Holy Shit – schon wieder Weihnachten?

Holy Shit – schon wieder Weihnachten?

Spätestens wenn Michael Bublés Weihnachtsalbum und Wham mit Last Christmas im Radio rauf und runter laufen und die allseits beliebte Einladung zum jährlichen Klassentreffen des Abschlussjahrgangs eintrudelt, wird auch der:dem Letze:n allmählich bewusst: Weihnachten steht vor der Tür! Statt einem kühlen Bier gibt es heißen Glühwein und die Lammfellwärmer für die Füße – aka UGG-Boots – dominieren das Straßenbild. Hurra, ich kann es kaum erwarten; bald ist Heiligabend!

Klopapier mit Zimtgeruch

Was an Weihnachten außer Jesu Geburt – bei der man sich by the way zum Großteil einig ist, dass diese nicht am 24. Dezember stattgefunden hat – heilig sein soll, ist mir bis heute nicht klar geworden. Menschen stürmen vom Konsumrausch getrieben die Einkaufspassagen hoch und runter und sind verzweifelt auf der Suche nach halbwegs sinnvollen Geschenken für ihre Liebsten, die sichtlich große Augen machen würden, wenn man sich dieses Jahr aber mal wirklich nichts zu Weihnachten schenkt. Wenn das Holiday Duft Set für die Schwiegermutter und LEGO Technic für den Enkel nicht vorrätig sind, reicht ein Klick bei Amazon und die Hermes Engel werden auf die Reise geschickt. Bei einer Bestellung bis zum 23. Dezember um 23:59 Uhr kann ich mir ja schließlich sicher sein, dass das Paket rechtzeitig zur Bescherung unter dem Baum liegt. Also warum eigentlich der ganze Stress?

Erzengel Hermes

Dem ganzen Weihnachtstrubel zu entfliehen scheint schier unmöglich. Mein Brötchen auf dem Weg zur Uni kaufe ich bei der:dem Bäckereifachverkäufer:in mit Nikolausmütze, das Klopapier gibt’s nun auch in der Weihnachtsedition mit Zimtgeruch und im Supermarkt an der Kasse versüßt mir Mariah Carey mit „All I want for Christmas is youuuuuu“ die Wartezeit. Endlich zu Hause angekommen bin ich nicht mal bei Netflix und Spotify sicher vor dem Weihnachtswahnsinn. Wenn es wieder heißt „A Christmas Prince“ oder „Xmas Hits für alle“ – mit Stimmungskrachern wie „Stille Nacht, heilige Nacht“ – hilft wohl nur noch Digital Detox.

Es kann doch nichts Schöneres geben, als nach dem weihnachtlichen Fressmarathon mit der Familie zwischen Bergen von zerfetztem Geschenkpapier auf dem Sofa zu sitzen, das neue goldene iPad Mini X3579 mit Super Ultra HD Funktion zu testen und währenddessen Franz und Sisis Wiedersehen entgegenzufiebern. Familie und Tradition schön und gut, aber was sagt das eigentlich über das Bild und die Situation in unserer Gesellschaft aus, wenn Klischees dann doch wieder unsere Prinzipien in den Schatten stellen? Es scheint mir, als würden wir nach den ganzen Kämpfen unter dem Jahr, für mehr Geschlechtergerechtigkeit, Toleranz und Umweltschutz, mit dem Anzünden der ersten Kerze eine Art Reset-Knopf betätigen oder zumindest in einen Standby-Modus wechseln.

Wir überhäufen uns mit Geschenken, schlagen uns den Magen mit Weihnachtsbraten oder Raclette voll bis wir platzen, hetzten an den Feiertagen von einem Familienteil zum Nächsten und fliegen bestenfalls nach der ganzen Hektik noch ein paar Tage ins Warme. Kann das noch der Anspruch einer scheinbar so reflektierten Generation Z sein, die jeden Freitag auf die Straße geht? Wie erklären wir unseren Kindern, dass bei ihnen an Weihnachten der Schnee wohl nicht mehr so leise rieseln wird? Und warum sind es am Ende leider immer noch zum Großteil die Frauen, die sich neben beruflichen Verpflichtungen, um die Geschenke, den Weihnachtsschmuck und die Vanillekipferl kümmern müssen?

Weniger ist manchmal mehr

Wir brauchen Weihnachten ja nicht gleich boykottieren, aber vielleicht mal an der einen oder anderen Stelle reflektieren! Müssen in der Weihnachtszeit stereotype Werbeklischees und Rollenbilder die Fernsehbildschirme und Litfaßsäulen dekorieren? Müssen wir uns zu Weihnachten wirklich mit den, meist auf den letzten Drücker noch schnell besorgten, Geschenken überhäufen, die den Einzelhandel meist glücklicher machen, als ihre:n Besitzer:in? Müssen die Weihnachtsfeiertage immer in einem Food-Koma vor dem Fernseher enden? Und muss ich mich rechtfertigen, wenn ich Weihnachten auch einfach mal nicht mit meiner Familie verbringen will?

Vielleicht ist weniger an Weihnachten auch einfach mehr. Weniger Konsum und Scheinheiligkeit und ein bisschen mehr Warmherzigkeit und Ehrlichkeit. Vielleicht mal ein bisschen den Blick über den Tellerrand wagen und nicht in den Standby-Modus verfallen – vor allem die Umwelt würde es uns danken! Und bestimmt auch die vielen Menschen, bei denen sich der Dezember um ganz andere Dinge dreht als Weihnachten. Dann lässt sich vielleicht auch mal mit gutem Gewissen zu Last Christmas mitsummen und Drei Haselnüsse für Aschenbrödel durch die feministische Brille anschauen.

FOTO: Pixabay

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