Burschenschaften in Marburg

Burschenschaften in Marburg

Bild: Annabell Sent

Wer zum Studieren nach Marburg kommt, stolpert früher oder später einmal über das schwarze Schaf der Marburger Studierendenschaft: Die Burschenschaften.

Was genau sie zu unserem schwarzen Schaf macht, was sie von anderen Verbindungen unterscheidet und was zum Teufel ein Schmiss ist, wird im Folgenden kurz und knapp erklärt.

Burschenschaften, Studierendenverbindungen & Co. – alles das Gleiche?

Nein. Auch wenn es grundsätzliche Gemeinsamkeiten gibt, ist es gerade hier wichtig zu differenzieren:

Unter dem Überbegriff der Studierendenverbindung sammeln sich verschiedene Gruppen. Grundsätzlich sind sie immer eine Vereinigung von Studierenden, die bestimmte Bräuche pflegen und bestimmte gemeinsame Ziele verfolgen. Außerdem gehören die Mitglieder nach Abschluss des Studiums weiterhin der Verbindung an und zahlen eine lebenslange Mitgliedschaft.

Es gibt viele verschiedene Verbindungen: beispielsweise Sängerschaften, die sich in ihrer Gemeinschaft auf Musik ausrichten; Turnerschaften, die einen sportlichen Fokus haben; religiöse und wissenschaftliche Verbindungen. Sogenannte Corps sind besonders alte Verbindungen, während Damen-Verbindungen nur für Frauen zugänglich sind. Landsmannschaften sind Verbindungen, die daraus entstanden sind, dass sich aus demselben Land stammende Studierende zusammengeschlossen haben. Heute ist dieser Name häufig nur noch ein Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Verbindung. In gewissen Dachverbänden, zu denen teils auch Landsmannschaften und vor allem Burschenschaften gehören, werden noch immer ein deutscher Abstammungsnachweis gefordert oder ähnliche Maßnahmen getroffen.

Burschenschaften sind politisch orientiert und gelten als national-konservativ mit teilweiser Überschneidung zur extremen Rechten.

Viele Verbindungen sind in überregionalen Dachverbänden, sogenannten Korporationsverbänden organisiert. In fast allen spielt Alkohol eine gewisse Rolle.

Ein gemeinsames Ziel vieler Burschenschaften und auch anderer Verbindungen ist die Schaffung einer ‚akademischen Elite‘.

Die Politik der Burschenschaften

Burschenschaften in Deutschland zeichnen sich politisch generell durch national-konservative und stark patriotische Prägungen aus, wobei sich häufig auf traditionelle Werte wie ‚Ehre‘ oder ‚Vaterland‘ berufen wird. Ideologisch fallen einige Burschenschaften immer wieder durch eine Nähe zu rechtsextremen Gruppierungen oder Parteien auf. In einigen Verbindungen lassen sich beispielsweise personelle Überschneidungen mit der NPD oder der AfD finden, während andere Kontakte zur Identitären Bewegung oder anderen rechtsextremen Netzwerken pflegen. Aufgrund solcher Netzwerke stehen bestimmte Burschenschaften teilweise unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, während viele andere Studentenverbindungen zwar konservative Werte vertreten, dabei jedoch keine extremistischen Positionen einnehmen.

Auch in Marburg finden sich Burschenschaften, die sehr enge Kontakte zu rechtsextremen Netzwerken aufweisen. Im Jahr 2024 stufte der Hessische Verfassungsschutz Mitglieder der beiden Burschenschaften Germania und Rheinfranken als rechtsextrem ein. Begründet wurde dies mit Verbindungen zu Organisationen wie dem III. Weg und der Nutzung der Verbindungshäuser für rechtsextreme Veranstaltungen.

Auf der Fuxjagd

An der Suche nach einer geeigneten Bleibe in Marburg ist schon beinahe jede*r Studierende verzweifelt. Ein WG-Zimmer, unbefristet, bitte über 10 Quadratmeter, am besten unter 500 € und wenn möglich auch noch in der Oberstadt? Absolut unmöglich. Bis man auf WG-Gesucht plötzlich über diese eine Art von Anzeige stolpert: Riesige Zimmer in guter Lage werden dort zum Spottpreis angeboten – das klingt zu schön, um wahr zu sein. Schauen wir uns eine solche Anzeige doch mal genauer an und finden heraus, was dahintersteckt.

