Die Projektoren: Lesung mit Clemens Meyer

Bild: Laura Schiller
Der deutsche Autor Clemens Mayer ging vergangenes Jahr viel durch die Medien, aufgrund seiner Reaktion auf das Verlieren des Deutschen Buchpreises. Aus seinem nominierten Buch las er jetzt in Marburg – unsere Redakteurin Martha war für PHILIPP dabei.
Am 28. Januar 2025 fand im Software-Center 3 in Marburg die Buchvorstellung Die Projektoren mit Clemens Meyer statt. Der Name könnte einem bekannt sein, denn der Autor sucht nicht nur im literarische Kreise, sondern auch darüber hinaus die öffentliche Aufmerksamkeit – unabhängig davon, ob es sich um positive oder negative Presse handelt. Sein Roman Die Projektoren wurde für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert und schaffte es auf die Shortlist. Schlagzeilen machte Clemens Meyer, als statt seines Werks Martina Hefter mit Hey Guten Morgen, wie geht es dir? den Buchpreis gewann. Er beschwerte sich während der Zeremonie lautstark und verließ den Raum. In einem Interview mit Wolfgang Höbel im Spiegel sagte er, es sei eine Schande für die Literatur, dass sein Roman den Preis nicht gewonnen habe. Er habe vorgehabt, von dem Preisgeld seine Schulden zu bezahlen. Negative Presse ist auch Presse… Dennoch wurde sein Roman mit dem Bayerischen Buchpreis 2024 ausgezeichnet und im Januar 2025 erhielt er für sein umfangreiches literarisches Werk den Lessing-Preis des Freistaats Sachsen.
Jetzt hat er seinen Roman auch hier in Marburg vorgestellt. Die Lesung wurde von dem Kulturverein Strömungen e.V. veranstaltet und war gut besucht. Die einführenden Worte beschreiben den Willkommensapplaus als frenetisch und verweisen lobend auf die gewonnen Preise. Clemens Meyer verzieht keine Miene. Fast rutscht dabei das gewaltige Buch vom Tisch und wird gerade noch aufgefangen. Die Stimmung im Publikum ist gelöst. Selbstbewusst präsentiert der Autor seinen 1.056 Seiten umfassenden Roman, der mit einem dreiteiligen Prolog von 248 Seiten beginnt – eine Länge, die bei anderen Autor*innen bereits für einen ganzen Roman ausreichen würde.
Dann steigt er in seine Lesung ein. Es war einmal… und von vielen Repetitionen durchzogen beginnt er mit seinen detaillierten Beschreibungen. Lange, aneinandergereihte Nebensätze und eine literarisch dichte Sprache befördernden die Zuhörenden direkt in die Sphären seines Romans. Angesetzt im ehemaligen Jugoslawien zirkelt die Geschichte um eine Figur namens „Cowboy“, dessen Lebensweg von dem Einmarsch der Deutschen, Kriegserlebnissen, Partisanenkämpfen und den Karl-May-Verfilmungen, bis hin zum erfolgreichen Schreiben von Groschenromanen im wiedervereinten Deutschland reicht.
Die Vorlesestimme ist angenehm, man taucht ab in eine andere Welt, bis Clemens Meyer den Auszug unterbricht und zu einer neuen Stelle in seinem Roman springt. Diese Lücken füllt er mit Zusammenfassungen, Vorblenden, Rückblenden, Erklärungen und reißt dabei Witze. Fast wirkte es, als würde er sich selbst zwischen den Seiten verlieren, blättert er doch vor und zurück, entscheidet sich um und steigt an einer anderen Stelle wieder in den Roman ein. Wieder ist die Sprache sehr intensiv, an einem neuen Ort, in einer neuen Zeit, mit neuen Charakteren, deren Werdegang er kurz skizziert, um die Zuhörenden nicht zu verlieren. Die Länge des Romans ermöglicht eine Vielzahl an Erzählebenen und Erzählsträngen, die nicht ganz einfach nachzuvollziehen sind, zumindest im Rahme einer Lesung. Zwischen den nächsten zwei Textauszügen erzählt er kurze Anekdoten aus dem Entstehungsprozess: 2008 auf einer Exkursion kommt ihm die Idee, 2015 folgen die ersten Sätze, 2024 wird das Buch veröffentlicht. Es wird deutlich, dass hinter diesem Roman ein intensiver Arbeitsprozess und eine lange Recherchearbeit stecken.
Liest man sich Rezensionen zu seinem Buch durch, kommen sie einstimmig zu dem Ergebnis: Die Projektoren ist ein gewaltiges Werk. Nicht nur angesichts des Umfangs, sondern auch auf den Erzählebenen und dem sprachlichen Stil. Zum Abschluss lässt er verlauten, er würde den Roman genauso noch einmal schreiben. Die darauffolgende Fragerunde rückt das ganze wieder in ein anderes Bild. Er agiert sehr defensiv, schlägt Antworten aus und weist selbst positive Rückmeldungen zurück. Die Benutzung von kritischen Bezeichnungen indigener Völker sieht er im historischen Kontext als Notwendigkeit an. Auf die Frage, wie Karl May kritisch zu beurteilen sei, gibt er zurück, dass er das Problem nicht sehe, seine Figur heiße Dr. May und er bewege sich in einer literarischen, fiktionalen Romanwelt.
Insgesamt haben seine Vorlesart und seine literarisch dichte Sprache überzeugt, was im Gegensatz zu seinem Auftreten steht. Außerdem scheint es, als müsse man sich bei der Lektüre nicht nur auf die Sprache, sondern auch auf die Geschichte, die Figuren und die Erzählebenen einlassen, die einen auf über 1000 Seiten begleiten.
Die Projektoren ist im S. Fischer Verlag erschienen und kostet als Hardcover 36 Euro, als E-Book 24,99 Euro.
(Lektoriert von hes.)