Ode an die Plastiktüte

Ode an die Plastiktüte

Tief auf dem Meeresboden liegt das, was ich gerne hätte: eine Plastiktüte. Seit Plastik in Ungnade gefallen ist, verstecke ich meine letzten Plastiktüten vor Besuch – damit ja niemand auf die Idee kommt, sie mir wegzunehmen – und lasse mich von neuen Behältern in die Verzweiflung treiben.

Für meinen letzten Umzug habe ich mir eine große Portion Müllsäcke gekauft. Auf diese Weise konnte ich Shampoo und Kleidung im gleichen Karton transportieren – ohne das Risiko, mein Leben in der neuen Wohnung zwar ohne Shampoo, dafür aber mit stark riechenden, klebrigen Pullovern zu beginnen.

Meine Umzüge vorher habe ich noch mit stabilen Plastiktüten gemeistert. Auch im Urlaub, als Trennbehälter im Rucksack, waren sie perfekt. Leicht, wasserfest und sogar einfach auswaschbar. In dieser Zeit durften Freunde auch noch die Reste unserer gemeinsamen Mahlzeiten in ihnen transportieren. Bei einem nächsten Einkauf konnte ich meinen Vorrat ja wieder erweitern. Heute lagere ich meine letzten Tüten an einem geheimen Ort und träume davon, dass mein geliebtes Erdölprodukt wieder anerkannt wird.

Hoffnungsschimmer im Second-Hand-Shop?

Letzten Winter kaufte ich mir in einem Second-Hand-Shop eine Winterjacke. „Möchten Sie eine Tüte?“, fragte die Verkäuferin. Hoffnung stieg in mir auf. Vielleicht hatte der Laden ja auch einen Vorrat an gebrauchten Tüten. So Oldschool-Behälter, mit breiten Laschen und vielleicht einem coolen Logo. Ich bekam eine neue Papiertüte. Enttäuscht verließ ich den Laden. Nach zwei Minuten hörte ich ein Reißen. Ich versuchte, das unheilsame Geräusch zu ignorieren. Im nächsten Laden dann kämpfte ich mit der Winterjacke, die die Tüte auseinanderdrückte, bis es keine Tüte mehr gab.

Laut Zeit Online verbrauchen Deutsche weniger Plastiktüten, seit diese Geld kosten. Das ist an sich eine gute Nachricht. Plastiktüten sollten mehrmals verwendet und erst als Mülltüte benutzt werden, wenn das Shampoo darin schon zum dritten Mal ausgelaufen ist. Und auch danach sollten sie recycelt werden: Meerestiere benutzen kein Shampoo und brauchen daher auch keine Plastiktüten.

Die Konkurrenten

Der Umwelt hilft es aber auch nicht unbedingt, wenn ich mich nach einem Einkauf zwischen Papierfetzen wiederfinde. Vielleicht entsteht irgendwann wieder ein Baum, wenn ich alle aneinanderklebe. Und die riesigen Einkaufstaschen, die man in vielen Supermärkten kaufen kann, sind zwar praktisch – auch als Kartonersatz beim Umziehen – nehmen aber mehr Platz ein und können daher nicht so einfach in einen Rucksack neben Laptop und Bücher gequetscht werden.

Bliebe noch der Jutebeutel. Quetschbar, praktisch, gut. Vor ausgelaufenen Flüssigkeiten und nassen Straßen kann dieser Behälter aber auch nicht schützen. Daher hoffe ich auf eine Rückkehr der stabilen Plastiktüte – und auf ein Bewusstsein, dass Plastik nicht unbedingt schlechter ist als Papier, solange man es nur richtig verarbeitet und genug wiederverwendet.

FOTO: Kirsten Jöhlinger

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