Sneak-Review #281: Reykjaviks schrillstes Orchester

Sneak-Review #281: Reykjaviks schrillstes Orchester

Bild: Annabell Sent & Laura Schiller

Eine isländische Komödie über Musik, Macht und menschliche Egos: Der letzte Takt erzählt die Geschichte eines kleinen Kammerorchesters in Reykjavik, das ums Überleben kämpft. Hoffnung kommt in Form des berühmten isländischen Cellisten Benedikt auf, doch die Rückkehr in sein Heimatland wird schnell zum Fiasko. Statt Applaus gibt es Desaster – auf der Bühne und im Kinosaal.

Kammerorchester im Krisenmodus

Im Zentrum steht ein Orchester, das kurz vor dem Aus steht. Der gefeierte Benedikt (Hilmir Snær Guðnason) soll mit seiner Rückkehr das Ensemble retten – und treibt es stattdessen an den Rand des Wahnsinns. So versucht er jede Frau in Sichtweite zu besteigen und nutzt dabei aus, dass er unverzichtbar für die Zukunft des Kammerorchesters ist. Als ihm schließlich doch etwas zustößt, muss improvisiert werden. The show must go on.

Zu lang, zu lahm, zu leer

Der letzte Takt zieht sich mit seinen 114 Minuten wie ein nicht enden wollendes Generalproben-Wochenende. Schon nach der ersten Stunde macht sich Erschöpfung breit. Szenen, die pointiert und scharfzüngig sein könnten, werden ausgespielt bis zur Belanglosigkeit. Das Timing – eigentlich essenziell für Komödien – hat hier leider den Takt völlig verloren. 

Dazu kommt ein Humor, der an deutsche Boomer-Komödien erinnert: nackte Haut als vermeintlicher Gag, vorhersehbare Missgeschicke und Ekel als Witzersatz. Es bleibt für den Regisseur Sigurjón Kjartansson zu hoffen, dass die holprige deutsche Synchronfassung mit glanzvoll holzigen Sätzen wie „Ich bin total sauer auf dich!“ und einer einzigartig merkwürdigen Betonung die Sicht auf ein vielleicht besseres Original vernebelt. In der deutschen Fassung sind diese beinahe zwei Stunden eine wahre Tortur.

Von Pappfiguren und Karikaturen

Die Figuren sind, wohl auch erneut der Synchronisation geschuldet, nicht viel mehr als Pappfiguren, mit denen ein Kind spielt. Die einzige Figur, bei der das Publikum eine emotionale Bindung aufbaut, ist der selbstverliebte Star-Cellist – wenngleich es keine positive ist. Man entwickelt eine Abneigung gegen ihn, was den Film sehr belebt. Die Szenen, in denen er zu sehen ist und sein ganzes Ego ausspielen kann, gehören mit zu den Highlights des Films.

Dass man den Film emotional nicht ernst nehmen kann, liegt nicht nur an der überzogenen Darstellung, sondern auch daran, dass er sich selbst allzu ernst nimmt. Dramatische Momente prallen ungebremst gegen alberne Einlagen, was nicht etwa eine interessante Reibung erzeugt, sondern ein Gefühl von Ratlosigkeit.

Das Finale mündet in einem absurden Höhepunkt, der zwar inszenatorisch laut, aber wieder einmal sehr vorhersehbar ist. Man verlässt das Kino nicht inspiriert, sondern leicht genervt und sehr erschöpft.

Mehr Tapferkeit als Begeisterung im Publikum

Der letzte Takt erhielt trotz allem gnädige 59 Prozent positive und 41 Prozent negative Bewertungen von den Besucher*innen der Sneak. Auch sonstige Reviews schätzen den Film als okay genug, aber nicht notwendigerweise sehenswert ein. Als Hintergrundbeschallung eines Spieleabends reicht es, eine Kinoempfehlung kann ich aber nicht aussprechen, wenn ihr unter 50 seid.

Deutscher Kinostart der isländischen Produktion war am 12. Juni. Ohne die Möglichkeit vorzuspulen. Leider.

(Lektoriert von jap.)

Rothaarig lol

studiert Mathematik im Master. Aber ansonsten ist er ganz lieb.
Seit WiSe 2024/25 bei PHILIPP. Kommentiert Filme mit mehr Drama als die Filme selbst.

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