„Studentenwohnheim mit großem Angebot“, so lautet der Titel der Anzeige. 20 Quadratmeter für nur schlappe 180 €. Sieben Mitbewohner, alle männlich, es werden auch nur Männer gesucht. Anfragen bitte nur auf Deutsch, die Kontaktperson spreche kein Englisch. So weit so gut.

Auf den Fotos der Anzeige ist ein großes Haus mit prunkvollem Eingangsbereich und Deutschlandfahne auf dem Dach zu sehen. Neben den Schlafzimmern, die alle ein eigenes Bad beinhalten, verfügt die WG zusätzlich über einen Speisesaal samt Großküche, mehrere Gemeinschaftsräume, einen Garten und – festhalten – eine eigene Haushälterin!? Da kann doch was nicht stimmen.

 Eine kurze Internet-Suche der Adresse verrät, was sich die meisten wahrscheinlich schon gedacht haben. Die protzige Villa mit den billigen Zimmern gehört der Marburger Burschenschaft Arminia.

Während sich die Marburger Burschenschaften – und davon gibt es viele – auf WG-Gesucht meist noch als ‚private Wohnheime‘ oder ‚Wohngemeinschaften‘ tarnen, werden sie auf ihren Websites konkreter: Studenten werden gesucht, meist Erstsemester und männlich, Frauen sind nicht erwünscht. Nicht-binäre Personen sowieso nicht. Auch ein gewisses Selbstverständnis sollte bei Bewerbern vorliegen, etwa das Bekenntnis ‚zum kulturellen Erbe des deutschen Volkes‘. So heißt es zumindest auf der Website der Burschenschaft Rheinfranken.

Auf WG-Gesucht werben Burschenschaften mit billigen Angeboten und dem Versprechen von Bruderschaft und Spaß in der Studienzeit. Auch außerhalb des Internets finden sich solche Angebote, etwa in den Mensen der Universität oder an schwarzen Brettern aushängend. Ebenso sieht man – gerade in den Einführungswochen vor Semesterstart – in Marburg immer wieder Gruppierungen von jüngeren und älteren Männern mit Schirmmützen auf dem Kopf und farblich passenden Schärpen über der Brust. Zu Beginn des Semesters werden oft Einladungen zu großen Partys in Erstigruppen versendet. Hier gilt genauso wie oben: Im Zweifel erstmal die Adresse auf Google eingeben.

Doch was ist nun das Problem an diesen Burschenschaften? Unter 200€ für ein großes Zimmer in einer hübschen Villa inklusive Reinigungsservice zahlen zu müssen, klingt für viele wie ein wahrgewordener Traum. Doch das Leben in einer Verbindung kommt mit Preisen, die über die Monatsmiete hinaus gehen.

Abgesehen von der deutlichen politischen Einstellung der Marburger Burschenschaften hat die Mitgliedschaft in einem solchen Bund nicht nur Vorteile: So zahlt man(n) während des Studiums zwar nur eine sehr geringe Miete – geblecht wird dafür jedoch ein Leben lang: das Lebensbundprinzip. Ebenso müssen die sogenannten Füxe, Neumitglieder in Burschenschaften, ein oder mehrere Semester lang Prüfungen bestehen, Initiationsrituale durchlaufen und Dienste tun, bevor sie als vollwertige Burschenschaftler aufgenommen werden. In vielen Fällen ist auch das Fechten Teil dieser Zeremonien.

Abschließend also ein Appell: Auch wenn die Suche nach einer WG auf dem Marburger Wohnungsmarkt ganz fürchterlich ist, lasst euch nicht von den vermeintlich attraktiven Angeboten der Burschenschaften locken. Egal wie einfach diese Lösung scheint, sich auf Lebenszeit rechten Vereinen zu verschreiben ist es einfach nicht wert!

Solltet ihr bei der Wohnungssuche immense Probleme haben und nicht weiterwissen, wendet euch an den AStA: wohnen[at]asta-marburg.de

Einmal Burschi – immer Burschi?!

Der Beitritt einer Verbindung sollte nie unüberlegt oder unreflektiert erfolgen. Das ‚Lebensbundprinzip‘ sieht in den häufigsten Fällen eine lebenslange Mitgliedschaft, eine lebenslange Verbindung zu späteren Mitgliedern, eine lebenslange Treue und eine lebenslange Werteidentifikation vor.

