Die Zukunft des Deutschland(semester)tickets

Die Zukunft des Deutschland(semester)tickets

Die Länder, speziell die Verkehrsministerkonferenz, haben sich mit dem Bund auf eine Erhöhung des monatlichen Preises des Deutschlandtickets von 49 Euro auf 58 Euro geeinigt. Das wird aller Voraussicht nach ähnliche Auswirkungen auf unser Semesterticket haben.

Das Deutschlandticket

Ursprünglich wurde das Deutschlandticket im Mai 2023 als Nachfolger des 9-Euro-Tickets eingeführt und erhielt schnell Popularität. Momentan nutzen es durchschnittlich 13 Millionen Menschen. Das Ticket vereinheitlicht Tarifstrukturen und gestaltet das Bahnfahren wesentlich attraktiver. Doch es ist nicht einfach nur ein neues Abomodell der Bahn, sondern allein dank Subventionen möglich. Bund und Länder geben jährlich jeweils 1,5 Milliarden Euro aus, um Einnahmeverluste der Nahverkehrsvertriebe auszugleichen. Laut eigenen Aussagen verlieren sie insgesamt 50 Prozent der regulären Einnahmen. Diese Summe von 3 Milliarden Euro reicht dieses Jahr aber nicht aus und wird es auch im nächsten Jahr nicht. Um zusätzliche Mittel verwenden zu können, hat sich der Bundestag darauf geeinigt, das sogenannte Regionalisierungsgesetz zu ändern, sodass die Abrechnung für die Jahre 2023 bis 2025 gemeinsam erfolgt und beispielsweise Gelder in die nächsten Jahre gezogen werden dürfen. Das muss speziell beschlossen werden, weil diese Mittel immer zweckgebunden sind. Darüber hinaus sind die Länder für geeignete Maßnahmen zur Finanzierung zuständig, und deshalb wird es mit dem Beginn des nächsten Jahres um 9 Euro teurer werden. Die Zukunft über dieses Jahr hinaus ist keineswegs gewiss. Friedrich Merz, Vorsitzender der Unionsfraktion, deren Zustimmung zum Regionalisierungsgesetz entscheidend war, äußerte, dass seiner Erwartung nach, die Verhandlungen für eine Fortführung schwierig werden würden.

Auswirkungen auf unser Semesterticket

Für das Sommersemester 2024 wurde innerhalb der Systematik des Deutschlandtickets das Deutschlandsemesterticket bundesweit eingeführt. Dabei zahlen Studierende nur 60% des originalen Preises, also ungefähr 30 Euro. Das Student*innenparlament (StuPa) der Uni Marburg entschied sich aber zunächst dagegen, weil die Angst vor Preiserhöhungen (es stellt sich heraus, nicht ganz unberechtigt) und einer fehlenden Rückkehroption zu den alten Nahverkehrsverträgen bestand. Im Gegensatz zu vielen anderen Universitäten kam die Einführung dann mit diesem Semester verspätet, weil der RMV nun laut Verkehrsreferat des AStA bis 2028/29 die Rückkehroption versichert habe und das StuPa dementsprechend dafür stimmte.

Basis für diese Entscheidung war unter anderem eine, aufgrund gravierender methodischer Mängel, explizit als nicht repräsentativ deklarierte Umfrage des Verkehrsreferats, in der sich eine Mehrheit für das Deutschlandsemesterticket aussprach. Der festgelegte Preis von 176,40 Euro gilt jetzt für das Wintersemester sowie das Sommersemester 2025 und wird höchstwahrscheinlich dann mit dem Wintersemester 2025/26, sofern das Deutschlandsemesterticket beibehalten wird, auf ungefähr 35 Euro pro Monat steigen. Das ergibt dann einen genauen Stellenwert im Semesterbeitrag von 208,80 Euro

