Lange Nacht der Museen in Frankfurt: Wie viel Kultur passt in sieben Stunden?

Bild: Laura Schiller
Am 10. Mai öffneten über 40 Museen in der Langen Nacht der Museen in Frankfurt ihre Türen. Unsere Redakteurin nimmt euch mit auf einen Besuch zwischen Kunst, Kultur und Warteschlangen.
Frankfurt präsentierte sich an diesem lauen Frühsommerabend von seiner besten Seite. Die Stadt wird alljährlich zu einem florierenden Kultur-Event, das seine Besucher*innen dazu einlädt, die vielfältige Museumslandschaft zu Fuß, per Shuttlebus oder S- und U-Bahn zu erkunden. Eigentlich perfekte Voraussetzungen für einen entspannten Abend.
Wenn die EZB die Türen öffnet…
Die Kunstsammlung der Europäischen Zentralbank (EZB) steht unter dem Motto: „In Vielfalt geeint – Celebrating Europe“. Die Idee: Europas Diversität durch Kunst sichtbar machen. Als ich die Lange Nacht der Museen im vergangenen Jahr besuchte, waren die Tickets für die EZB bereits restlos ausverkauft – umso klarer war für mich: Dieses Jahr ist der Besuch ein Muss.
Das imposante Gebäude beeindruckt. Lichtdurchflutete Hallen, die durch Treppenstufen im Pop-Art Stil miteinander verbunden sind. Im Inneren: eine Kunsthalle mit dem Charme eines Großraumbüros. Überall an den Wänden hängen Kunstobjekte, über die man dank der ca. 30-minütigen Führung einige lustige Anekdoten erfahren kann. Klassische Gemälde findet man hier ebenso wie ein Kunstwerk in Form einer mathematischen Gleichung, die komplexe ökonomische Zusammenhänge darstellt und vom Künstler Liam Gillick eigens für die EZB erschaffen wurde.
Das Werk „Frankfurter“, das sich über eine komplette Wand erstreckt, spiegelt das Motto der EZB aber wohl am besten wider. Der europäische Gedanke, Individuen als Teil eines großen Ganzen anzusehen, wird hier in Form einer Fotomontage dargestellt. Das Gebäude ist – mit Ausnahme des Erdgeschosses – nur mit zwei Führungen zugänglich: der Führung durch die Kunstsammlung sowie einer Führung der Martin-Elsaesser-Stiftung. Letztere beschäftigt sich mit dem Architekten eines Gebäudes der EZB. Eine Führung, die konkret auf die EZB ausgerichtet ist, gibt es allerdings nicht. Wer mehr über das europäische Bankensystem erfahren will, muss sich an aufgebauten Infotafeln selbst informieren. Ein Besuch bei der Europäischen Zentralbank ist außerdem mit Aufwand verbunden. Eine Online-Registrierung ist notwendig und die Plätze für die Führungen sind begrenzt.
Und Warten auf Europa
Der bleibende Eindruck: die Warteschlangen. Der Andrang ist enorm, flughafenähnliche Sicherheitskontrollen inklusive. Die Wartezeit, um überhaupt in das Gebäude zu gelangen, beträgt bereits über eine Stunde. Hat man es nach innen geschafft, wird man mit weiteren Wartezeiten „belohnt“: An der Garderobe und in der Warteschlange für die Führungen, die alle halbe Stunde stattfinden. Feste Timeslots für das Online-Ticket? Leider Fehlanzeige! So hätte man sich eine Menge Frust ersparen und in den 90 Minuten Wartezeit noch bestimmt zwei weitere Museen besuchen können.
