abgeschlossenes. Die Drei Musketiere: D’Artagnan deutet darauf hin, dass es sich hierbei um den ersten Teil einer Filmreihe handelt. Der Zahl der Romanvorlage zum Trotz, ist aber keine Tri-, sondern eine Dilogie geplant. Der zweite Teil soll sich auf die bereits hier präsente Figur Milady (Eva Green) fokussieren, die als trickreiche Verführerin zwischen den Fronten agiert. Woher aber überhaupt die Notwendigkeit dieser Zweiteilung, besonders bei einem Stoff, der bereits zahlreiche Male adaptiert wurde? Eine Möglichkeit wäre es, diese Entscheidung als Symptom eines übergeordneten Trends anzusehen, der die Filmbranche bereits seit Jahren begleitet. Demnach wird der Modus eines eher an Serien angelegten Erzählens verfolgt, bei dem jeder Film so gestaltet wird, dass einige wenige Handlungsstränge zwar gelöst, aber viele mehr für den nächsten Teil angedeutet werden. Das Kino des ewigen Vorgeschmacks: Nichts darf zu Ende erzählt werden, ohne das Versprechen, dass jenes Ende eigentlich nur ein neuer Anfang ist. Warum sich als Filmstudio mit den Einnahmen eines einzelnen Filmes begnügen, wenn dieser potenzielle Erfolg über zwei Filme gestreckt werden kann? Dafür büßt dieser Film einen Teil seiner Identität ein, da er sich nie vollends auf das Erzählen konzentrieren kann, sondern gleichzeitig immer den nächsten Film vorbereiten muss. 

Regisseur Martin Bourboulon schafft es dennoch, dem Film zumindest einen Funken an visueller Identität zu verleihen. Der bisher eher an Liebesfilmen und Komödien erprobte Regisseur, balanciert die beiden Welten, in denen sich D’Artagnan bewegt, inszenatorisch. Die Eleganz und vermeintliche Stabilität des Adels werden mit ruhigen, stabilen Einstellungen unterstrichen. Außerhalb der königlichen Wände wird das Leben in wackligen Nahaufnahmen eingefangen. So effektiv diese Aufteilung sein kann, so konventionell und oberflächlich ist sie in diesem Fall auch, weil sie sich nicht mit der Handlung weiterentwickelt. Lediglich die Action-Szenen bieten zunächst Abwechslung innerhalb dieser strengen Dualität. Bourboulon greift darin häufig zu langen, ungeschnittenen Kamerafahrten, die die Degen und Musketen der Kämpfenden aus nächster Nähe einfangen, gleichzeitig, aber auch nahtlos von Figur zu Figur schwenken. Dadurch entsteht ein Gefühl von Epik, von geordnetem Chaos, das die Action zwar immersiv werden lässt, nach dem dritten Mal aber nicht mehr funktioniert, weil es zu repetitiv und starr wird. Trotz seines rasanten Erzähltempos und seines Unterhaltungswerts gelingt es dem Film letztendlich nicht, von seiner eigenen Kurzlebigkeit abzulenken.  

Die Drei Musketiere: D’Artagnan wurde zu 83% positiv und zu 17% negativ bewertet.

(Lektoriert von hab und let.)

ist seit Mitte Februar 2023 Redaktionsmitglied. Studiert Literaturvermittlung in den Medien. Hat den Film "Babylon" acht Mal im Kino gesehen. 25 Jahre alt. Liebt schiefe Vergleiche.

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