Sneak Review #284: Der Fall einer Spezies
Bild: Laura Schiller
Wildbienen – eine vom Aussterben bedrohte Spezies, die in dem Film Bugonia (2025) als Vorbild, Vorwand und schließlich als Verlierer präsentiert werden und in eine Geschichte einführen, in der sich alles um Manipulation, Widerstand und das Aussterben einer Spezies dreht.
Das Hauptquartier des menschlichen Widerstands
Der Film von Yorgos Lanthimos wird als eine Mystery-Science-Fiction-Komödie beschrieben und genauso startet man auch in den Film: Die Cousins Teddy (Jesse Plemons) und Don (Aidan Delbis), zwei Verschwörungstheoretiker, sehen sich gezwungen, es mit einer außerirdischen Spezies aufzunehmen, um die Menschheit zu retten. Dazu entführen sie die Geschäftsführerin eines großen Pharmazie-Unternehmens, Michelle Fuller (Emma Stone), von der sie glauben, sie sei eine Abgesandte des Planeten Andromeda, deren Mutterschiff in unserem Orbit auf ihre Rückmeldung wartet.
Das streng durchgeplante Leben von Michelle und ihrer hochmodernen Villa steht in einem starken Kontrast zu dem familiären Durcheinander in dem abgeschiedenen Zuhause der beiden Cousins. In einer absurden Komödienhaftigkeit kollidieren diese beiden Welten miteinander, bei dem letzteres als Hauptquartier des menschlichen Widerstands deklariert wird. Schon in den ersten Szenen wird ein Machtgefälle aufgebaut, das sich im Laufe des Filmes umkehrt, zurückdreht und schließlich völlig aus den Fugen gerät.
„Ja, ich bin ein Alien“
Als Geisel im Keller eingesperrt, versucht Michelle alles, um die Welt ihrer beiden Entführer zu verstehen und setzt auf rationale Argumente – bis sie merkt, dass ein Dialog nur funktioniert, wenn man Teddy in seine Narrative folgt. So verwandelt sich die verzweifelte Frau auf der Leinwand langsam immer mehr, bis sie irgendwann gezwungenermaßen zugibt: „Ja, ich bin ein Alien“. Das Ausspielen von diesen intelligenten Dialogen über gesellschaftliche Debatten, bei der die Überzeugungskraft von der einen Seite auf die andere Seite überschlägt, zeigt, dass nicht klar ist, wer hier wen manipuliert. Es wird eine Spannung erzeugt, die sich Teils in brutalen und Teils in lustigen Sequenzen entlädt. Die Dynamik der beiden Cousins verleiht dem Film eine gewisse Leichtigkeit und Wärme. Aber auch diese steckt in einem Machtgefälle zwischen Manipulation und der Frage nach Widerstand fest.
Die kleine, aber starke Besetzung angeführt von Emma Stone und Jesse Plemons helfen den Zuschauenden, sich auf die einzelnen Figuren einzulassen. Durch intensive Nahaufnahmen erhalten sie die Möglichkeit so mit ihrer Mimik zu spielen, dass man mit den Figuren mitfühlt, sie abstößt und ihnen in ihre Wahnsinnigkeit folgt.
Widerstand, Missbrauch und Beeinflussung
Bugonia spielt mit der Vorstellung von Widerstand, Missbrauch und Beeinflussung in einer Welt, in der ein Unterschied zwischen Lügen und Wahrheiten nicht mehr zu gelten scheint, sondern nur noch das zählt, woran man glaubt. Im Zentrum stehen dabei die Menschen, die in ihrer Lebensweise von der Gesellschaft verraten und abgehängt wurden, die sich deshalb absichtlich zurückziehen und sich so immer tiefer ihre eigene Welt eingraben. Bis sie glauben, Dinge beweisen zu können, die nur durch ihre eigenen Regeln und Gesetzmäßigkeiten bedingt werden.
Der Film ist absurd, lustig und schrecklich zugleich. Man kann Lachen und im nächsten Moment wird man wieder in die Ernsthaftigkeit der Situation zurückgezogen, bevor man auf eine ganz neue Ebene katapultiert wird. In der Marburger Sneak-Auswertung schnitt der Film mit knappen 56% positiven Stimmen ab.
studiert Europäische Literatur im Bachelor und schreibt und lektoriert seit dem Wintersemester 2024 bei PHILIPP.
