Wortgefechte und Geistesakrobatik: Die Westdeutsche Debattiermeisterschaft in Marburg

Foto: Alice Schaller
In der Welt des Debattierens ist ein gutes Argument wie ein gut gezielter Pfeil – es durchdringt die Rüstung der Gegenposition und trifft direkt ins Schwarze. Am 13. April flogen diese Pfeile besonders zahlreich und präzise, als sich zwölf Debattierclubs in Marburg zur Westdeutschen Debattiermeisterschaft trafen.
Die Kunst der kunstvollen Rede
„Die Kunst der kunstvollen Rede ist eine Kunst, die noch etwas stiefmütterlich behandelt wird“, eröffnete Thomas Spieß, Oberbürgermeister von Marburg und Schirmherr der Veranstaltung, das Finale am Sonntagnachmittag. Als jemand, der schon so manchen verbalen Schlagabtausch in einer Debatte erlebt hat, weiß ich: Nichts könnte wahrer sein. In einer Zeit, in der politische Diskussionen oft im Schreien auf Twitter oder in atemlosen Debatten bei Lanz enden, ist die Kunst des strukturierten Debattierens ein wohltuender Kontrast.
Der Hannah-Arendt-Debattierclub – erst vor drei Jahren an der Uni Marburg gegründet und dennoch schon Gastgeber dieser prestigeträchtigen Veranstaltung – hatte alles vorbereitet: Zwölf Clubs, 15 Teams, vier Vorrunden, ein Halbfinale und schließlich das große Finale.
Die Arena der Argumente
Wer schon einmal debattiert hat, kennt das Kribbeln vor einer Debatte. Diese 15 Minuten Vorbereitungszeit, in denen das Hirn auf Hochtouren läuft, während du verzweifelt versuchst, nicht nur überzeugende Argumente zu finden, sondern auch noch die Schwachstellen der Gegenseite vorherzusehen. Es ist wie Schach, nur dass deine Bauern Beispiele sind, deine Türme Statistiken und deine Dame das eine Argument, das niemand kommen sehen hat.
Im Finale wurde die offene parlamentarische Debatte genutzt. Hierbei stehen sich eine Regierung, die den Status Quo verändern will, und die Opposition, die den Status Quo beibehalten will, gegenüber. Dazwischen stehen die freien Redner*innen – fraktionslose Personen, die das Thema erst mit den beiden Teams erfahren und dennoch mit beeindruckender Eloquenz zu dem Thema Stellung beziehen können. Das Team aus Würzburg nahm die Rolle der Regierung ein, die Opposition wurde durch das Team aus München bekleidet.
Das akademische Dilemma
Physiotherapie, Sozialarbeit, Bauzeichnen, Tontechnik – viele Berufe, die früher über eine duale Ausbildung erlernt wurden, erfordern heute immer häufiger einen Hochschulabschluss. Hebammen können sich sogar nur noch per Studium qualifizieren. Aufgrund dieser Entwicklungen ist es umso passender, dass sich die beiden Teams im Finale an diesem Sonntagnachmittag in der Aula der Alten Universität der Frage widmeten: „Ist die Akademisierung von Ausbildungsberufen eine negative Entwicklung?“
In der Debatte haben beide Seiten Argumente vorgebracht, die die Zuschauenden zum Lachen, Nicken und auch Nachdenken brachten. Trotzdem kann es in jeder Debatte nur ein Siegerteam geben und das kam diesmal aus Würzburg. Es überzeugte mit stichhaltigen und durchdachten Argumenten, die die Debattierenden mit der ein oder anderen Anekdote aus ihrem Leben untermauerten. Somit wurde das Team aus Würzburg erfolgreich zum Westdeutschen Meister gekürt.
Aber was wäre eine Debattiermeisterschaft ohne herausragende Einzelleistungen? Die Auszeichnung für die beste Finalrede ging an Alena Haub vom Debattierclub Johannes Gutenberg e.V. aus Mainz, die als freie Rednerin eine mitreißende und rhetorisch annähernd perfekte Rede aufs Podium brachte.
Die Sternstunde der Rhetorik
In der Welt des Debattierens sind wir alle ein bisschen besessen von der Kraft der Worte. Wir sitzen nachts wach und denken über die perfekte Einleitung nach, während andere über ihre nächste Netflix-Serie grübeln. Wir freuen uns diebisch, wenn wir ein Argument finden, das noch niemand gebracht hat, und wir leiden, wenn uns erst auf dem Heimweg die perfekte Erwiderung einfällt.
Die Westdeutsche Debattiermeisterschaft ist aber mehr als nur ein Wettbewerb. Sie ist ein Fest der Eloquenz, ein Hochamt der Argumentationskunst und eine Erinnerung daran, dass es in einer guten Debatte nicht ums Rechthaben geht, sondern darum, die Zuhörenden zum Nachdenken zu bringen.
Beim Schreiben dieses Artikels kann ich nicht anders als zu lächeln bei dem Gedanken, wie viele brillante Einfälle, scharfsinnige Analysen und geistreiche Pointen an diesem Wochenende ausgetauscht wurden. Und wie viele davon wohl auf dem Weg zur Cafeteria nach der Debatte entstanden sind.
Die Veranstaltung wurde organisiert vom Verband der Debattierclubs an Hochschulen und dem Hannah-Arendt-Debattierclub. Die Westdeutsche Debattiermeisterschaft ist eines von sechs Turnieren, die in der deutschsprachigen Debattiermeisterschaft gipfeln.
ist seit Oktober 24 bei Philipp, kommt aus dem Allgäu, studiert im Kombi Bachelor Politikwissenschaft und Friedens und Konfliktforschung und liebt veganen Frischkäse