Kommentar: Das RCDS Wahlprogramm – Politischer Müll?
Überall stehen sie rum, verteilen ihre Flyer, Flaschenöffner und Feuerzeuge wie die jungen hippen Studis, die sie sein wollen.
RCDS – Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (gegendert wird hier natürlich nicht) ist nach eigenen Angaben die größte und älteste bestehende Studiorganisation Deutschlands und beruft sich auf Patriotismus und christlich-konservative Werte. Auch PHILIPP hat ein Interview mit ihnen geführt, wem das noch nicht gereicht hat, um sich ein Bild zu machen, bekommt hier noch eine kleine Einordnung aus dem Wahlprogramm des RCDS Marburg (Wahlzeitung 2023) und RCDS Hessen.
Sprachlich die Zeit zurück drehen
Der RCDS will nicht mit dem Wandel der Sprache und der Zeit gehen und stellt sich einem inklusiven und sensiblen Sprachgebrauch entgegen, der mit ihrem Selbstverständnis, „Studenten und Gruppen […] mit verschiedensten politischen Meinungen“ (S. 1 f.), massiv kollidiert. Gendersensible Sprache fungiert gerade als Garant von freiheitlichem und individualistischem Ausdruck. Die „unantastbare Würde des Menschen“ (S. 1 f.), auf die der RCDS selbst verweist, kommt in gendersensibler Sprache erst ganzheitlich zum Ausdruck.
Rettet die deutschen Werte, Kampf dem Feminismus
Frauen explizit zu berücksichtigen, kommt hier nur in Form einer Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Studium in Frage, denn was ist Frau wenn nicht Mutter – traditionelle Rollenbilder eben. Frauenquoten und Frauen in Diskurse sprachlich einzubeziehen, das sind feministische Ideologien, die der Ring strikt ablehnt. Bereits 2021 traten vermehrt Personen an die Presse, welche Teil des RCDS waren und berichteten wie es intern aussieht. Hier sollen Gruppenvorsitzende Theorien von „Umvolkung“, bei der Einwanderer zur „Vernichtung von deutschen Werten“ beitragen, gesprochen haben. Mitglieder des RCDS sollen Veranstaltungen der AfD besucht und dort Diskussionen geleitet haben. Frauen wurden mit abwertenden Sprüchen bedacht. Ein Brief an die Frankfurter Rundschau beschrieb, wie Frauen in Führungspositionen darauf achten mussten, ihre männlichen Kollegen keinesfalls zu verärgern und es soll klar gewesen sein, dass der Erfolg der Frauen von dem Wohlwollen der Männer abhängt. „Frauen seien in Kreuzverhöre geraten, vor Sitzungen zusammengebrochen, seien zum Weinen und zum Schweigen gebracht worden“, so berichtet der Brief an die FR.
Fanatische Cancel-Culture
Das Grundsatzprogramm des RCDS lehnt auch „ideologische Sturheit, fanatische Cancel-Culture, Totalitarismus, Angriffe auf die Meinungsfreiheit und Gleichstellung auf Kosten der individuellen Freiheit“ (S. 2) ab. Ihr Wahlprogramm spricht unter „Das sind wir“ von ihrer Ablehnungshaltung gegenüber „ideologische[n] Prestige-Projekte[n] wie z.B. […] Gendern oder Globalpolitik“ (S. 11).
Statt Systemkritik soll hier Kapitalismus herrschen, denn wieso ein System anzweifeln von dem profitiert werden kann? Der RCDS will junge Unternehmer fördern und Wirtschaft sowie Forschung zur militärischen Unterstützung in den Uni-Alltag einbauen. Sie befürworten Studiengebühren und Privatuniversitäten ebenso wie eine zunehmende Leistungsorientierung in Forschung und Lehre, um das Studium zwar internationaler, jedoch gleichermaßen wieder elitärer und geschlossener zu gestalten.