Unglücklicherweise ist das aber alles keine abgesicherte Sache, weil das Semesterticketmodell natürlich nochmal mit zusätzlichen Geldern subventioniert wird und die Politik durchaus auf die Idee kommen könnte, hier ließe sich etwas einsparen. Deutsche Sozialverbände, allen voran der VdK, kritisieren die geplante Erhöhung vehement und unterstreichen erneut ihre Forderung nach einem günstigeren Deutschlandticket für sozioökonomisch schwache Gruppen. Auch der Vorsitzende des Deutschen Studierendenwerks bekräftigt, dass ein weiterhin rabattiertes Deutschlandticket Aufgabe einer zukünftigen Regierung sei. Dass die Union, höchstwahrscheinlich stärkster Partner in der nächsten Regierungskoalition, sich für das Fortlaufen des D-Tickets einsetzen wird, kann als unwahrscheinlich bezeichnet werden, nachdem sich besonders die CSU einem Auslaufen nicht unbedingt ablehnend gegenüber zeigte.

Wen bezahlt man mit dem D-Ticket?

Dabei läuft das gesamte Deutschlandsemesterticket ebenfalls im Solidarmodell ab, jedoch im Vergleich zu den vorherigen Verträgen nicht nur auf die Studierenden aus Marburg bezogen, sondern natürlich deutschlandweit. Alle Studierende der Universitäten mit dem Deutschlandsemesterticket zahlen, es fahren aber nicht alle deutschlandweit Bahn. Bei uns erhöhte sich durch die Umstellung der Semesterbeitrag, in Frankfurt sank er, da dort vorher viel für die Metro bezahlt wurde. Auch eine Systematik, die man im gesamten Rahmen des Deutschlandtickets hinterfragen kann, weil hier spezielle Angebote, wie die U-Bahn, einbezogen werden, die ungleich teurer sind und von vielen Nutzern des Tickets überhaupt nicht genutzt werden können. Bei aller Vereinheitlichung von Tarifstrukturen könnte man hier durchaus Bereiche ausgliedern, damit nicht der Regionalbahnbenutzer aus Cölbe die Metro in Frankfurt finanziert.

Die Verteilung der Einnahmen des Deutschlandtickets auf die einzelnen Verkehrsvertriebe ist dabei allgemein recht undurchsichtig. Eine Kommission verteilt sie auf die Länder, die wiederum auf die Tariforganisationen und die wiederum auf die Verkehrsvertriebe. Eine für den normalen Nutzer des Deutschlandtickets verständliche Struktur fehlt. Dabei erscheinen einem die Preise für Einzelfahrten in Relation zum Deutschlandticket aber auch allgemein immer etwas absurd. Wenn ich am Tag der Abfahrt ein reguläres Ticket von meiner Heimatstadt Dillenburg nach Frankfurt kaufen möchte, zahle ich glatte 19 Euro! Und wenn ich nicht sowieso in die Großstadt umziehen und daher auch wieder zurückkommen möchte, sind es für die Rückfahrt nochmal 19 Euro. Wenn ich jetzt noch mit dem Bus in einen Ortsteil oder mit dem ÖPNV in Frankfurt fahren möchte, dann bin ich kostentechnisch schon bei dem derzeitigen Preis des Deutschlandtickets angelangt. Diese Preise stehen in einem stark verzerrten Verhältnis zum D-Ticket, auch, wenn man die zusätzlichen Subventionen für die Verkehrsvertriebe einberechnet.

Der Fernverkehr

Gibt es ein schöneres Gefühl auf dieser Welt, als in einen ICE zu steigen, während viele andere Fahrgäste am Bahnsteig verbleiben müssen, weil sie nur ein D-Ticket besitzen? Die Ruhe, die Leere, der schöne Ausblick – und dann erst die weichen Sitze. Fernverkehr kann, sofern er denn pünktlich (oder überhaupt) kommt, ein wahres Erlebnis sein. Das alles ist nur möglich, weil jeder und jede von uns pro Semester 60 Euro hinblättert. Damit sind ICs und ICEs zwischen Städten wie Heidelberg und Göttingen nutzbar. Das bedeutet in der Praxis eine kleine Zeitersparnis für Studierende, die ein weiter entferntes Ziel haben. Fährt man aber beispielsweise nur von Marburg nach Frankfurt sind die Fernverkehrszüge nicht schneller als der Regionalexpress. Trotzdem profitiert man natürlich von einem angenehmeren Reiseerlebnis.

