Zwischen Hoffnung und Verzweiflung – Der Weg zum Therapieplatz

Zwischen Hoffnung und Verzweiflung – Der Weg zum Therapieplatz

Bild: Annabell Sent

Schwierige Kindheit, Prüfungsstress, Angststörung – Die Gründe, die einen zu einer Therapie bewegen sind so vielseitig wie die Menschen, die diese Art der Hilfe in Anspruch nehmen. Gerade im Zuge der Corona-Pandemie, weltweiten Krisen, gesamtgesellschaftlicher Vereinsamung und Zukunftsängsten kommt dem Thema eine große Bedeutung zu. Doch der Weg zum Therapieplatz ist bereits die erste große Herausforderung, an der es oftmals schon scheitert.

Es ist kein Geheimnis, dass unser Gesundheitssystem selbst Pflegefall ist. Besonders deutlich wird es beim Thema Psychotherapie. Das größte Problem ist jedoch nicht die Anzahl der Psychotherapeut*innen, sondern das Geld: Eine zu geringe Anzahl an Kassensitzen führt dazu, dass man als Patient bei den privaten Psychotherapeut*innen immense Stundensätze bezahlen muss.

Bürokratie und psychische Gesundheit – It’s not a match

Die Zahl der Kassensitze wird vom „gemeinsamen Bundesausschuss“ festgelegt. Teil dieses Gremiums sind Vertreter*innen von Vertragsärzteschaft, Vertragszahnärzteschaft, der gesetzlichen Krankenkassen und der Krankenhäuser. Trotz der letzten Erhöhung im Jahre 2017 um 800 neue Kassenplätze sind laut eigener Studie weiterhin zu wenig Kapazitäten vorhanden. Seitdem ist der Bedarf weiter gestiegen und die damalige Einschätzung noch weniger zeitgemäß.

Für werdende Psychotherapeut*innen stellen sich weitere systematische Probleme: Nach dem fünfjährigem Studium erhält man zunächst die Approbation, also die Erlaubnis, als Therapeut*in zu arbeiten. Um jedoch selbstständig tätig zu sein und mit Krankenkassen abrechnen zu können, muss noch eine fünfjährige Weiterbildung in stationären und ambulanten Einrichtungen absolviert werden. Diese Weiterbildung ist nach dem klinischen Master jedoch nicht gesichert, sodass viele gar nicht mit der Weiterbildung beginnen können. So bleibt das Problem zu geringer Kapazitäten bestehen.

Ergebnis dessen sind ewig lange Wartezeiten – acht Monate sind hierbei durchschnittlich einzuplanen -, dabei wendet man sich doch an die entsprechenden Stellen, weil man jetzt Hilfe benötigt! Und auch der bürokratische Weg ähnelt eher einer Tortur als einem Hilfsangebot.

Ein persönlicher Erfahrungsbericht – unter vielen

Zunächst muss der Erstkontakt gesucht werden. Meist ist hierfür ein gefürchtetes Telefonat notwendig. Mit pochendem Herz habe ich die Telefonnummer eingegeben, und mit viel Mut auf Anrufen geklickt. Es wählt. Warten. Schwitzen. Zweifeln. Anrufbeantworter.

Tage später Panik: Eine unbekannte Nummer ruft an. Weggedrückt. Zu spontan, zu gruselig. Nachdem die Nummer am nächsten Tag erneut anruft, erfahre ich über eine Internetsuche, dass es die Psychotherapie war. Beim nächsten Mal gehe ich ran und werde zu einem Erstgespräch eingeladen.

Auf dem Weg zum Wartebereich fühle ich mich beobachtet. Aber immerhin: Geschafft! Hingesetzt und warten. Die anderen Wartenden werden von ihrer*ihrem Therapeut*in abgeholt, der Raum leert sich. Bei jeder herannahenden Person bekomme ich Hoffnung, ich würde auch vom Warten erlöst werden, doch es wird jemand anderes aufgerufen. Zehn Minuten nach der verabredeten Uhrzeit: Habe ich mich in der Zeit vertan? Schließlich die Erlösung – ich werde in einen Raum ganz am Ende eines verwinkelten, kahlen Ganges gebracht.

