Ein (fast) katholisches Osterfest

Ein (fast) katholisches Osterfest

Ostern ist ja im Grunde ein religiöses Fest. Manche Familien feiern es also tatsächlich in guter alter Manier – kirchlich, familiär, traditionsreich. So auch PHILIPP Autor Armin. Eigentlich.

Meine Familie ist Katholisch. Also eigentlich. Deswegen ist Ostern bei uns das wichtigste Fest im Jahr. An Ostern feiern wir die Auferweckung Jesu Christi, der für unsere Sünden am Kreuz gestorben ist. Also eigentlich. Das bedeutet für die meisten praktizierenden Katholiken folgende Wochenplanung: Gründonnerstag oder auch Palmdonnerstag wird in der Kirche an den Verrat an Jesus und das Abendmahl erinnert. Karfreitag ist ein strenger Fast- und Abstinenztag in Gedenken an die Kreuzigung unseres Herrn. Das heißt, man darf sich den Fleisch- und Schokoladenfreien Tag nicht einmal schönsaufen. Stattdessen gibt es eine Messe in der Kirche. Karsamstag wird immer noch gefastet. Der Katholik wartet auf die Auferweckung Christi. Besonders gut geht das in der Kirche, bei uns um 21.30 Uhr abends. Ostersonntag ist es dann so weit. Die Welt jubelt und feiert, weil Jesus Christus den Tod besiegt hat und zu den Lebenden zurückgekehrt ist. Dazu trifft man sich passenderweise – ihr ahnt es schon – richtig! Am Osterfeuer. Und in der Kirche. Weil Jesu Auferweckung so wichtig ist, hört das Feiern erst am Montag auf. Ostermontag kann man also nochmal in die Kirche gehen und Ostern feiern. Dieser Festablauf ist mit einigen Erweiterungen auch in meiner Familie Tradition. Also eigentlich.

Mission fehlgeschlagen

Irgendwie war Ostern dieses Jahr anders. Das fing damit an, dass ich Gründonnerstag, statt in die Kirche zu gehen, zu Kaufland gefahren bin und mir Cocktailzutaten besorgt habe. Ich habe mich Donnerstag also schön in den Karfreitag hineingesoffen. Na gut, der neue Tag beginnt erst, wenn man einmal geschlafen hat. Also frisch in den Karfreitag und zum Frühstück schön dick Leberwurst aufs Brötchen gehauen. Das war zwar keine Absicht und es ist mir auch erst beim Mittagessen – Fischstäbchen (aus irgendeinem Grund ist Fisch bei uns Katholiken kein Fleisch), Spinat und Kartoffeln – aufgefallen. Aber es zeigt, was ich für ein krasser Rebell bin. Ich bin so ein harter Kerl, dass ich sogar das Tanzverbot missachtet und im Auto auf dem Weg zur Pizzeria ein bisschen mit dem Kopf zur Musik genickt habe. Bad-Ass-Alarm! Übrigens hab ich es immer noch nicht in die Kirche geschafft. Dafür habe ich mir ein bis fünf Bier reingeschraubt. So viel zum Fast- und Abstinenztag. Karsamstag habe ich wirklich gefastet. Allerdings nur, weil ich meinen Arsch nicht vom Sofa bekommen habe. Über die Feiertage habe ich die Playstation 4 eines Freundes ausgeliehen und  hatte endlich ein paar Stunden Zeit, Assassin’s Crees Unity zu zocken. Endlich konnte ich ganz österlich ein paar Templer einen Kopf kürzer Machen. Für abends hatte ich fest geplant, die Osternachtsmesse zu besuchen, zumal meine kleine Schwester an diesem Abend Messdienerin war und ich meinen Glauben eigentlich ernst nehme. Um 21.28 Uhr ist mir aufgefallen, dass ich ein bisschen zu spät dran war, um pünktlich in die Kirche zu kommen. Und zu spät reinkommen ist ja auch irgendwie peinlich.

Fetter Familientag

Der Ostersonntag lief eigentlich wie geplant. Ich verschlafe die Kirche, mein kleiner Bruder ist Messdiener im Gottesdienst und meine Familie, inklusive 20 Gäste aus Weinheim, Köln und umliegenden Dörfern, sitzt am Frühstückstisch und ist laut. Ostersonntag besucht uns eben der größte Teil unserer nicht so kleinen Familie. Typische Themen beim Osterfrühstück: Schalke oder Werder? Ganz egal, Hauptsache Wolfsburg! Mein Bodybuilder-Cousin (18) schaut auf meinen Bierbauch und fragt mich, wie das Training läuft. Seine Zwillingsschwester ist kurz vor dem Abitur und plant ihr Studium. Freunde kommen und gehen, quer über die Tische ruft man sich gegenseitig zu, wie fett oder hässlich man im letzten Jahr geworden ist und gibt die Komplimente zurück. Man schleicht am Erwachsenentisch vorbei und vermeidet Augenkontakt, um der unangenehmsten Frage der Welt auszuweichen: „Und, wie lange studierst du noch?“ Das klappt natürlich eher semi-gut. Um nicht zu viel sagen zu müssen, stopfe ich mich mit in Übermaß vorhandener Schokolade voll. Mit vollem Mund spricht man nämlich nicht. Nach dem Frühstück verwandele ich mich gemeinsam mit einem Onkel in den Osterhasen. Wir machen einen Verdauungsspaziergang und verstecken dabei Schokolade ohne Ende am Wegesrand. Der Rest der Familie spaziert mit den Hunden hinterher und sucht. Selbstverständlich sind die Osterhasen diejenigen, die am Ende der Aktion am meisten gefressen haben.

Damit keine zu große Pause zwischen den Mahlzeiten entsteht, wird bei der Rückkehr der Grill angeschmissen. Diesen Artikel schreibe ich am Sonntagabend, während ich gefühlte neunzehntausend Kilo Grillfleisch verdaue und mich auf eine feuchtfröhliche Partynacht vorbereite. Am Montag wird es mit der Kirche wohl wieder nichts werden. Aus irgendeinem Grund ist Ostern dieses Jahr lockerer als sonst. Noch weiß ich nicht so richtig, ob mir das gefällt. Im nächsten Jahr wird das ganze hoffentlich wieder ein bisschen „katholischer“.

FOTO:  Joseph Novak auf flickr.com, CC-Lizenz.

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