RCDS: Mit „christlich-konservativen“ Werten ins StuPa?

RCDS: Mit „christlich-konservativen“ Werten ins StuPa?

Foto: Leonie Theiding & Birte Winkler

Vom 14. bis 27. Juni ist Hochschulwahl! PHILIPP hat mit den Hochschulgruppen gesprochen, denen ihr eure Stimme geben könnt. Wir wollen euch hiermit zeigen, welche Vielfalt an Gruppen im StuPa und in anderen Gremien vertreten ist und euch so dabei unterstützen, eine fundierte Wahl zu treffen. Heute stellen wir euch den RCDS vor, von dem wir uns inhaltlich abgrenzen (s. Hinweis unten).

Wer seid ihr?

Maximilian Müller (rechts im Bild), 19 Jahre, Listenplatz 2, studiert Jura

Christian Hellmann (links im Bild), 20 J., Listenplatz 1, studiert Jura

Wenn das Stupa ein Filmgenre wäre, welches wäre das?

Christian: Comedy und Drama oder Krimi – das schwankt immer. Aber eigentlich eher Drama, weil sich immer zwei Fronten bilden. Dann werden sehr viele Änderungsanträge gestellt. Oftmals auch kleinere Sachen, wenn zum Beispiel Kommata diskutiert werden. Wir nehmen das dann mit Humor.

Maximilian: Als Opposition können wir natürlich auch vom Horror-Genre reden. Wir können ja nicht so viel umsetzen, müssen vieles über uns ergehen lassen. Obwohl… vielleicht passt die Sitcom besser. Einmal ging es um eine Personenwahl, die geheim gewählt wird, und normalerweise muss man allen die leere Wahlurne zeigen. Als das einmal nicht gemacht wurde, haben wir uns aus Spaß beschwert, sodass die Wahl wiederholt werden musste. Seitdem wird vor jeder Wahl die leere Wahlurne in Richtung Christian gezeigt. Wir nehmen auch das mit Humor, wir sind halt nicht der Bundestag.

Warum tut ihr euch Hochschulpolitik (HoPo) mit all ihren Nachtsitzungen und zähen Diskussionen an?

Maximilian: Selbstmaterung. (lacht) Nein, das war ein Witz. Alles zu verstehen, was da vorgeht, bringt Spaß: Hitzige Debatten, sich politisch austauschen und außerdem sind die Beschlüsse ja nicht ganz unwichtig. Wir leisten etwas. Einen besonderen Antrag gab es einmal im StuPa, als verhindert werden sollte, dass ein Student der Zahnmedizin aufgrund von seiner HIV-Erkrankung von den Präsenzveranstaltungen ausgeschlossen werden sollte. Hier war sich das ganze Parlament einig und das fühlt sich gut an.

Christian: Ich möchte mich nicht immer nur beschweren, sondern aktiv daran arbeiten, mich für die Belange von Studierenden einzusetzen und etwas zu verändern, deswegen mache ich HoPo.

Könnt ihr uns das nochmal auf den Punkt bringen: 3 Gründe, warum HoPo sexy ist?

Maximilian: Der politische Austausch erstens. Die Verantwortung dafür, was an der Uni vor geht, ist das zweite. Man kann mitwirken, mitgestalten und ist beteiligt. Und das Dritte ist, dass wir auch mal politische Abläufe erleben können. Auch wenn es ‚nur‘ ein Hochschulparlament ist, ist es ein Parlament.

Christian: Weil man etwas verändern kann, weil es Freude macht und weil man in Debatten geht. Man kommt dadurch einfach aus seiner eigenen Blase heraus.

Wenn ihr von heute auf morgen in der Marburger HoPo etwas ändern könntet, was wäre das?

Christian: Also das Netzwerken zum Beispiel. Das Alumni-Netzwerk liegt mir am Herzen. Aber auch Angebote im AStA, wie zum Beispiel ein Büchermarkt, um Lehrbücher weiterzuverkaufen. Oder eine Wohnungsbörse, sodass die Studierenden eine bessere Chance haben, an bezahlbaren Wohnraum zu kommen. Also konkrete Veränderungen, die den Studienalltag erleichtern. Das haben wir auch alles in unserem Wahlprogramm. 

