Was die Rückkehr zur 19 %-Steuer für die Marburger Gastronomie bedeuten kann

Was die Rückkehr zur 19 %-Steuer für die Marburger Gastronomie bedeuten kann

Die Mehrwertsteuer-Senkung von 19 % auf 7 % für Speisen der Gastronomie war bis Ende letzten Jahres befristet. In Folge der Corona-Pandemie reduzierte die Bundespolitik die Mehrwertsteuer erstmals 2020. Seitdem wurde die Hilfsmaßnahme regelmäßig verlängert, zuletzt 2022. Bundesweit protestierten Vertreter*innen der Gastronomie 2023 dafür, dass die Maßnahme erneut verlängert oder sogar entfristet wird. So auch in Marburg. Seit dem 01. Januar gilt jedoch wieder die Steuer von 19 Prozent. PHILIPP hat sich gefragt, was diese für die Gastronomie in Marburg bedeuten kann.  

Jan-Bernd Röllmann, Leiter des Marburger Stadtmarketings, sagt: „Die Mehrwertsteuer-Erhöhung ist sicherlich nur ein Problem von vielen in der Gastronomie, aber vielleicht das, was das Fass zum Überlaufen bringt.“ Nicht nur die Konsequenzen der Pandemie würden die Gastronomie belasten, so Röllmann. Auch die erhöhten Energie-, Gas-, Lebensmittel- und Personalkosten würden zu Problemen führen. „Die Preise in der Gastronomie wurden in den letzten Jahren stark angezogen; das hat jeder mitbekommen. Diese Preise an den Endverbraucher weiterzugeben hat natürlich irgendwann ein Ende“, führt Röllmann aus. Er halte die Mehrwertsteuer-Erhöhung daher zum jetzigen Zeitpunkt für „grundlegend falsch“. 

Mit alten Preisen ins neue Jahr

In diesen schwierigen Zeiten, gebe es auch im Café am Markt keinen „Puffer“, der die höheren Preise auffangen könne, erklärt Peter Heinzmann, einer der Betreiber des Cafés. Trotzdem würde das Café mit den „alten Preisen ins neue Jahr starten“. Heinzmann sagt: „Wir versuchen die Preise so lange zu halten, wie es geht. Hauptgrund für die Maßnahme ist, dass wir in den aktuell unruhigen Zeiten ein bisschen ‚gute Laune‘ wiedergeben möchten. Unsere Kosten sind definitiv höher, aber wir schlucken aktuell den Mehraufwand, zum Wohle unserer Gäste und guter Stimmung. Unser Motto hierzu lautet: ‚Lasst uns froh und munter sein – auch in 2024.‘“ Die wirtschaftlichen Konsequenzen der Mehrwertsteuererhöhung würde sein Unternehmen jedoch erst nach einem halben oder ganzen Jahr bemerken – dann erst zeige sich, ob das eine Entwicklung ist, die das Café am Markt tragen könne.

Auch Paul Schilhansl, einer der Betreiber des Marburger Café Wertvoll, betont die ungünstige Situation der Preissteigerungen im Energie- und Lebensmittelsektor: „Die Vollgastronomie hat es gerade nicht leicht und wird die Mehrwertsteuerhöhung kaum stemmen können.“ Das sei besonders schade, sagt er, weil die Gastronomie „ein wichtiger Teil des sozialen Lebens“ sei. Das Café Wertvoll sei von der Mehrwertsteuererhöhung jedoch nur begrenzt betroffen, erzählt Schilhansl, weil der Hauptteil der Einnahmen durch Getränke entstehe, die für den Innenverzehr seit jeher mit 19% versteuert werden.

Gasthaussterben

Der Hotel- und Gastronomieverband (DEHOGA) in Hessen hat in einer Umfrage die Konsequenzen der Mehrwertsteuer-Erhöhung für hessische Betriebe ermittelt. 830 Mitgliedsbetriebe des Verbandes haben sich an der Umfrage beteiligt. Auf Grundlage der Umfrage rechnet DEHOGA mit „über 800 Betriebsschließungen, Preissteigerungen von mehr als 15 Prozent, sinkende Umsätze und weniger Jobs“. Laut dem Geschäftsführer des Verbands in Hessen, Oliver Kasties, hat Hessen 2020 und 2021 bereits 2.700 umsatzsteuerpflichtige Betriebe verloren.

Kasties warnte Ende des vergangenen Jahres: „Wird der reduzierte Mehrwertsteuersatz auf Speisen über den Jahreswechsel hinaus nicht entfristet, dann ist eine massive Beschleunigung des Gasthaussterbens gerade im ländlichen Raum zu erwarten.“ Die Gastronomiedichte der Stadt Marburg läge im Jahr 2021, laut Kasties, bei 2,57 Betrieben pro 1.000 Einwohner*innen. Im Vergleich dazu läge die Gastronomiedichte 2021 in Gießen bei 3,54 pro 1.000 Einwohner*innen. Kasties fordert nicht nur, dass die Maßnahme der Mehrwertsteuer-Senkung verlängert wird, sondern entfristet. Auch Röllmann vom Marburger Stadtmarketing sagte Ende 2023: „Da die Gastronomie ein besonders betroffener Bereich ist, könnte ich mir vorstellen, dass man solche Lösungen dauerhaft findet.“

Was die Gastronomie für Marburg bedeutet

Dem Leiter des Stadtmarketings geht es dabei auch um die Attraktivität der Marburger Innenstadt: „Eine Gastronomie ist für jede Innenstadt wichtig, weil die Innenstädte identitätsgebend sind – in Marburg ganz besonders durch die Altstadt – und Aufenthaltsqualität spielt da eine entscheidende Rolle.“ Menschen würden zwar am häufigsten die Innenstadt besuchen, um einzukaufen, „der zweite Grund ist jedoch das Ausgehen, Kaffee trinken, sich mit Freunden und Freundinnen treffen und da spielt die Gastronomie eine wichtige Rolle“, so Röllmann. Er bezieht sich dabei auf Studien der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing und des Handelsverbands. Zum jetzigen Zeitpunkt würde die Mehrwertsteuer-Erhöhung ein „falsches Signal“ setzen, führt Röllmann aus, weil „wir mit staatlichen Mitteln und Landesmitteln dafür kämpfen, die Innenstädte attraktiv zu erhalten. Da ist die Steuer-Erhöhung kontraproduktiv.“ Er nennt als Beispiele das Marburger Vielraum– sowie Freiraum-Programm. Die Stadt hätte zudem versucht, die Gastronomie mithilfe der Aktion Marburg-Liebe und den Sofort-Gutscheinen während der Pandemie zu unterstützen – Röllmann sagt: „Wir wünschen uns, dass das nicht umsonst war.“

(Lektoriert von hab.)

studiert im Master 'Soziologie' und 'Literaturvermittlung in den Medien'. Seit 2022 in der Redaktion sowie im Lektorat aktiv und seit Januar 2023 Chefredaktion von PHILIPP.

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