RCDS will differenziertere Aufklärung über Burschenschaften, Antifa-Referat hält dagegen

RCDS will differenziertere Aufklärung über Burschenschaften, Antifa-Referat hält dagegen

„Vorsicht Fuchsjagd“ ist ein Slogan des AStA-Referats für Antifaschistische Arbeit. Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) beantragte am 24. April im Student*innenparlament (StuPa), dass diese Kampagne eingestellt wird. Als ‚Füchse‘ oder ‚Füxe‘ werden Neulinge in Verbindungen und Burschenschaften bezeichnet.

Kritik an der „Fuxjagd“

In den Gefilden der Universitätsstadt Marburg streben Männerbünde in jedem Semester danach, die Gunst der Erstsemester auf sich zu ziehen. Obwohl die Facetten von Burschenschaften und Verbindungen vielfältig sind, eint sie oft ein Fundament aus Traditionalismus, Männlichkeitsidealen und konservativ-rechten Überzeugungen. Liberalere Verbindungen, obgleich sie aufgrund ihres exklusiven Charakters oft in der Kritik stehen, werden meist deutlich von ihren konservativeren Pendants unterschieden.

Neulinge in diesen Kreisen werden als ‚Füchse‘ oder ‚Füxe‘ bezeichnet und stehen am Anfang eines hierarchischen Gefüges, das von Ritualen, Trinkgelagen und Fechtduellen geprägt ist. Sie müssen sich durch diese Prüfungen bewähren, um den Status eines vollwertigen Mitglieds zu erlangen. Einher mit diesem Aufstieg geht die Machtposition über die neuen Rekruten, wobei erlittene Demütigungen nicht selten an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden.

Die Verbindungen locken potenzielle Mitglieder oft mit attraktiven Angeboten, wie besonders günstigen Wohnmöglichkeiten in einem durchschnittlich teuren und prekären Wohnungsmarkt. Dieses Vorgehen wird seitens des Antifaschismus-Referats als „Fuchsjagd“ oder „Fuxjagd“ kritisiert. Die „Vorsicht Fuchsjagd“-Kampagne soll laut dem Referat „Studierende auf Studentenverbindungen und ihre Hintergründe aufmerksam machen.“ 

Vorurteile und ‚Betroffene‘

Statt der „Fuchsjagd-Kampagne“ wünscht der RCDS sich „eine objektive Aufklärungskampagne zum Verbindungswesen.“ Diese Kampagne soll nach dem RCDS „in Auseinandersetzung und Einbeziehung mit den tatsächlich [B]etroffenen“ erfolgen. Der RCDS begründete den Antrag damit, dass das Marburger Verbindungswesen „vielfältig“ sei und dennoch „gewalttätig“ angegriffen werden würde. Dies geschehe „in Folge alter Klisches [sic!] die sich hartnäckig festgesetzt haben. Auch das Marburger Antifa-Referat trägt maßgeblich zu diesen Übergriffen bei, indem es diese Klischees immer wieder mit der Verbreitung von Halbwissen und Vorurteilen befeuert. Auch Verbindungsstudent*innen haben es verdient, dass man sich differenziert mit ihnen auseinandersetzt und sie miteinbezieht“, erläuterte der RCDS weiter.

Kritik an den Verbindungen und Burschenschaften solle nicht grundsätzlich eingestellt werden, sagte der RCDS im StuPa. Die Kritik solle nur um „Aufklärung“ ergänzt werden. Das widerspricht jedoch dem ersten Satz des schriftlichen Antrags. Dort wird gefordert: „Das Antifaschismus Referat wird verpflichtet, die ‚Vorsicht Fuchsjagd‘ Kampagne zu Beginn des Semesters einzustellen.“ Der RCDS erklärte weiterhin, nicht alle Verbindungen seien rechts und die Kampagne schüre Vorurteile. Er bezog sich dabei auf einen Instagram-Post des Referats zum Semesteranfang sowie ausgehändigte Materialien wie etwa Flyer in Ersti-Tüten.

„Die Gefahr kommt von rechts!

