Bekommt Marburg eine Seilbahn?

Bekommt Marburg eine Seilbahn?

Bild: Judith Braun

Mobilität auf höheren Niveau – das soll eine städtische Seilbahn der Marburger Bevölkerung versprechen. Ursprünglich gab es solche Planungen schon vor über zehn Jahren. Diese wurden aber schließlich zugunsten eines potenziellen Oberleitungsbusnetzes aufgegeben. Das sind Elektrobusse, die den Strom aus einer Oberleitung beziehen. Mit dem vermutlichen Scheitern des Projekts im September dieses Jahres braucht es nun aber wieder neue Lösungen für eine bessere Anbindung des Campus Lahnberge an die Innenstadt. Erneut kam also die Idee auf, diese durch eine Seilbahn zu verwirklichen. Zu einer Infoveranstaltung hierzu haben das Verkehrsreferat des AStA und die Bürgerinitiative „Verkehrswende“ eingeladen. Als Vortragende waren Prof. Jürgen Vollmann von der TU Darmstadt, Christoph Rittersberg vom Mobilitätsdienstleister Transdev und Johannes Frech von der Seilbahninitiative Bonn vor Ort.

Ein tragfähiges Konzept?

Die erste halbe Stunde des Abends nimmt Jürgen Vollmann mit einem Vortrag über die generellen Vor- und Nachteile einer Stadtseilbahn ein. Diese lägen vor allem in einer hohen Kapazität von bis zu 6000 Personen pro Stunde, einem geringen Flächenverbrauch, einer guten Umweltbilanz, der schnellen Umsetzbarkeit und den langfristig geringen Kosten. Zudem biete eine Seilbahn auch die Möglichkeit der Aufwertung angebundener Wohngebiete, was er am Beispiel von zuvor slum-artigen Wohnvierteln in Südamerika festmacht. In diesen sei es durch den Bau von Seilbahnen zu einer erheblichen Gentrifizierung gekommen. Ob Städte wie La Paz (Bolivien) und Bogota (Kolumbien) mit einer deutschen Studierendenstadt wie Marburg vergleichbar sind, scheint allerdings eher fraglich. 

Auch eine mögliche Route einer solchen Seilbahn wird kurz gezeigt: Von Wehrshausen könnte es über die Behringwerke, den Bahnhof, den Ortenberg und das Universitätsklinikum zu den naturwissenschaftlichen Instituten gehen. Hier stellt sich wiederum die Frage, inwiefern eine solche Streckenführung der Kernstadt zugutekommen würde. Schließlich sind die angebundenen Gebiete nicht wirklich dicht besiedelt. Immerhin sollen weitere mögliche Streckenführungen aktuell erarbeitet werden.

Die Vorträge geraten etwas aus der Bahn

Als Erstes stellt der nachfolgende Redner Christoph Rittermann das Unternehmen Transdev vor. Dieses betreibt als Mobilitätsdienstleister verschiedene Verkehrsmittel wie etwa Züge, Busse, Seilbahnen und auch Fähren, die in Marburg jedoch leider wenig geeignet seien. Im Falle von Seilbahnen hieße das, dass Transdev für das Personal der Seilbahn verantwortlich sein könne. Im Laufe seines Vortrags wird eines deutlich: Der Vertreter ist vor allem deshalb anwesend, um die Marburger Bevölkerung davon zu überzeugen, dass eine mögliche Seilbahn unbedingt von Transdev und nicht von den Marburger Stadtwerken betrieben werden sollte. Von einem solchen Betrieb würde natürlich vor allem Transdev finanziell profitieren. Neben „Seilbahn = toll“  lässt sich inhaltlich jedoch wenig Neues aus dem Vortrag mitnehmen.

Zuletzt darf noch Johannes Frech die Erfahrungen beim Seilbahnprojekt in Bonn einbringen. Dieses sei grundsätzlich gut mit einem potenziellen Seilbahnprojekt in Marburg zu vergleichen. Im Verlauf seines Vortrags lässt sich für Marburg vor allem die Erkenntnis gewinnen, dass die kurz zuvor noch angepriesene „schnelle Umsetzung“ von Seilbahnprojekten nicht wirklich möglich ist. Denn obwohl die Planungen in Bonn schon vor über zehn Jahren begonnen haben, hängen sie immer noch in der Schwebe. Ein Baubeginn sei in den nächsten fünf Jahren keineswegs zu erwarten.

Eine realistische Einschätzung

Auch die darauffolgende Fragerunde ist größtenteils wenig aufschlussreich. Bei genauerer Nachfrage nach konkreten Plänen wird auf die Pläne von vor zehn Jahren verwiesen. Diese hatten den Vorteil, dass die Seilbahn tatsächlich die Innenstadt anbinden sollte. Jedoch wäre sie kaum in den bestehenden ÖPNV eingebunden, würde nur einen Teil des Campus Lahnberge abdecken und verliefe durch Wohngebiete. Es scheint also einen Grund zu geben, warum die Planungen damals verworfen worden sind.

Gegen Ende des Abends schaffte noch ein Vertreter des Stadtrats den Weg zur Veranstaltung. Dieser zeigt dabei das Hauptproblem des Gesamtprojekts auf: Die Stadt Marburg stehe unter enormem Spardruck – und mehrere Millionen Euro für eine Seilbahn seien zurzeit nur schwerlichst in den Haushalt einzubauen. Nichtsdestotrotz wagt eine Vertreterin des Green Office am Ende noch ein bisschen von einem potenziellen Seilbahnnetz aus mehreren Linien in Marburg zu träumen, was im Angesicht des gerade noch aufgezeigten Spardrucks – wie das ganze Projekt – ein wenig zu hoch gegriffen wirkt.

(Lektoriert von jub und nel.)

Lernt im Studium der Geschichte und Politikwissenschaft an der Philipps-Universität von verschiedenen Philipps, schreibt beim PHILIPP Magazin manchmal über Philipps und kann schlechte Philipp-Wortwitze langsam nicht mehr hören. Seit 2025 bei PHILIPP.

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