Es folgt ein seltsames Kennenlernen entlang von Fragebögen. Vielen Fragebögen. Was mich hergebracht hat, was ich erlebt habe, wie ich mich fühle. Totales Entblößen vor einem Stapel Papier. Meine Therapeutin informiert mich parallel. Die Betonung liegt oftmals darauf, was man alles nicht behandeln kann – uff. Am Ende der Stunde bekomme ich weitere Fragebögen in die Hand, die ich selbstständig ausfüllen soll. Mit einem leeren Gefühl geht es nach Hause.

Tage später kommt ein Anruf. Man könnte mich auf die Warteliste setzen, voraussichtlich acht Monate Wartezeit. In welcher Lebenssituation werde ich dann sein? Wird es besser? Schlechter? Möchte ich jemandem, der es nötiger hat, potentiell den Platz wegnehmen? Dennoch entscheide ich mich zuzusagen.

Wartezeiten sind harte Zeiten

Monate später wieder ein Anruf: Es kann in die nächste Etappe gehen. Sechs Sitzungen sind zunächst für eine Diagnose angesetzt. Das bedeutet im Klartext: Eine neue Person kennenlernen, Fragebögen über Fragebögen ausfüllen und einmal die gesamte Kindheit aufrollen. In gefühlt viel zu wenig Zeit.

Dann die nächste Herausforderung: Es muss eine ärztliche Einschätzung eingeholt werden, ob gesundheitlich etwas gegen eine Therapie spricht. Hierfür benötigt man eine*n Hausärzt*in. Also verschiedene Praxen anrufen und hoffen. Da ich es mich nicht getraut hat, mache ich es zusammen mit der Therapeutin. Die erste Praxis lässt den gesamten Frust an einem aus und wimmelt mich ab – Motivierend. Zwei weitere Praxen erklären mir deutlich freundlicher, dass sie aktuell keine neuen Patient*innen aufnehmen. Schließlich: Eine positive Rückmeldung.

Arzttermin wahrgenommen, abchecken lassen und wohlwollenden Bescheid mitgenommen.

Sechste Sitzung: Tag der Verkündung der Diagnose. Ich kann die Therapie fortsetzen – oder überhaupt starten, wie man es sieht. Die Beantragung der Therapie bei der Krankenkasse ist eher eine Formalie. Einen Monat später kommt schlussendlich die Zusage per Post.

Dann wird es endlich praktisch: In mehr oder weniger wöchentlichen Sitzungen wird an den Problemen gearbeitet und es sind tatsächlich Erfolge sichtbar.

Viel Aufwand, aber es ist den Weg wert

Auch, wenn dieser Text die vielen Stolpersteine auf dem Weg zum Therapieplatz aufzeigt, sollte sich niemand abschrecken lassen, diesen tatsächlich zu beschreiten. Sobald die Therapie eines Tages tatsächlich anläuft, ist die Hilfe sehr nahbar, persönlich angepasst und produktiv. Man kann sich sowohl durch die Übungen leiten lassen als auch selbst mitgestalten. Insgesamt ist das Format sehr flexibel und kann auf eine veränderte Lage angepasst werden.

Wir alle stehen vor einem Marathon, aber wir müssen ihn nicht allein bestreiten. Wenn du überlegst, ob Psychotherapie für dich sinnvoll ist, kannst du dir unter folgenden Links unverbindlich Beratung und Hilfe suchen:

psychotherapie-marburg.de

Psychotherapie-Ambulanz Marburg – Psychotherapieambulanz (PAM) – Psychologie – Philipps-Universität Marburg

116117.de – Psychotherapie

Ich wünsche dir viel Erfolg auf deinem Weg!

(Lektoriert von ans und jms.)

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