Sneak-Review #269 & #270: Sneak-Duo zum Jahresstart

Bild: Laura Schiller
Zum Wiedereinstieg in die Vorlesungszeit nach der Winterpause gab es an einem Tag gleich zwei nacheinander stattfindende Sneak-Aufführungen, für die man jedoch separat Karten kaufen musste. Auch, wenn es seitens des Kinos noch kleine Probleme im Zeitmanagement gab, wodurch die zweite Sneak fast eine Stunde später als geplant startete, hat das Kino eine hochkarätige Filmauswahl geliefert: Gezeigt wurden „Juror #2“ und „A Real Pain“.
Juror #2 – Von Schuld und Unschuld aus der Feder Eastwoods
In „Juror #2“ präsentiert Regisseur und Filmlegende Clint Eastwood ein fesselndes Gerichtsdrama, das die moralischen Konflikte eines Geschworenen beleuchtet.
Der werdende Familienvater Justin Kemp (Nicholas Hoult) erkennt während des Prozesses, dass er selbst unbeabsichtigt in das Verbrechen verwickelt sein könnte, über das er urteilen soll. Diese Erkenntnis zwingt ihn, sich zwischen der Wahrung seines Geheimnisses und der Suche nach Gerechtigkeit zu entscheiden – die Zwickmühle des Geschworenen Nummer Zwei.
Toni Collette brilliert als entschlossene Staatsanwältin Faith Killebrew. Den Fall zunächst als eindeutige Beziehungstat abgetan, ermittelt sie nach dem Aufkommen von Zweifeln neu und wird mit Kemps innerem Konflikt konfrontiert. Dabei befindet sie sich selbst in einem Interessenskonflikt, denn ihre politische Zukunft hängt von einer Verurteilung des Angeklagten ab.
Ein weiteres Highlight sind die Einblicke in die Gesprächsrunden der Geschworenen. Wie die Staatsanwältin anfänglich von der Schuld des Angeklagten überzeugt, lassen sich einige umstimmen, andere beharren auf ihrer Meinung; jeweils kohärent mit ihren eigenen Erfahrungen und Ansichten. Diese während der spannenden Diskussionen zu erkunden, bilden einen weiteren Reiz Clint Eastwoods Werks.
Eine Legende der Filmkunst
Mit 94 Jahren liefert Eastwood möglicherweise sein letztes Werk ab, das durch starke schauspielerische Leistungen und ein durchdachtes Drehbuch besticht. „Juror #2“ ist ein packender Thriller, der die Zuschauer dazu anregt, über die Komplexität von Schuld und Unschuld nachzudenken. Eastwoods Regie und die beeindruckenden Darbietungen des Ensembles machen den Film zu einem sehenswerten Erlebnis.
Die US-amerikanische Produktion erschien am 16. Januar 2025 in den deutschen Kinos.
A Real Pain – Komisches Familiendrama im Schatten der jüdischen Geschichte Polens
In seiner zweiten Regiearbeit „A Real Pain“ beweist Jesse Eisenberg ein filigranes Händchen bei Drehbuch und Besetzung.
Eisenberg selbst verkörpert David, einen introvertierten Familienvater, während Kieran Culkin den impulsiven Freigeist Benji spielt. Die ungleichen Cousins reisen nach dem Tod ihrer Großmutter von New York nach Polen, um ihre jüdischen Wurzeln zu erkunden. Hier nehmen sie an einer Holocaust-Gedenktour teil, die sie zu historischen Stätten wie dem Konzentrationslager Majdanek führt.
Der Film gibt einem das Gefühl, Teil der Reisegruppe zu sein, um die jüdische Geschichte Polens zu ergründen, und erzählt dabei auch nach und nach die der ungleichen Cousins.
Mit einer Laufzeit von 90 Minuten gelingt es Eisenberg, eine Balance zwischen leichtfüßiger Komödie und emotionalem Drama zu schaffen, indem er die komplexe Beziehung der Cousins vor dem Hintergrund des Holocaust-Tourismus beleuchtet. Der Film verzichtet auf belehrende Töne und bietet stattdessen eine ehrliche Reflexion über familiäre Bindungen und das Erbe der Vergangenheit.
Figuren wie aus dem echten Leben
Besonders herausragend sind die Charaktere, die sich durchweg wie echte Menschen anfühlen, nicht wie fiktionale Figuren.
Gerade Culkins schauspielerische Leistung überzeugt erneut. An sein preisgekröntes Schauspiel aus „Succession“ anschließend, beeindruckt er mit einer nuancierten Darstellung, die Humor und Tiefgang vereint. Die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern trägt maßgeblich zur Authentizität des Films bei. Hier merkt man dem Film jedoch die verhältnismäßig kurze Laufzeit an, denn zum Ergründen von Eisenbergs David hätte man gerne mehr Zeit mit ihm verbracht.
Insgesamt ist „A Real Pain“ ein sehenswerter Film, der durch starke Performances und ein durchdachtes Drehbuch besticht. Besonders Culkins Darstellung des Benji bleibt nachhaltig im Gedächtnis und verleiht dem Film eine besondere Note.
Die US-amerikanisch-polnische Produktion läuft seit 16. Januar 2025 in den deutschen Kinos.