Zehntausende protestieren gegen die Neugründung der AfD-Jugendorganisation in Gießen
Bild: Kim-Darleen Müller
Am vergangenen Wochenende reisten schätzungsweise 35.000 Demokrat*innen aus ganz Deutschland nach Gießen, um gegen die Gründung der neuen AfD-Jugendorganisation, die in den dortigen Hessenhallen stattfand, zu protestieren.
Generation Deutschland – Junge Alternative in neuem Gewand
Die Generation Deutschland ist die neue Jugendorganisation der AfD. Die vorherige Junge Alternative war formal ein Verein und ihre Mitglieder mussten nicht der AfD angehören, sodass auch die Parteiregeln für sie nicht galten. Daher war die Kontrolle der AfD über ihre Jugendorganisation nur sehr begrenzt. Die Junge Alternative wurde vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft und hat sich März 2025 aufgelöst. Die neue Organisation soll näher an die AfD gebunden sein und als „Kaderschmiede“ für die Partei dienen.
Es wird jedoch angenommen, dass dies die Jugendorganisation nicht weniger radikal werden lässt. Zumal der neue Vorsitzende der Generation Deutschland, Jean-Pascal Hohm, brandenburgischer Landtagsabgeordneter der AfD, vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird und persönlich in ebensolchen Kreisen vernetzt sein soll.
Buntes Programm mit klarer Message
Protest gegen die Veranstaltung wurde bereits vor Monaten angekündigt und geplant. Mehrere Bühnen beherbergten Redner*innen und Musik-Acts. In den Beiträgen kamen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Bezügen zu der Veranstaltung zu Wort – darunter unter anderem Gewerkschaftler*innen, die Bundestagsabgeordnete Desiree Becker der Partei Die Linke und ein Nachfahre eines Holocaust-Überlebenden. Auch die queer-feministische Community war mit einer eigenen Bühne vertreten.
Thematisiert wurden jedoch nicht nur die AfD und ihre Jugendorganisation, sondern beispielsweise auch der Krieg in Gaza, die fortschreitende Militarisierung und die CDU, da sie die Ideen und Narrative der AfD übernehme. Der gemeinsame Konsens: „Nie wieder Faschismus“ und „Kapitulation ist keine Option“. Damit einher ging zudem immer wieder die Forderung eines AfD-Verbots.
Früh vor Ort
Trotz widriger Wetterbedingungen waren bereits gegen 5 Uhr morgens erste Protestierende und Organisationen wie die Initiative „Kein Bock auf Nazis“ vor Ort, um über die Abläufe des Tages zu informieren und die Protestierenden mit heißen Getränken sowie Demomaterial auszustatten. Über 200 Busse aus mehr als 50 Städten hatte im Vorfeld das Bündnis „widersetzen“ organisiert, um Demokrat*innen aus ganz Deutschland die Anreise nach Gießen zu ermöglichen.
Auch aus Marburg reiste eine große Delegation mit der Bahn an. So versammelten sich bereits in der Frühe mehrere Tausend Menschen zu einer Kundgebung am Gießener Bahnhof, von wo aus ab 6 Uhr ein Demonstrationszug in Richtung der Hessenhallen startete, wie auch aus dem angrenzenden Heuchelheim.
Zudem wurden sämtliche Zufahrtsstraßen zum Veranstaltungsort von Demonstrierenden blockiert, um zu verhindern, dass Veranstaltungsteilnehmer*innen die Hessenhallen erreichen. Dort wurden seit den frühen Morgenstunden symbolische Brandmauern errichtet. Diese bestanden aus Demonstrierenden, die – dicht zusammengerückt und Transparente hochhaltend – eine Art Mauer bildeten. Viele dieser Mauern wurden bis zum Ende der Proteste aufrechterhalten.
Eine Demonstration direkt vor Ort war aufgrund der großflächigen Abriegelung der Gießener Weststadt, in der die Hessenhallen liegen, nicht möglich. Dennoch verfehlte der Protest seine Wirkung keineswegs: Die Blockaden sorgten dafür, dass sich der Start der Gründungsveranstaltung um etwa zwei Stunden verzögerte und mutmaßlich nur etwa die Hälfte der geplanten Teilnehmer*innen diese überhaupt erreichten.
Überwiegend friedlicher Protest
Insgesamt lief der Protest weitestgehend friedlich ab. Begleitet wurde er von Musik, gemeinsamem Tanz und Sprechchören wie „Alle zusammen gegen den Faschismus“ oder „Siamo tutti antifascisti“. Gegenüber den 4000 bis 5000 Polizist*innen, die vor Ort waren, um das Gebiet um die Hessenhallen großzügig abzuschirmen, war die Stimmung jedoch spürbar angespannt und geladen. Immer wieder forderten Redner*innen und Demonstrierende die Polizei dazu auf, den Weg freizumachen, um in Hör- und Sichtweite der AfD-Veranstaltung demonstrieren zu können.
An Orten, an denen Polizist*innen und Demonstrierende zusammentrafen, kam es teils zu hitzigen Auseinandersetzungen, in denen die Polizei mit Schlagstöcken, Wasserwerfern und Pfefferspray gegen Protestierende vorging. Die Verhältnismäßigkeit der Polizeieinsätze wird im Nachgang von vielen Beobachtern in Frage gestellt. Dennoch gelang etwa 5000 Demonstrierenden ein Durchbruch durch die polizeilichen Barrikaden und sie drangen laut „widersetzen“ bis zu den Hessenhallen vor.
Zum Ende kam der Tag ab 15 Uhr mit einer Abschluss-Demonstration durch die Stadt.
Impressionen eines ereignisreichen Tages hat die Redaktion in diesem Reel zusammengetragen.