Kindheit auf drei Etagen: Das Struwwelpeter-Museum
Am Frankfurter Römer befindet sich ein Geheimtipp: das Struwwelpeter Museum. Die unscheinbare, hellgraue Häuserfassade eines historischen Wohnhauses überrascht im Inneren mit einer bunt gestalteten Einrichtung. Auf drei Stockwerken beschäftigt sich die Ausstellung liebevoll und persönlich mit dem Schöpfer des berühmten Kinderbuches: Heinrich Hoffmann, einem Frankfurter Arzt und Psychiater. Begutachten kann man diverse Fassungen des Struwwelpeters, erstmals erschienen 1844. Das Museum ist nicht nur ein Highlight für Kinder, auch Erwachsene erleben hier die (Alp-)Träume ihrer Kindheit wieder – ein Grund, warum dieses Museum unbedingt besichtigt werden musste. Lebensgroße, beleuchtete Abbildungen der berühmten Figuren, wie etwa Hans-Guck-In-Die-Luft oder dem Zappelphilipp (übrigens nicht zu verwechseln mit dem Namensgeber dieses Magazins) säumen den Rundgang. Für die Besucher*innen gibt es viele, interaktive Angebote, etwa einen Mal- und Bastelstand und ein Kostümzimmer. Es ist eine ungewöhnliche, aber willkommene Abwechslung von den „klassischen“ Museen.
700 Jahre Kunst unter einem Dach: Das Städel Museum
Ein solches ist etwa das Städel Museum, dessen imposantes, an einen Tempel erinnerndes Sandsteingebäude am Museumsufer thront. Die Dauerausstellung, „700 Jahre Kunst unter einem Dach“, reicht von alten Meistern – darunter das berühmte Gemälde „Goethe in der römischen Campagna“, das den Dichter auf seiner italienischen Reise zeigt, bis zu zeitgenössischen Werken. Doch nicht nur meine persönliche Faszination für Goethe hat mich hierhergeführt. Besucher*innen werden auf eine künstlerische Zeitreise geschickt. Denn das Städel kann nicht nur Klassik. Zu sehen sind auch die Werke von Annegret Soltau, einer Vorreiterin der feministischen Kunst. In ihren Kunstwerken wird ihr Körper politisches Objekt. Im Garten des Museums scheint all das dann plötzlich wieder weit weg: An Foodtrucks kann man kurz verschnaufen und währenddessen die Frankfurter Skyline bei Nacht betrachten.
Kultur für alle
Das Schönste an der Langen Nacht der Museen? Ihre Vielfalt, die sich im Kulturangebot und in den Besucher*innen zeigt. Die Auswahl an Museen ist enorm: klassische Kunstmuseen, das Deutsche Filmmuseum oder das Science Center begeistern ein breites Publikum. Der Abend zeigt: Kultur kann vor allem für junge Menschen durchaus attraktiv gemacht werden. Das Angebot ist abwechslungsreich. Einige Museen spielen Livemusik, im Jüdischen Museum legt ein DJ auf. Frankfurt schafft es sogar, dass Kulturteilhabe verhältnismäßig günstig angeboten wird. Das ermäßigte Ticket kostet 12 Euro. Regulär kostet allein der Eintritt ins Städel Museum 16 Euro. Das passende ÖPNV-Ticket ist sowohl in unserem Semesterticket als auch in dem Ticket für die Museumsnacht inbegriffen.
Fazit: Warten lohnt sich (meistens)
Trotz aller Highlights gilt: Wer möglichst viel erleben will, braucht Planung. Langes Warten ist die Regel, nicht die Ausnahme, dessen sollte man sich bewusst sein und sich überlegen, auf welche Museen man die Priorität legt. Teils sind die Museen extrem überfüllt, darauf muss man sich leider einstellen. Realistisch zu schaffen sind drei Museen, wenn man direkt um 19 Uhr startet. Die Museumsnacht dauert übrigens bis ca. 2 Uhr – für die kulturell wirklich Hochmotivierten. Und obwohl so viel Kultur und Schlangestehen auch anstrengend sein können, zeigte sich: Frankfurt lebt an diesem Samstagabend. Und den Sonnenuntergang über der Frankfurter Skyline durch die verglaste Fassade der EZB betrachten zu können, entschädigt für Vieles.
(Lektoriert von leb, jub und jap.)
ist seit Oktober 2024 bei PHILIPP, studiert PoWi und Neuere deutschsprachige Literatur, weiß (fast) alles über die Simpsons und kann "Faust" auswendig zitieren.
Sehr interessanter und spannender Bericht, treffende Analyse! Vielen Dank!