„Extremisten keine Bühne geben. Der RCDS steht Extremismus in allen Formen entgegen und fordert härteres Durchgreifen zum Schutz einer freien Lehre. Extreme Gruppen wie ANTIFA oder Klimaleugner dürfen nicht den studentischen Diskurs beeinträchtigen.“ (Grundsatzprogramm RCDS Hessen, 1f. ) –Doch was bedeutet das? Die Studiorganisation fordert Polizeipräsenz auf dem Uni-Gelände und die Abschaffung der Gelder für linkspolitische Projekte und Gruppen, ein großer Einschnitt in Marburgs Kulturszene. Ein strenger Rechtfertigungszwang für Gelder und Zuschüsse soll studentische Projekte stark einschränken und auch der AStA wird dem RCDS ein Dorn im Auge sein, er soll diesen in anderen Städten schon häufig versucht haben ins Aus zu drängen. So beispielsweise in Berlin an der Technischen Hochschule (TU), hier vertraten der RCDS und die Unabhängigen Listen bereits 2006 die Mehrheit im StuPa. Das StuPa verfolgte mit seinem Kurs die Abschaffung des Allgemeinen Studierenden Ausschusses (AStA), die Einführung von Studiengebühren, die Streichung von Darlehen für weniger wohlhabende Studierende, die Aufgabe studentischer Beratungsdienste sowie die Abschaffung des Semestertickets, was große mediale Aufmerksamkeit erregte – sehr lange her, aber ein klares Beispiel, das ein tragisches Wahlergebnis nicht ohne langfristige Folgen an einer Universität und ihren Studierenden vorüber geht.
Die zahlreichen Einzelfälle
Der RCDS nutzt Begriffe der „Ideologie“ und des „Fanatismus“ für Beschreibungen verschiedener feministischer, antirassistischer und Diversitäts-Prozesse. Spannend wenn bedacht wird, dass sich der ehemalige Geschäftsführer des Frankfurter RCDS seit einigen Jahren in rechtsextremen und verschwörungsideologischen Kreisen, bei rechten Studentenverbindungen und im Querdenken-Milieu bewegen soll. Er sei Fux der Studentenverbindung Frankfurter Wingolf gewesen, schreibe für die rechtslibertären Medien Apollo News und Tichys Einblick und interagiere in den Sozialen Medien mit zahlreichen Profilen des rechten Spektrums, vor allem aus dem Umfeld von AfD und Identitärer Bewegung, so die FAZ. Dennoch grenzt der RCDS sich klar von der AfD ab und stellt sich nach verschiedensten frauenfeindlichen und rechten Skandalen zunehmend als aufgeklärt und modern dar. Jedoch spiegelt sich das nicht in ihrem auffallend großen Interesse an dem Unterbinden von Verschleierung auf dem Uni-Gelände. Sollen das dann wohl die neuen Sicherheitskräfte durchsetzen?
Trotz ihrer klaren Distanzierung und dem Nutzen der Anschuldigungen zur Befeuerung der eigenen Wahlkampagne, kreuzen sich nicht nur einige ihrer Ansichten, sondern auch ihre Mitglieder mit Teilen der rechten Szene. So setzt sich ihr Klientel aus Konservativen, Burschenschaftlern und Deutschnationalen gleichermaßen zusammen. Sie als rechts zu bezeichnen wäre hier mehr als Fehl am Platz und eine klarer Verharmlosung der real existierenden Rechten in Deutschland, jedoch sind Verstrickungen zwischen konservativer Fortschrittsfeindlichkeit und Fundamentalismus schnell gegeben. Aus Patriotismus kann schnell Nationalismus werden und eine Ablehnung von essenziellen gesellschaftlichen Bewegungen wie die des Feminismus und der Pluralisierung münden schnell in Stillstand oder gar einem Rückschritt der politischen Entwicklung – und darauf sollte doch niemand hoffen.
Patriotismus, Rollenbilder, Antifeminismus sowie die Abschaffung von politischer Meinungsäußerung und Religionsfreiheit klingt doof? Dann geh‘ wählen und gib ihnen keine Chance.
Wer sich selbst informieren möchte, findet hier die Programme und Beschlüsse des RCDS.
Seit Anfang 2023 Mitglied der Redaktion und schreibt gerne über alles, was politisch, albern oder am besten beides ist.
Nichtraucherin und vegan, in beidem jedoch erfolglos.