Die Studierenden selbst werden als „Aktivitas“ bezeichnet, wohingegen ehemalige Studierende zu den „alten Herren“ ernannt werden. Im Hintergrund haben diese häufig einen nicht zu unterschätzenden Einfluss. Warum können WG-Zimmer einer Verbindung denn überhaupt so preisgünstig angeboten werden? Unteranderem, weil die „alten Herren“ nicht nur ihre Erfahrungen oder Netzwerke teilen, sondern auch die Gemeinschaft finanziell unterstützen.

Das Prinzip selbst beruht zwar auf einem Profitieren voneinander und miteinander, doch kann das lebenslange Binden an eine Gemeinschaft durchaus zu nicht absehbaren Folgen führen.

Tradition mit scharfer Klinge

Das Fechten hat in Studentenverbindungen eine lange Tradition. Es geht dabei weniger um das sportliche Geschick, sondern vielmehr darum, dass Verbindungsbrüder Mut, Standhaftigkeit und Ehre unter Beweis stellen. Ein Fechtduell zwischen Mitgliedern von Studentenverbindungen nennt man Mensur. Während einer Mensur wird mit scharfer Klinge gefochten. Doch nicht alle Verbindungen verlangen von ihren Studenten auf diese Art zu Fechten, die die es tun nennt man schlagende Verbindungen. Man unterscheidet dabei zwischen pflichtschlagenden und fakultativschlagenden Verbindungen. Pflichtschlagend meint, dass die Teilnahme an einer bestimmten Anzahl an Mensuren verpflichtend ist. Fakultativschlagend hingegen bedeutet, dass das Fechten zwar trainiert wird, aber nicht zur Teilnahme an einer Mensur verpflichtet wird. Sichtbare Schnitte im Gesicht, die während einer Mensur mit einem Degen geschlagen wurden, nennt man Schmiss; welcher mit Stolz getragen wird.

Die Verbindungen Marburgs

In Marburg gibt es 27 Studierendenverbindungen, viele von ihnen liegen um das Schloss herum.

6 von ihnen sind Burschenschaften (Germania, Rheinfranken, Normannia-Leipzig, Alemannia, Arminia und Teutonia Germania),

4 sind Turnerschaften (Philippina-Saxonia, ATV Amicitia zu Greifswald in Marburg, ATV Marburg und Schaumburgia),

4 sind Landsmannschaften (Chattia, Hasso-Borussia zu Marburg im CC, Nibelungia und Hasso-Guestphalia),

4 sind Corps (Guestphalia es Suevoborussia, Hasso-Nassovia, Suevia-Straßburg zu Marburg und Teutonia) und

6 sind Christliche Studentenverbindungen (K.D.St.V. Platia Marburg, V.K.D.St. Rhenania Marburg, K.St.V. Thuringia im KV zu Marburg, Marburger Wingolf, Clausthaler Wingolf zu Marburg und Schwarzburgbundverbindung Frankonia zu Marburg),

eine ist eine Musikalische Verbindung (AMV Fridericiana) und

2 sind Wissenschaftliche Verbindungen (Verein Deutscher Studenten Marburg und W.K.St.V. Unitas Elisabetha Turingia/ Unitas Franko-Saxonia).

Bis auf 2 (ATV Amicitia zu Greifswald in Marburg und AMV Fridericiana) sind alle Marburger Studierendenverbindungen reine Männerbünde.

13 von ihnen sind Pflichtschlagend und 3 fakultativ schlagend.

Für einen guten weiteren Überblick über die Marburger Studentenverbindungen empfehlen wir den Verbindungsreader des AStA:

https://asta-marburg.de/fileadmin/Referate/Antifa/verbindungsreader.pdf

Zum Nachlesen der Überschneidungen zwischen einer Marburger Burschenschaft und der extremen Rechten empfehlen wir folgenden Artikel:

https://philippmag.de/unsere-rechte-schuetzen-rechte

(Lektoriert von hab und ans.)

studiert im Master Internationale Strafjustiz und ist seit dem Wintersemester 2024 bei Philipp. Interessiert sich journalistisch besonders für politische und kulturelle Themen.

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