Uni Marburg wagt mehr Demokratie: Erste Studentin Teil der Hochschulleitung

Uni Marburg wagt mehr Demokratie: Erste Studentin Teil der Hochschulleitung

Foto: Markus Farnung, Collage: Laura Schiller

Habt ihr euch auch schon mal gefragt, wie unsere studentischen Perspektiven eigentlich die Hochschulleitung erreichen? Wie gelangen unsere Belange nach ganz oben und was passiert damit? Es gibt scheinbar hunderte Gremien, von Fachschaften bis zum Senat und zum Präsidium, die dafür da sind, dass Entscheidungen demokratisch gefällt werden und sich alle repräsentiert fühlen. Nur in diesem obersten Organ, im Präsidium, haperte es an letzterem. Dort waren bisher nur Professor*innen vertreten. Das ist in Deutschland gar nicht unüblich, erst fünf andere Unis haben daran etwas geändert.

Am 5. Februar wurde diese Änderung auch in Marburg umgesetzt. An der Philipps-Uni wurde zum ersten Mal eine Studentin zur Vize-Präsidentin gewählt. Der AStA hatte dies schon lange gefordert. Schon vor Jahren haben wir darüber berichtet. Neben Thomas Nauss, dem Präsidenten, einer hauptberuflichen Vize-Präsidentin und dem Kanzler sitzen nun insgesamt vier Vize-Präsident*innen in der Hochschulleitung. Drei Vizepräsident*innen kümmern sich um die Ressorts Forschung, Bildung sowie Chancengleichheit und Karriereentwicklung. Ab dem Sommersemester sitzt für das Einbringen der studentischen Perspektiven für eine einjährige Amtszeit nun auch Lara Zieß (24) in dieser Runde.

„Mehr Perspektiven eröffnen neue Sichtweisen und fördern kreative Lösungen“

Lara studiert seit 2019 in Marburg, zuerst im Bachelor Soziologie und nun im Master Internationale Strafjustiz. Bereits seit drei Jahren ist sie für den SDS (Sozialistisch-Demokratischer Studierendenbund) im Studierendenparlament vertreten, seit 2023 sitzt sie dort im Vorstand. Außerdem ist sie Mitglied des Senats, des neuen Hilfskräfterats und weiterer Kommissionen. Dadurch wurde Präsident Nauss auf sie aufmerksam und schlug sie für das neue Vize-Präsident*innenamt vor. In der Senatssitzung vom 5. Februar 2025 wurde sie dann in ihr neues, zusätzliches Amt gewählt.

Lara ist entschlossen, sich für einen gerechteren Zugang zur Uni einzusetzen. Mit schwarz-blond gefärbten, akkurat gestylten Haaren, Lippenpiercing und im Nadelstreifenanzug schreitet sie selbstbewusst zum Rednerpult der ehrwürdigen Aula der Alten Uni. Selbst Erstabiturientin und Erstakademikerin in ihrer Familie, ist sie voller Motivation, aber auch Respekt für diese neue Rolle, wie sie in ihrer Vorstellungsrede sagt. Geprägt habe sie vor allem das Studieren während der Coronazeit und der wachsenden und sich beschleunigenden Weltkrisen, denen Studierende anders ausgesetzt seien als Professor*innen. Sie will daher als Brücke zwischen uns Studierenden und der Hochschulleitung fungieren, die in beide Richtungen Verständnis für die Bedürfnisse der Studierenden sowie für strukturelle Entscheidungen der Uni schaffen möchte.

„Ich will die Studienbedingungen verbessert haben, oder wenigstens dafür gekämpft haben, dass sie sich nicht verschlechtern“

Im Interview mit PHILIPP sagt sie: „Ich denke, es hilft, wenn man jede Woche die Studierendenperspektive einbringt und nicht nur einmal im Monat, wenn es gerade mal auf der Tagesordnung steht. Ich weiß jetzt natürlich auch noch nicht, wie genau die Arbeit abläuft, aber als Stimme der Studierenden da wie ein Vögelchen immer so rein zu zwitschern – das ist meine Hoffnung – wird bewirken, dass Studierende öfter an Entscheidungen beteiligt sind.“ In die andere Richtung wird sie im engen Kontakt mit dem StuPa und den Fachschaften sein, um stets informiert zu bleiben über deren Anliegen. Sie betont jedoch, dass die Fachschaften weiterhin dafür zuständig sind, für ihre fachspezifischen Belange zu kämpfen. Die studentische Vize-Präsidentin soll im Austausch mit den Studierenden eine allgemeine Studierendenperspektive vertreten, aber kein politisches Programm.

„Konfrontationen hat man in der organisierten Studierendenschaft sowieso immer“

„Wenn irgendwo Mittel gekürzt werden, wird das Präsidium gerne als Buhmann verwendet. Ich kann da die Perspektiven von Fachschaften im Präsidium stärken. Aber die müssen auch selbst ihre Stimme laut und stark machen. Das kann natürlich auch zu Konflikten führen. Die hat man in der organisierten Studierendenschaft aber sowieso immer.“

Ihr großer Wunsch ist es, dass Studierende und Hochschulleitung an einem Strang ziehen, miteinander, statt übereinander reden und gemeinsam versuchen, die Uni für Studierende zu einem besseren Ort zu machen. Dazu nimmt sie nun wöchentlich an den Präsidiumssitzungen teil und hat auch ein vollwertiges Stimmrecht. Ihr Amt kann und muss sie erst einmal selbst ausgestalten, doch es ist ein Schritt hin zu mehr Repräsentation Studierender im Demokratie-Dschungel der Uni. Wir halten euch bei PHILIPP darüber auf dem Laufenden.

(Lektoriert von jap und lurs.)

hat sich nach Ende der Regelstudienzeit im Master Friedens- und Konfliktforschung dazu entschieden, diese Phase mit etwas journalistischem Schreiben zu verlängern. Interessiert sich für (Mittel-)Osteuropa, Neuere Geschichte und Erinnerungskultur(en).

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