Blickt man auf die normalen Kosten für diese Zugverbindungen, so wirkt der Vertrag mit der DB Fernverkehr AG wie eine ziemliche gute Sache. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass auch dieser im Solidarmodell abläuft, was eigentlich nicht ganz nachvollziehbar ist, weil der Fernverkehr zwar schön (ich erinnere an die Ruhe), aber keinesfalls notwendig ist. Doch in der Praxis scheint er von vielen regelmäßig genutzt zu werden und auch in der Umfrage des Verkehrsreferats vom letzten Jahr hatten sich etwa 60 Prozent der Teilnehmenden für die Beibehaltung des Fernverkehrsvertrags ausgesprochen. Das stammt sicherlich auch daher, dass ein Austritt endgültig und nicht rückgängig machbar wäre. Im StuPa gab es letztendlich keine einzige Stimme für ihn. Es ist jedoch erwähnenswert, dass zu der Frage des Semestertickets in der betreffenden Sitzung nur 23 Stimmen abgegeben wurden – eine fragwürdig niedrige Zahl, wenn man bedenkt, dass es sich um das teuerste Element des Semesterbeitrags handelt.

Blick in die Zukunft

Angesichts der bekannten Mängel der letzten Umfrage und der fortschreitenden Teuerung wird es sicherlich interessant sein, welche Ereignisse die angekündigte neue Umfrage im nächsten Jahr hervorbringt. Unterstützung wird das Verkehrsreferat hier höchstwahrscheinlich maßgeblich durch das neue Referat für studentische Sozialerhebungen erhalten. Der Soziologiestudent Robert Cook wurde in der letzten StuPa-Sitzung vom 13. November 2024 in dieses Referat gewählt und ging bereits in seiner Bewerbung auf die Mängel der letzten Umfrage ein. Die Umstellung auf das Deutschlandticket in Zusammenhang mit der Beibehaltung des Fernverkehrsvertrags ist dabei unter Studierenden nicht ganz unumstritten, so kritisierte die Fachschaftenkonferenz, speziell die Fachschaft Physik, in ihrer Sitzung am 24. Oktober 2024 den Fernverkehr und forderte von den Hochschullisten Stellungnahmen zu dem Thema, die bis zur nächsten StuPa-Sitzung erwartet werden.

Mit der kommenden Preiserhöhung des D-Tickts im nächsten Wintersemester 2025/26 wird eine weite Diskussion um die Fortführung der teuersten Variante des Semestertickets unvermeidbar sein. Bei der Entscheidung im StuPa wäre es dann sicherlich wünschenswert, wenn die beiden Themen Nahverkehr und Fernverkehr getrennt behandelt werden würden. In diesem Jahr wurden vier verschiedene Optionen in einer Abstimmung zusammengefasst, obwohl die beiden Aspekte nicht zwangsläufig miteinander verknüpft sind. Dadurch könnten sich Stimmen aufsplitten, die beim Fernverkehr eigentlich einer Meinung sind. Um bei dem Thema mitbestimmen zu können, sollte man im nächsten Jahr nicht nur an der Umfrage und an der Hochschulwahl teilnehmen, sondern auch der Bundestagswahl Beachtung schenken. Dass eine Beibehaltung des D-Tickets mit akzeptablem Preis finanziell keinesfalls unmöglich ist, zeigt das veraltete Dienstwagenprivileg, für das der Bund jährlich mehr als doppelt so viel Geld ausgibt wie für das Deutschlandticket.

(Lektoriert von lurs und mas.)

studiert Lehramt und ist seit Oktober 2024 bei PHILIPP.

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