Sneak-Review #271: Verhängnisvolle Begierde in einer Welt der Kontrolle

Bild: Laura Schiller
Mit Babygirl liefert Regisseurin Halina Reijn einen Erotikthriller, der sich erwachsener gibt als Fifty Shades of Grey, aber letztlich weniger gewagt ist, als es der spannungsgeladene Trailer vermuten lässt.
From mentorship to full-blown affair
Im Zentrum des Films steht Romy (Nicole Kidman), eine erfolgreiche CEO eines Logistikunternehmens, die nach außen ein wohlhabendes, geordnetes Leben mit ihrem Ehemann (Antonio Banderas) und ihrer Familie führt. Doch hinter dieser Fassade voller Verantwortung verbirgt sich ein tief verwurzeltes sexuelles Verlangen nach Unterwürfigkeit und Gefahr verbunden mit dem Wunsch, Verantwortung abzugeben – eine Sehnsucht, die ihr Ehemann nicht zu stillen vermag.
Als der junge und charismatische Samuel (Harris Dickinson) als Praktikant in ihrem Unternehmen anfängt, entwickelt sich eine leidenschaftliche, aber riskante Affäre, die Romys gesamte Existenz ins Wanken bringt. Was folgt, ist ein Spiel mit Macht und Hingabe, das ebenso verführerisch wie destruktiv ist.
Nicole Kidman überzeugt als Frau, die mit sich selbst und ihren Bedürfnissen ringt, während Harris Dickinson die Rolle des undurchsichtigen Verführers souverän verkörpert. Ihre Chemie verleiht dem Film eine gewisse Sogkraft, doch die Inszenierung bleibt oft an der Oberfläche.
Probleme, die keine sein müssten
So scheitert Babygirl an der Glaubwürdigkeit seiner Figuren: Antonio Banderas verkörpert einen verständnisvollen, offenen Ehemann, der durchaus bereit wäre, mit Romy über ihre Wünsche zu sprechen – wenn sie dies denn ernsthaft täte. Auch das liberale Umfeld, das die Homosexualität der gemeinsamen Tochter vollkommen unterstützt, steht im Widerspruch zur vermeintlichen Unmöglichkeit, innerhalb der Ehe über sexuelle Fantasien zu kommunizieren. So entsteht das Drama nicht durch äußere Zwänge, sondern durch Romys eigene Unfähigkeit zur Offenheit. Wie ein Phantom schwebt das Wort „Kommunikation“ über der Geschichte, wird aber nie greifbar. Insgesamt wirkt die Grundprämisse des Filmes nicht sonderlich glaubwürdig, was das Filmerlebnis deutlich hemmt.
Babygirl bewegt sich auf bekanntem Terrain: Die Idee, dass Menschen mit hoher beruflicher Verantwortung im Privatleben die Kontrolle abgeben wollen, ist nicht neu. Dennoch überzeugt der Film mit einem fesselnden Schauspielensemble und stilistisch gelungenen Momenten. Statt sich intensiver mit dem beruflichen Spannungsfeld auseinanderzusetzen, konzentriert sich die Handlung vor allem auf Romys Erkunden ihrer Begierden. Besonders die Dynamik zwischen Nicole Kidman und Harris Dickinson funktioniert. Dickinsons einprägsame Mimik, die Einigen bereits aus Triangle of Sadness bekannt sein dürfte, entfaltet eine spürbare Wirkung auf Romy. Kidmans Zerrissenheit zwischen Anstand und Begierde wird greifbar; Insgesamt ist ihre Leistung preisverdächtig. Die Stärke des Films liegt im vorsichtigen Abtasten der Grenzen zwischen den beiden Hauptfiguren – ein Spiel mit Verbotenem, das zwar reizvoll ist, aber nicht lange nachhallt.
Trotz seines Potenzials bleibt Babygirl letztlich wie Romys Begierden unbefriedigt zurück. Der Film hätte provokant, tiefgründig oder zumindest konsequent sein können, doch er verliert sich irgendwo zwischen Skandal und Anspruch. Als Erotikthriller ist hier zu wenig Thriller zu finden, dafür ist der Film im Vergleich zum Genre-definierendem Basic Instinct überraschend prüde – 33 Jahre nach dessen Release. Statt eine scharfsinnige Auseinandersetzung mit Macht, Sexpositivity, Schönheitsideale im Alter, oder dem beruflichen Risiko einer erfolgreichen Geschäftsfrau zu sein, bleibt er in Andeutungen stecken. So entsteht das Gefühl, dass die Geschichte mehr sein will, als sie tatsächlich zu erzählen hat – ein Film, der vieles anreißt, aber am Ende weder das eine noch das andere ist.
Ein Film, viele Meinungen
Die Meinungen zu diesem Film gehen weit auseinander, was sich auch in dem Meinungsbild aus der Sneak zeigt. 57% negative Bewertungen und mehrere ungläubige und von peinlicher Berührtheit getriebene Zwischenbemerkungen lassen erkennen, dass dieser Film seine Zielgruppe nicht in der großen Masse findet. In Internet-Rezensionen sind es vor allem Leser*innen von Dark Fantasy, die sich für den Film begeistern. Die beiden Kinogäste, die sich zum ersten Date in der Sneak getroffen haben, werden sich das für die nächsten Male wohl zweimal überlegen.
Insgesamt empfehle ich ganz klar, sich vor einem potentiellen Kinobesuch den Trailer anzuschauen und sich dann gegebenenfalls eine eigene Meinung zu bilden. Zudem sei zum Originalton gesagt, dass Antonio Banderas hier sehr zum Nuscheln neigt – selbst meine Englisch studierende und auf Originalton schwörende Begleitung hat kaum was verstanden.
Die US-amerikanische Produktion startete am 30. Januar 2025 in den deutschen Kinos.