Sneak-Review #276: Die Post ist wichtiger als das Leben

Bild: Laura Schiller
Saint-Exupéry – Die Geschichte vor dem kleinen Prinzen erzählt von einer waghalsigen Rettungsmission in den argentinischen Anden. Regisseur Pablo Agüero nimmt sich dabei einer entscheidenden Episode im Leben des späteren Autors des Kleinen Prinzen an. Doch trotz imposanter Bilder und für einen Arthouse-Film prominenter Besetzung bleibt der Film erzählerisch unter seinen Möglichkeiten und verfehlt letztlich seine cineastischen Höhen.
Ein Abenteuer in den Anden
Der Film versetzt uns ins Argentinien des Jahres 1930: Der junge Luftpostpilot Antoine de Saint-Exupéry (Louis Garrel) fliegt für den französischen Luftpostdienst im reichsten Land Südamerikas, welches zugleich politisch zerrüttetet ist. Hierbei steht er stets im Schatten seines erfahreneren Mentors Henri Guillaumet (Vincent Cassel). Als Guillaumet beim Versuch, eine neue Flugroute durch die eisigen Höhen der Anden zu erschließen, abstürzt, begibt sich Saint-Exupéry gemeinsam mit Guillaumets Ehefrau Noëlle (Diane Kruger) auf eine gefährliche Suche nach dem Vermissten.
Träumerische Fiktion trifft harsche Realität
Regisseur Pablo Agüero verknüpft in Saint-Exupéry – Die Geschichte vor dem kleinen Prinzen die realen Begebenheiten dieser Rettungsmission mit fiktiven Elementen. Damit zeichnet er das Bild eines Mannes, dessen Erlebnisse in der Einsamkeit und Weite Patagoniens angeblich den Grundstein für Der kleine Prinz legten, eines der meistverkauften Bücher der Welt. Doch dieser erzählerische Spagat gelingt nicht immer: Während die visuelle und atmosphärische Gestaltung des Films zweifellos Eindruck hinterlässt, bleibt die narrative Verbindung zur späteren literarischen Ikone oft bemüht und holprig konstruiert.
Charaktere zwischen Exzentrik und Belanglosigkeit
Louis Garrel verkörpert Saint-Exupéry als verträumten Idealisten, der mit seiner Kreativität und seinem Tagebuch Probleme löst, jedoch mit seiner exzentrischen Art gelegentlich auch als Karikatur durchgehen würde. Vincent Cassel bringt als Guillaumet eine gewisse Gravitas in den Film, während Diane Kruger als Noëlle eine solide, wenn auch unterentwickelte Rolle spielt. Die Charaktere bleiben insgesamt eher blass und bieten wenig emotionale Tiefe.
Herausstechend sind jedoch die hochgradig eigenwilligen Nebenfiguren, die ein so markantes Auftreten hingelegt haben, dass es sich wie eine vertane Chance anfühlt, dass ihre Minuten auf der Leinwand mit einer Hand abzählbar sind. Sie bringen den subtilen französischen Humor mit, der eine große Bereicherung für den Film darstellt.
Zuletzt noch ein Detail, das mich sehr aus dem Film gerissen hat: Die Angestellten der Luftpost samt Protagonist*innen rauchen in nahezu jeder Szene. Die Figuren paffen derart unentwegt, dass man aus Spaß beinahe ein Trinkspiel daraus machen könnte – mit ernsten Konsequenzen für Leber und Lunge.
Cineastische Bruchlandung
Bereits zu Beginn, als das Logo der europäischen Filmkooperation angezeigt wurde, merkte man im Kinosaal vorsichtige Skepsis. Als klar wurde, dass es ein französischer Arthouse ist, stellte sich Ernüchterung ein. Schließlich bestätigte sich der anfängliche Unmut: 52 % haben der Sneak eine negative Bewertung gegeben, 33 % sogar eine sehr negative. Auch französische Reviews sind eher unglücklich mit dieser Darstellung einer ihrer größten Söhne des Landes.
Die französische Produktion startet am 29. Mai 2025 in den deutschen Kinos.
studiert Mathematik im Master. Aber ansonsten ist er ganz lieb.
Seit WiSe 2024/25 bei PHILIPP. Kommentiert Filme mit mehr Drama als die Filme selbst.