Maximilian: Das man sich als Studierendenschaft mehr einig ist, dass wir das Studium für die Studierenden besser machen können. Das Studium soll ja in den Beruf führen. Und es gibt trotzdem nicht so viele Überschneidungen zwischen Studium und Beruf. Das wollen wir ändern. Jura als Beispiel: Wir sind sehr theoretisch. Da braucht es mehr Verbindung zu den einzelnen Berufen. Da könnten wir uns alle gemeinsam dafür einsetzen, dass wir Verbindungen zu Kanzleien und Unternehmen schaffen. Wenn wir jetzt zum 100. Mal wissenschaftlich ausarbeiten, wie die Nazi-Zeit sich auf die Uni Marburg ausgewirkt hat, dann bringt das vielleicht nicht so viel.

Viele wissen gar nicht von eurer Arbeit. Was wollt ihr tun, damit sich mehr Studis für die HoPo interessieren?

Christian: Wir müssen uns inhaltlich mehr an die realen Probleme der Studierenden richten, herausfinden, was die eigentlichen Interessen der Studierenden sind. Zum Beispiel nicht nur die 10% anschauen, die zur Wahl gehen, sondern auch die anderen 90% beachten. Als es beispielsweise um die Hörsaalbesetzung ging: da habe ich von vielen Studierenden – auch über Social Media – mitbekommen, dass viele das nicht gut fanden. Trotzdem hat der SDS seinen eigenen Antrag durchgesetzt (verpflichtendes Seminar zum Thema Klimagerechtigkeit für alle). Von den 10% vertreten viele die Meinung des SDS, obwohl mehr Studierende der Uni nicht deren Meinung vertreten. Der SDS kriegt seine Leute zum Wählen. Das kriegen wir zum Beispiel nicht hin.

Mehr Wahlwerbung wäre dafür eine Lösung. Social Media-Werbung wäre eine meiner Ideen. Oder euch mehr fördern. Das ist eine gute Sache. Ihr seid so das einzige Medium für Marburger Studierende. Wenn wir euch mehr fördern würden, wäre das eine sehr gute Sache.

Maximilian: Wir tun uns ja schon schwer damit, die Hochschulwahlen zu gewährleisten. Gemeinsame Diskussionsrunden und Veranstaltungen – zum Beispiel Podiumsdiskussionen – könnten dabei helfen. Das gestaltet sich bis jetzt leider schwierig und wird wenig angestoßen. Die inhaltlichen Unterschiede zwischen den Hochschulgruppen sind leider doch häufig zu groß. Wir sind nun mal auch politische Gegner und sind alle sehr verschieden – der SDS ist schon nochmal extremer als die Linken zum Beispiel. Das ist oftmals bei Jugendgruppen der Fall. Der RCDS ist auch nicht sonderlich aktiv gewesen in letzter Zeit. Der Grund dafür waren interne Probleme. 2018 sind wir neugegründet worden. Jetzt haben wir es das erste Mal seit langem, dass wir wieder etwas stärker sind. Wir hatten interne Schwierigkeiten und können jetzt wieder so richtig durchstarten. Im letzten Jahr haben wir uns sogar verdoppelt. Wir haben momentan 30 Mitglieder und 10-15 Aktive.

Größte Projekte für das Semester?

Christian: Der studentischen Realpolitik widmen ist unser Ziel. Also wir wollen uns dem widmen, was wir wirklich bewegen können. Zum Beispiel die Öffnungszeiten der Universitätsbibliothek vereinheitlichen und ausweiten. Wir müssen uns nicht vormachen, dass wir das BAföG verändern können. Es lohnt sich nicht dafür Wahlwerbung zu machen, weil wir das einfach nicht verändern können. Viele fordern zum Beispiel auch einen kostenlosen ÖPNV. Aber das ist nichts, was im StuPa beschlossen werden kann. Das ist nicht die Realität der Studierenden, die wir verändern können. Das StuPa ist nicht der Bundestag und mit einem Fahrrad kann ich auch nicht fliegen.

Maximilian: Realpolitik statt Weltpolitik ist unser Kernthema. Deswegen können wir uns auch nicht ideologischen Debatten wie dem Antikapitalismus widmen. Hauptsächlich will ich aber das Alumni-Netzwerk ausbauen, denn das sind die Themen der Studierenden. Da gibt es zwar immer wieder Veranstaltungen, aber grundsätzlich sollte es mehr Möglichkeiten für Studierende geben, an einem Mentoring-Programm teilzunehmen. Das bedeutet konkret, dass man sich als neuer Student austauschen kann mit ehemaligen Studierenden, die bereits im Berufsleben stehen. Es gibt zwar einen Alumni-Verein der Uni, der das Programm betreibt, der ist aber leider nicht sehr aktiv. Wir hätten gerne ein aktiveres Netzwerk für die kollektive Studierendenschaft. 