Auch wenn der Antrag „harmlos formuliert“ sei, sagten Lio und Nils vom Referat für antifaschistische Arbeit später auf Anfrage dem PHILIPP-Magazin, „geht er doch gegen jegliche emanzipatorischen Werte und möchte im Kern elitäre Männerbünde, die einer stark hierarchischen Lebensweise folgen und teilweise Verbindungen in die extreme Rechte haben, normalisieren.“ Das Referat verweist darauf, dass Verbindungsstudierende in dem Antrag des RCDS als „Opfer inszeniert“ würden. Das verschleiere laut dem Referat die Realität: „Die Gefahr kommt von rechts!“ Zudem kritisiert das Referat den Begriff der Vielfältigkeit. Nicht nur bestehen fast alle Verbindungen und Burschenschaften ausschließlich aus Männern. Auch „die Verbindung und Überlappung von einigen Burschenschaftlern mit der rechtsextreme Szene untermauert die Wichtigkeit dieser Kampange.“

Das Referat weist außerdem die Vorwürfe zurück, dass es Vorurteile gegenüber Verbindungen verbreite. „Wir sind uns durchaus bewusst, dass es zwischen verschiedenen Studentenverbindungen Unterschiede gibt und zum Beispiel nicht alle rechtsextrem sind. Aber nur weil eine Verbindung nicht gleich rechtsextrem ist, macht sie das nicht gleich harmlos“, erklären sie weiter. In einem kleinen Flyer könne das Referat keine differenziertere Kritik unterbringen. Eine solche ausführlichere Kritik und Analyse gebe es in dem Reader des Referats: Studentenverbindungen kappen – Eine kritische Betrachtung der Marburger Burschenschaften.  

Fehlendes Sprachrohr der Verbindungen?

Einige Anwesende im StuPa, etwa der SDS, waren offen dafür, gezielter vor den drei Marburger Burschenschaften, die Teil der Deutschen Burschenschaft sind, zu warnen. Es wurde jedoch auch argumentiert, dass die Kampagne bereits aufklärend und nicht auf alle Verbindungen bezogen sei. Beispielsweise beziehe sich die Kampagne nicht auf Verbindungen, in denen Frauen und Männer gemischt zusammen leben. 

Kritisiert wurde außerdem, dass Verbindungen sich selbst nicht öffentlich zu ihren vom RCDS beteuerten strukturellen Veränderungen äußern würden. Zudem würden Verbindungen sich nicht ausreichend öffentlich von rechten Burschenschaften distanzieren. Der RCDS hingegen ist der Meinung, dass die Verbindungen kein „Sprachrohr“ hätten.

RCDSler in Burschenschaften

Während der Sitzungen standen zwei Verbindungsmitglieder aus den Reihen des RCDS auf, um ihre persönlichen Geschichten beizutragen. Einer von ihnen erklärte, dass er als jüdischer Verbindungsstudent die Diskussion des StuPas „komisch“ finde. Ein weiterer Verbindungsstudent beklagte, dass das künstlerische und musikalische Angebot seiner Verbindung unter den Vorurteilen gegenüber Verbindungen leide. Maximillian Müller vom RCDS bekannte sich im Laufe der Diskussion dann auch offen zu seiner Mitgliedschaft in der CDU und der Burschenschaft Arminia Marburg. Der selbst ausgerufene Wahlspruch der Arminia lautet „Gott – Freiheit – Vaterland“. Burschenschaften sind herkömmlich bekannt für ihre deutschnationale Ausrichtung und stehen teilweise in der Kritik wegen Verbindungen zur rechtsextremen Szene.

Der Antrag im StuPa wurde mit 16 Stimmen abgelehnt. Nur der RCDS stimmte für den Antrag und die Liste der Unabhängigen enthielt sich.

(Lektoriert von nir.)

studiert im Master 'Soziologie' und 'Literaturvermittlung in den Medien'. Seit 2022 in der Redaktion sowie im Lektorat aktiv und seit Januar 2023 Chefredaktion von PHILIPP.

ist 2000 nahe Zürich geboren. Studiert Literaturvermittlung in den Medien. Bei PHILIPP seit Januar 2023 aktiv und seit April 2023 Chefredakteurin. Schreibt am liebsten Protokolle und FSK-Berichte.

Seit Anfang 2023 Mitglied der Redaktion und schreibt gerne über alles, was politisch, albern oder am besten beides ist.
Nichtraucherin und vegan, in beidem jedoch erfolglos.

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