Uni Marburg als Vorreiterin bei Geschlechtseintragsänderung
Bild: Elija Ash Pauksch
Auf Initiative der Rosa Liste Marburg ermöglicht die Philipps-Universität seit einigen Tagen einen vereinfachten und kostenfreien Prozess zur Vornamens- und Geschlechtseintragsänderung. Die Universität Marburg ist eine der ersten Universitäten in Deutschland, die ein solches Verfahren umsetzt. Wie genau das funktioniert, wieso das Verfahren drei Jahre gedauert hat und was die Neuerung für die Studierenden und die Uni bedeutet, hat uns Viktoria Ehrke von der Rosa Liste erklärt.
Was ändert sich genau?
Momentan gibt es folgende Möglichkeiten den Namen und Geschlechtseintrag (NuG) zu ändern bzw. direkt bei Immatrikulation richtig anzugeben:
Der DGTI Ergänzungsausweis bietet die Möglichkeit, kostengünstig ein Bindedokument zu bestellen, welches die Person auf dem DGTI Ausweis mit den Daten auf einem Personalausweis verbindet. Dieser kostet 19,90 € plus Versand.
Das Transsexuellengesetz (TSG) ist die aktuelle rechtliche Grundlage für trans und nicht binäre Personen, Namen und Personenstand offiziell zu ändern. Die Kosten variieren stark und sind abhängig von der Verfahrensdauer und den Gutachten. Im Schnitt kostet ein Verfahren 1.868 € und dauert 9,3 Monate.
Es ändert sich nun grob gesagt, dass unsere Universität sich an der rechtlichen Einschätzung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes orientiert. Im Prozess waren aber natürlich durchaus mehr Rechtsgutachten im Umlauf, die hier unser Anliegen bestärken sollten. In der Einschätzung des Bundes wird beschrieben, dass die Hochschule nicht verpflichtet ist, die Identität über ein amtliches Dokument festzustellen, sondern hier die Gesetzeslage Raum für individuelle Gestaltung bietet. Somit wird es eben ab dem Sommersemester möglich sein, per Selbstauskunft über Marvin NuG zu ändern. Dies wird dann auch nach spätestens 24 Stunden auch auf allen Systemen so sichtbar sein.
Dies wird allen Studierenden kostenlos zur Verfügung stehen und schafft die Möglichkeit für Betroffene in der Universität richtig angesprochen und identifiziert zu werden. Auch werden Zeugnisse und Dokumente direkt mit dem richtigen Namen ausgestellt, sodass auch nach dem Studium hier Erklärungen zu unterschiedlichen Namen auf Bewerbung und Zeugnissen entfallen.
Lassen sich die Angaben nur bei der erstmaligen Immatrikulation anpassen oder kann man das auch im Nachhinein in Marvin o. ä. ändern?
Man kann sich sowohl direkt bei der Immatrikulation mit dem richtigen NuG einschreiben, aber auch nachträglich können die Angaben selbstständig über Marvin angepasst werden.
Wie funktioniert der Prozess der Anpassung?
Den Antrag kann man auf Marvin finden (weitere Informationen – Anträge – Änderung Personendaten). Es muss ein kleines Formular ausgefüllt werden, bei dem dann Name und/oder Geschlecht angegeben werden können. Dazu braucht es noch als Anhang eine unterschriebene Bestätigung. Nach den Angaben auf Marvin wird das Ganze noch pro forma vom Studierendensekretariat geprüft und ist dann nach ca. zwei Tagen wirksam.
Der Prozess lief seit 2021 – wieso hat die Umsetzung so lange gedauert?
Einen Entwurf des Antrags stellte ich am 26.08.2021 in der Fachschaftenkonferenz vor, dieser wurde auch weitestgehend positiv aufgenommen und erhielt viel Zustimmung. In der nächsten Sitzung am 29.09.2021 wurde dann hier der Beschluss mit einer deutlichen Mehrheit gefasst. Einige Fachschaften haben sich hier aber dennoch nicht für diesen Antrag ausgesprochen. Eines der Argumente (bzw. das einzige, an das ich mich noch erinnern kann) war, dass die geltende Rechtsgrundlage mit dem TSG zu respektieren und nicht zu übergehen sei. Schon in der Debatte wurde darauf hingewiesen, dass das Gesetz verfassungsrechtlich umstritten ist und dringend überarbeitet werden muss, da es so nicht mehr haltbar ist. Kurz darauf, am 12.01.2022, wurde der Antrag dann auch im StuPa beschlossen.
Nach Beschluss in FSK und StuPa ging es erstmal in die Besprechung mit Akteur*innen an der Uni, um über unser weiteres Vorgehen zu beraten. Am 13.07.2022 war es dann soweit, dass wir unseren Antrag zusammen mit der Antidiskriminierungsstelle und den Gleichstellungsbeauftragten der Uni im Senat einreichten.
Gerade die Terminfindung dauerte dann eine ganze Weile, da vorher erst der Personenkreis der Beteiligten festgelegt werden sollte und dann ein möglichst passender Termin für alle gefunden werden musste. Das erste Treffen konnte so erst am 19.06.2023 stattfinden. Der Prozess um die Konzeptionierung und Umsetzung war also gar nicht so lange.
Wieso ist die Änderung für die studentische Allgemeinheit wichtig?
Als Universität sowie als Studierendenschaft stehen wir für die Gleichstellung und gegen die Diskriminierung von trans und nicht binären Personen. Dieser Schritt bedeutet für betroffene Studierende, dass sie in der Universität weniger institutionell diskriminiert werden. Für den nicht betroffenen Teil der Studierenden ändert sich nichts.
Wer hat das Verfahren ursprünglich eingeleitet? War das ein studentisches Anliegen?
Die Idee, das Ganze einzubringen und einen Antrag zu stellen, hatte ich. Generell ist das aber natürlich kein revolutionärer Gedanke und schon lange ein Anliegen von trans und nicht binären Personen. Das Ganze auf Universitätsebene anzugehen war aber zu der Zeit relativ selten.
Was bedeutet die Möglichkeit der Anpassung für dich?
Persönlich bin ich nicht von der neuen Regelung betroffen, allerdings finde ich es ist ein großer Erfolg für die Gleichstellung von trans und nicht binären Studierenden in und an der Universität!
Weitere Infos findet ihr hier.
ist 2000 nahe Zürich geboren. Studiert Literaturvermittlung in den Medien. Bei PHILIPP seit Januar 2023 aktiv und seit April 2023 Chefredakteurin. Schreibt am liebsten Protokolle und FSK-Berichte.
studiert im Master 'Soziologie' und 'Literaturvermittlung in den Medien'. Seit 2022 in der Redaktion sowie im Lektorat aktiv und seit Januar 2023 Chefredaktion von PHILIPP.
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