Sneak Review #90 – The Big Sick
Sneaktipp der Woche: „Andere Länder, andere Sitten“. Ich wittere eine Culture-Clash-Komödie. Wieso sich der Gang ins Kino zu Michael Showalters „The Big Sick“ trotzdem für Euch lohnen wird:
Der Kinosaal wird dunkel, der weiß-orangene Schriftzug von Amazon Studios erscheint auf der Leinwand. Vielversprechend, denke ich. Und man kann „Bad Moms 2“ ausschließen. Meine Fährte war richtig, denn in dem Film von Michael Showalter geht es um eine interkulturelle, lustige Liebesgeschichte.
Der in Pakistan geborene Kumail Nanjiani (Kumail Nanjiani) versucht sich als Stand-Up-Comedian in Chicago und lernt dabei die Amerikanerin Emily Gardner (Zoe Kazan) kennen. Der lockere One-Night-Stand, der sich nicht wiederholen sollte, entwickelt sich schnell zu einer liebevollen Beziehung. Problem: Kumail verschweigt seinen Eltern seine „weiße“ Freundin, denn die traditionsbewusste Familie arrangiert wöchentlich Verkupplungsessen mit Pakistanerinnen. Kumail soll endlich eine heiratsfähige Frau kennenlernen. Hin- und hergerissen zwischen den Erwartungen seiner muslimischen Familie und seiner Zuneigung zu Emily führt er sein Doppelleben fort. Doch als Emily einsieht, dass es für sie auf lange Sicht keine gemeinsame Zukunft mit Kumail geben wird, legt sie die Beziehung auf Eis. Der Konflikt gelangt zum erwartbaren Höhepunkt. Aber halt, stopp – was? In dem Moment erkrankt Emily plötzlich und fällt ins Koma. Nun liegt es an Kumail, diese Beziehungs- und Familienkrise in den Griff zu bekommen.
Altbekanntes Thema, humorvoll interpretiert
Die Frage, die sich durch den Film zieht, und ein wenig zu oft betont wird, ist in Kameils Worten „Wieso leben wir in Amerika, aber verhalten uns so, als würden wir in Pakistan wohnen?“. Eine Frage, die man kennt, eine Frage, die schon Filme wie Kick it like Beckham in England aufgeworfen haben. Doch zwischen Assimilation und Tradition lässt Showalter noch viel Platz für Humor und zwar grade so viel, dass das Thema auf eine witzige Art und Weise nicht die Ernsthaftigkeit verliert. Und auch so, wie man es bisher noch nicht allzu oft gesehen hat, denn die Geschichte, so sehr sie auch nach Kino klingt, beruht auf der Lebens- und Liebesgeschichte von Emily V. Gordon und Kumail Nanjiani. Doch die Romantikgegner unter euch können aufatmen. Kitschig ist der Film nicht, vielmehr zeigt er das komisch-schöne an zwischenmenschlichen Beziehungen – auf eine ehrliche, lustige Weise, sodass niemand würgen muss.
Doch so wie der Protagonist Kumail Entscheidungsschwierigkeiten hat (amerikanischer Traum oder Familie?), so hadern auch die Filmemacher ein wenig (amerikanisches Drama oder Komödie?). Der Aufbau der Spannungskurve erinnert an ein klassisches Drama, nur in amerikanisch. Nach dem Wende- und Höhepunkt, den niemand erwartet hat, kommt ein plötzlicher Fall und viele retardierende und überzogene Momente. Das ist schade. Ein wenig schwer lasten die plötzlichen melodramatischen Einschübe auf den Zuschauern, die eben noch herzlich gelacht haben. Aus dem Nichts geht es um Leben und Tod oder um tiefsinnige Gespräche zum Thema Liebe, auf den keiner gefasst war.
Katapultiert die Mundwinkel nach oben
Aber dafür könnte der Zusammenprall der Kulturen humorvoller nicht sein. Es sprudelt nur so vor Selbstironie und ungeschickter, ehrlicher Situationskomik. Keiner der Zuschauer verlässt den Kinosaal, ohne fünf mal gelacht zu haben. Absoluter Lachgarant: Kameils Mutter. Vorzeigeszene: Die temperamentvolle Frau, die eingeschnappt über die Lebensentscheidung ihres Sohnes ist, ignoriert ihren Sohn und würdigt ihn keines Blickes – gibt ihm aber eine Brotdose mit seinem Lieblingsgericht auf den Weg mit. Wer Migrantenkind ist, weiß, was ich meine.
„The Big Sick“ startet am 16.November in den deutschen Kinos.
FOTO: IMDb
hat Sprache und Kommunikation studiert und kann jetzt sprechen und kommunizieren.