Sweet Spot Oberstadtaufzug

Sweet Spot Oberstadtaufzug

Bild: Martha Schoop & Helene Schultes

In der neuen Reihe „Sweet Spots“ schreiben unsere Redakteur*innen über ihre ganz persönlichen Lieblingsorte in Marburg. Für andere mögen sie unscheinbar sein, doch für sie sind diese Plätze fester Bestandteil des Alltags, beliebter Treffpunkt oder einfach ein Ort zum Entspannen.

Ein Fahrstuhl als Lieblingsplatz in Marburg – das ist schon ein gewagtes Statement, wo diese Stadt doch so viele tolle Plätze und Aussichten zu bieten hat. Aber jetzt mal ehrlich, was wäre Marburg ohne seine Aufzüge? Nicht nur im Stadtgeschehen, auch auf Instagram kommt man nicht an den regelmäßig auftauchenden Spiegel-Selfies in den Storys vorbei.

Wird der Oberstadtaufzug in einem Nebensatz mit Nicht-Marburger*innen erwähnt, folgen direkt eine erstaunte Nachfrage und große Augen. Dabei wissen alle, die mal in der Oberstadt gewohnt haben, dass der Fahrstuhl Leben retten kann, wenn man mit vollgepackten Einkaufstüten den steilen Anstieg umgehen kann. Wenn der Aufzug dagegen doch mal kaputt ist, stirbt man tausend Tode. Vor allem, weil die Treppen beim Parkhausaufzug in den 14. Stock schrecklich sind und die nächste erträgliche Steigung ein viel zu langer Umweg wäre.

Fotos: Jannik Pflur & Martha Schoop

Ort der Begegnungen

Gleichzeitig ist der Fahrstuhl auch ein Ort der Begegnung und der Menschlichkeit, wenn einem die Türe offengehalten wird und sich ein eher seltsames Gespräch entwickelt. Oder wenn man alleine zu einer Gruppe zusteigt und Zeuge der wildesten Geschichten wird. Allerdings muss man seine Mimik unter Kontrolle haben, bloß keinen Augenkontakt und auch kein verräterisches Mundwinkelzucken.

Manche meinen es zu gut und halten die Tür auch noch für die neunte Person offen. Dann muss man damit klarkommen, sich vom Personal-Space zu verabschieden und die Nase an einen fremden Rücken zu drücken und wieder den unausweichlichen Augenkontakt so lange wie möglich hinauszuzögern. Mischen sich mehrere Gruppen, oder treffen sich völlig fremde Menschen, verstummen die Gespräche nach Schließen der Türen abrupt und eine unangenehme Stille tritt ein, wenn man vom bedenklichen Rattern der Mechanik absieht. Wieder huschen die Augen, verstohlene Blicke, Angst vor dem Augenkontakt.

Selten hat man die Kabine ganz für sich. Dann wird auf einmal der Spiegel interessant. Die Security-Menschen hinter der Videoüberwachung, an denen man wenig später in dem gläsernen Gang hinter dem Parkhausaufzug auch noch vorbeilaufen muss, fallen einem immer zu spät ein. Wenigstens ist die nächste Instagram-Story mit schlechter Belichtung und schmutzigem Spiegel im Kasten!

(Lektoriert von jub und lurs.)

studiert Europäische Literatur im Bachelor und schreibt und lektoriert seit dem Wintersemester 2024 bei PHILIPP.

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