Praktikum im Bundestag oder: Wieso bleibt der Plenarsaal meistens leer? 

Praktikum im Bundestag oder: Wieso bleibt der Plenarsaal meistens leer? 

Ob Veranstaltungen zur Lebensmittelverschwendung von Too Good To Go, Treffen mit der Deutschen Tier-Lobby oder der Besuch von Ausschusssitzungen – ein Praktikum im Bundestag garantiert einen abwechslungsreichen Alltag. Es ist spannend, einerseits die Termine mit Unternehmen, Verbänden und Expert:innen wahrzunehmen und andererseits die fachliche Arbeit im Hintergrund mitzuerleben. Normalität kehrt im Bundestag so gut wie nie ein. Wenn man vor Ort ist, bekommt man eine ganz neue Perspektive auf den politischen Betrieb, lernt die internen Prozesse näher kennen und sieht auch die Arbeit, die damit verbunden ist. Jeder Tag bringt eine neue Erfahrung. 

Von Salzgehalt bis Cannabis

Grundsätzlich orientieren sich die Arbeitstage eines Abgeordnetenbüros am Terminkalender der Abgeordneten. Während in Sitzungswochen im Bundestag viel Trubel herrscht, kehrt in Nicht-Sitzungswochen oftmals eine gespenstische Ruhe ein. Das Bild des leeren Plenarsaals ist dabei vielen ein geläufiges Motiv. Befindet man sich in dieser Zeit noch nach 18 Uhr in den Regierungsgebäuden, läuft man nur noch selten anderen Menschen über den Weg. In dieser Zeit befinden sich Abgeordnete nämlich meist in dem Wahlkreis, den sie betreuen. Lebhafter gestaltet sich das Geschehen in Sitzungswochen, in welchen regelmäßig auch nach 18 Uhr Abendveranstaltungen oder Abstimmungen im Plenum stattfinden. Im Zentrum steht dabei die Ausschussarbeit, die die Politiker:innen begleiten. Dabei wird ihnen eine sogenannte Berichterstattung zugeteilt, was bedeutet, dass jede:r Abgeordnete:r explizit bestimmte Schwerpunkte bearbeitet. Die Abgeordnete Rita Hagl-Kehl, die ich während meines Praktikums begleitete, etwa konzentriert sich innerhalb ihrer Arbeit im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft vor allem auf das Thema Gentechnik und Werbebeschränkungen. Abhilfe schafft dabei das Abgeordnetenbüro – so verfügen Abgeordnete neben Reisekostenpauschalen auch über ein Budget, welches für Mitarbeiter:innen bestimmt ist. 

Rita Hagl-Kehl, die im Wahlkreis Deggendorf (Bayern) gewählt wurde, ist im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sowie im Ausschuss für Tourismus tätig und betreut den Verbraucherschutz innerhalb der SPD-Fraktion. Im Praktikum bot sich mir dabei nicht nur die Möglichkeit, an den Ausschusssitzungen teilzunehmen, sondern auch an der wissenschaftlichen Ausarbeitung mitzuwirken. Dazu gehörte etwa die Gestaltung von fraktionsinternen Positionspapieren zu Werbebeschränkungen für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Salz- und Fettgehalt oder das Auswerten von Studien über „Neue genomische Techniken“. Zu den meisten thematischen Schwerpunkten finden dann zusätzlich Veranstaltungen der verschiedenen Interessensgruppen statt, an denen die Politiker:innen teilnehmen können. Je nach politischer Zugehörigkeit unterscheidet sich dabei die Präsenz der Bundestagsabgeordneten der verschiedenen Fraktionen. Während manche konservativen Parteien eher mit der Großindustrie kooperieren, fokussieren sich andere Parteien auf die Zusammenarbeit mit progressiveren Verbänden. Im Zuge dessen fand zum Beispiel auch der allererste parlamentarische Abend der Cannabiswirtschaft statt ­­­– über 200 Personen aus den verschiedensten Bereichen besuchten die Veranstaltung im Haus der Land- und Ernährungswirtschaft in Berlin. Als Präsent wurden den Besucher:innen die verschiedensten Cannabisprodukte wie Lotions, Zahnpasta oder Tee mitgegeben. Eine vermeintliche CBD-Blüte entpuppte sich dabei als vorzügliche Schokolade. 

Arbeitswelt zwischen spontanen Absagen und wertvollen Erfahrungen

Darüber hinaus bietet sich im Rahmen eines Bundestagspraktikums innerhalb der SPD-Fraktion die Gelegenheit, an zahlreichen Veranstaltungen des Praktikant:innenprogramms teilzunehmen. Hierzu zählten Besuche des ARD-Hauptstadtstudios und des Abgeordnetenhauses Berlin, aber auch interessante Gespräche mit Abgeordneten zu aktuellen politischen Themen. Abschließend stand hier ein Dialog mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil im Raum, welcher leider kurzfristig abgesagt werden musste. Spontane Terminabsagen sind im Bundestag keine Seltenheit, da oftmals kurzfristig Wichtigeres ansteht.

Ein Praktikum im Bundestag kann sich nicht nur als wertvolle Erfahrung erweisen, sondern auch einen ersten Einblick in die Arbeitswelt der Politik ermöglichen, um nach der vielen Theorie im Studium nun auch vor Ort zu erleben, wie Politik tatsächlich in der Praxis gestaltet wird. Aufgrund der thematischen Vielfalt kann ein Studium der Politikwissenschaften dazu beitragen, sich komplizierte Sachverhalte selbstständig zu erschließen. Die Arbeit in den Ausschüssen lässt sich dabei mit der Konzeption von Seminaren an der Universität vergleichen. Neben Politikstudierenden kann sich das Praktikum auch für Jurist:innen anbieten, da Recht die Handlungsgrundlage der politischen Prozesse bildet und, je nach Schwerpunkt, verschiedenste Gesetzesentwürfe diskutiert werden.

(Lektoriert von jok und hab.)

Simon Klessinger

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