Welcher Studiengang oder welche Studienrichtung ist denn bei euch am meisten vertreten?

Maximilian: (lacht) Die Hälfte in etwa sind Juristen. Das war auch die Kerngruppe, die den RCDS im Grunde mitbegründet hat. Ich denke, Juristen sind auch häufig politisch interessiert und auch praktisch und problemlösungsorientiert. Im StuPa sind viele Diskussionen sehr ideologisch orientiert. Da passt Jura auch als Klischee zu unserer Partei. Und der Rest ist durchmischt: Lehramt, Medizin, Soziologie, Theologie. Da ist alles mögliche dabei. In Zukunft kann ich mir gut vorstellen, dass es mehr durchmischt wird und dann Jura irgendwann mal nur noch 20-30 Prozent des RCDS ausmacht. 

Aha. Und: Wer sollte euch nicht wählen?

Maximilian: Nicht wählen sollte man uns, wenn man ideologisch diskutieren möchte, ob man zum Beispiel den Kapitalismus bekämpfen muss. Das gibt es bei uns nicht. Wir wollen im Kleinen das studentische Leben verbessern. Wir setzen uns zum Beispiel dafür ein, dass es Parkrabattkarten oder Elektroladesäulen gibt, sodass Studierende mit Auto entlastet werden. Kostenlosen ÖPNV oder ausschweifende Debatten wird es bei uns weniger geben. 

Christian: Wer irgendwelche sinnlosen Debatten über BAföG haben will, sollte uns nicht wählen. Wer Kapitalismusdebatten mag, ist bei uns falsch. Statt Kapitalismus und Weltverbesserung, gibt es bei uns Diskussionen über Ketchup-Spender in der Mensa und die Öffnungszeiten der Bibliothek. 

Hinweis von PHILIPP: Wir grenzen uns inhaltlich von diesem Interview ab. Die zum Ausdruck gebrachten Meinungen sind die unserer Gesprächspartner und nicht unsere eigenen. Wir haben das Interview dennoch geführt und aufbereitet, um darüber zu informieren, welche Hochschulgruppen potenziell im StuPa und anderen Gremien vertreten sein können. Das hängt am Ende natürlich von den Wähler:innen ab  – also von euch. Wir behalten es uns vor, die journalistische Form des Interviews zu nutzen und gehen davon aus, dass die Lesenden verstehen, dass die Nutzung dieser Form keine Solidarisierung mit der jeweiligen Meinung bedeutet.

Weitere Informationen zur Hochschulwahl findet ihr hier: 

Wahlzeitung des Wahlausschusses

Wahlwebseite des AStA und der FSK

Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (kurz: RCDS) ist ein bundesweiter Studierendenverband, der nicht zu CDU/ CSU gehört, diesen aber nahesteht. Die Marburger Liste bemüht sich nach eigener Aussage um ein „freiheitlich, christliches Weltbild“ und eine Ausweitung der Öffnungszeiten der Bereichsbibliotheken. 
Sie fordert außerdem eine Rechenschaftspflicht für autonome Referate und dass die Universität sich mit „Machtmissbrauch in universitären Strukturen“ auseinandersetzt. Der RCDS Marburg setzt sich gegen einen von ihnen so bezeichneten „Genderzwang“ und gegen Extremismus ein, als Beispiele für Letzteren werden nur die Antifa sowie Klimaleugner explizit genannt. (Zitate aus dem Wahlprogramm entnommen.) 

– Diese Informationen gehen aus dem Wahlprogramm und eigenen Aussagen der Hochschulgruppe hervor. es wurde nicht überprüft, inwiefern diese Bestreben tatsächlich umgesetzt werden.

ist im Mai 2023 neu eingestiegen in die Redaktion des Philipps-Magazins. Seit 2021 (mit Unterbrechungen) im Masterstudium der Friedens- und Konfliktforschung in Marburg.

studiert im Master 'Soziologie' und 'Literaturvermittlung in den Medien'. Seit 2022 in der Redaktion sowie im Lektorat aktiv und seit Januar 2023 Chefredaktion von PHILIPP.

ist 1999 in NRW geboren. Studiert seit 2018 in Marburg. Beim Philipp Magazin seit Mai 2023 in der Redaktion aktiv. Wohnt immer noch in ihrer ersten Marburger WG.

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